Auf dieser Seite möchten wir uns bemühen, ein paar zusätzliche Informationen zu unserem lokalsten aller Bücher ´Fick dich Plagwitz´ zusammenzutragen und Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, zur Verfügung zu stellen. Denn tatsächlich ist Plagwitz ja ein Stadtteil, der mit dem Ende dieses Buches nicht plötzlich aufgehört hat zu leben. Es gibt ihn auch in diesem Sommer.
Beginnen möchten wir aber mit dem Vorwort des Verlegers. Denn das ist schon da, es existiert in diesem Buch und beschreibt es schon so ein kleines bisschen. Folgen wird die erste Rezension, die dankenswerter Weise schnell und freundlich, ohne jedes Vorurteil hier in dieser Stadt in der Leipziger Internetzeitung erscheinen ist. Auch einige Bilder des Stadtteils, die es nicht ins Buch geschafft haben und ein nicht repräsentativer Textauszug sind zu sehen.
Das wäre dann alles, was wir bislang haben. Aber wie gesagt, Plagwitz lebt und mit ihm auch selbstverständlich ´Fick dich Plagwitz´ das Buch.
Lieber Leser, liebe Leserin,
die nun folgende Geschichte wurde von uns veröffentlicht, einzig und allein, um Sie zu unterhalten, um Sie abzulenken von dem schrecklichen Wetter da draußen, dass Sie vermutlich hat zu diesem Buch greifen lassen. Dafür sind wir sehr dankbar und haben unseren Autor gebeten, diese Geschichte darum wenigstens im Sommer anzusiedeln, obwohl der die lieber im Herbst und bei Regen gesehen hätte; wegen der Tristesse, wie er sagte. Autoren denken da nicht wirklich an ihre Leser, also an Sie. Viel-leicht sind Sie aber auch gerade krank, was ein weiterer wichtiger Anlass wäre, mal zu einem Buch zu greifen. Viele Menschen tun das, da sind Sie nicht allein.
Krank fanden wir ein wenig auch die pornografischen Abschnitte in diesem Buch, die wir natürlich den Autor sofort gebeten haben zu streichen, oder wenigstens zu entschärfen, wenn sie denn inhaltlich unbedingt nötig wären. Doch leider hat der da nicht mit sich reden lassen, da wir ihn für Sie (Sie erinnern sich) schon um schönes Wetter gebeten hatten. Überhaupt war darum die Bereitschaft des Autors, auf unsere Wünsche einzugehen, sehr, sehr eingeschränkt, was letztlich sicher, da hat er recht, der Autenzität dieses kleinen Romanes zugute kommt. Aus diesem Grund finden alle hier in diesem Buch erwähnten Orte und Örtlichkeiten (im Buch Locations genannt) mit ihren tatsächlichen Namen Einzug in die erzählte Geschichte. Das wird Ihnen sicher helfen, sich zu orientieren, sollten Sie schon mal in Plagwitz gewesen sein.
Die Namen der handelnden Personen aber, auch ihr Aussehen oder ihr Charakter, haben nicht den geringsten Bezug zur Wirklichkeit. Es gibt sie so nicht, sie sind frei erfunden. Und sollte doch eine Ähnlichkeit bestehen, so ist das nicht gewollt und zufällig.
Bitte verzeihen Sie uns diese nötige kurze Erklärung unsererseits.
Dieses Buch sollte nur von Menschen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr gelesen werden, oder eben mit Erlaubnis ihrer Erziehungsberechtigten.
Wir wünschen nun viel Spaß beim Lesen dieser oft sehr schön geschriebenen Geschichte.
Der Verleger.
Nun gut, so nett diese Einführung in das Buch auch sein mag, so einseitig ist sie eben auch. Also sollten wir vielleicht, nur der Vielfalt halber, auch den Autor zu Wort kommen lassen. Mehr aber auch nicht, denn schließlich wollen Sie ja auch noch ein bisschen was zu lesen haben, wenn Sie dieses Buch endlich bei sich haben.
Im Übrigen ist es hier erhältlich. Danke.
Dies ist keine Widmung. Wem sollte ich dieses Buch auch widmen? Wer würde sich darüber freuen, hierfür in irgendeiner Form verantwortlich zu sein? Ich wüsste nicht, wem ich das antun sollte?
Wäre es aber ein anderes Buch, stünden nicht so seltsam und befremdlich wirkende Sachen in dem, wäre es sehr einfach. So aber sollte ich mich selbstverständlich bei dem Menschen bedanken, der am meisten darunter gelitten hätte. Verdammter Konjunktiv, der einem jeden Autoren an der ein oder anderen Stelle aber sehr hilfreiche und nützliche Dienste erweist.
Wahrscheinlich würde ich es mit einem der Helden dieses Buches halten und sagen: ´Das ist alles meine Frau. Ja, ich habe es geschrieben, aber ich kann nichts dafür.´
Dafür wiederum müsste ich aber eine Frau haben. Habe ich nicht. Also hebe ich mir das mit der Widmung für ein späteres Buch auf. Ich bin da recht optimistisch.
J.Cook
Diese Bilder, teils etwas unscharf, wie zu sehen ist, was uns aber nicht wirklich stört, da sie ja Leben zeigen sollen, sind also in dem Buch nicht enthalten.
Plagwitz
Plagwitz 4
LESEPROBE
In Plagwitz gibt es im Wesentlichen zwei Gruppen von Menschen, so wie vermutlich überall in diesen Stadtteilen.
Die erste Gruppe, die übrigens, als gebe es dafür ein Gesetz, ein ganz natürliches, generell an Größe und Einfluss verliert und damit immer unsichtbarer wird, und das auch noch in potenzieller Geschwindigkeit, besteht aus Menschen, die man hier schon vor zwanzig oder dreißig Jahren hatte wahrnehmen und sich durch die Straßen bewegen sehen können. Teilweise waren diese Menschen da noch Kinder, teilweise aber sahen sie gar nicht so viel anders aus, als sie das heute tun. Vielleicht haben sie sich damals aber etwas schneller bewegt. Man könnte sie auch Ureinwohner nennen.
Die zweite Gruppe ist jünger, überwiegend, generell aber dynamischer. Neugierig sind die Menschen dieser Gruppe sowieso. Sie gehen umher und erforschen, besonders natürlich neue Locations. Locations sind sehr wichtig für diese Gruppe, und man kann deren Mitglieder sehr gut daran erkennen, dass sie in kleinen oder auch größeren Untergruppen neue Locations ausfindig machen, auf sie zusteuern und sie dann ausgiebig untersuchen, teilweise über Monate, nur um dann als Schwarm eine neue Location quasi zu erahnen (manche meinen, diese Schwärme würden mit ihrem unsteten Wesen und ihrem Ahnen Locations geradezu spirituell erschaffen), und von da an eben diese neu gefundene oder tatsächlich geschaffene Location zu ergründen. Im Wesentlichen ist das der Charakter dieser Gruppe, ihr Ziel und Lebenszweck. Man könnte sie die hedonistische Gruppe nennen, die, bei allen Gemeinsamkeiten, sich noch einmal in einen aktiven und einen eher subaktiven Teil aufspalten ließe. Wobei der aktive Teil daran zu erkennen ist, dass er alternativ wirkt und sich meist mit dem Fahrrad, vorzugsweise retro und schiebend, fortbewegt, während der subaktive Teil, eher abwartend und betont seriös agiert, wohlhabend scheint und die Gegend mit seinen immer größer werdenden Autos zuparkt.
Nun ist es so, dass ausgerechnet die zweite, neue Gruppe der ersten skeptisch und mit Misstrauen gegenübersteht. Man findet die Menschen der ersten Gruppe zunehmend seltsam veraltet, merkwürdig, unangepasst, ja eigentlich unpassend. Menschen dieser seltsamen und bieder wirkenden Gruppe gehen kaum aus, holen sich ihre Getränke mit dem Beutel, oft mit großem Geklapper, aus den Supermärkten dieser Stadt, und trinken die doch tatsächlich zu Hause, meist auch noch allein. Sie wirken auch nicht wirklich fröhlich, und wenn doch, dann ist diese Fröhlichkeit ja irgendwie derangiert. Es besteht der dringende Verdacht, dass Menschen dieser Gruppe nicht wirklich für das Leben, besonders nicht das in dieser Gegend, gemacht sind. Wie denn auch? Sind sie doch nur in wirklichen Ausnahmefällen und unter dem dringenden Verdacht, sich anpassen zu wollen, in den neuesten Locations zu finden.
Dennoch hat man, also jedenfalls und selbstverständlich der aktive Teil der Gruppe zwei, Mitleid mit diesen Menschen. Was sich darin zeigt, dass dieser Teil der zweiten Gruppe regelmäßig Plakate klebt, oder gleich Wände bemalt und demonstriert, gegen sogenannte Miethaie und Wucherer, die mit ihren unverschämten Mieterhöhungen der ersten Gruppe die Luft zum Leben nehmen. So seltsam man die immer weniger werdenden Menschen dieser Art auch findet, so wenig darf deren Vertreibung geduldet werden. Dabei vergessen sie natürlich gerne, dass ausgerechnet sie es waren, die mit ihrem bedingungslosen Zuzug die Plagwitzer Hausbesitzer erst auf die Idee gebracht haben, dass sie ihre Häuser ja zum Steinreichwerden nutzen könnten, was die natürlich dann auch gerne und ausgiebig taten. Geld verdienen ist ja alles andere als eine Schande.
LESEPROBE 2
Marie hatte Pierre schon gesagt, dass es ihr sehr gefallen hatte und sie ihn für seine Fantasie bewundere. Aber sie hatte eben auch gesagt, dass solche Sachen nicht gehen würden, nicht ohne Absprache und vor allem nicht derart öffentlich. Schließlich sei sie eine Frau des öffentlichen Lebens und, sollte irgendwer sie bei solchen Treffen erkennen und das auch noch ausplaudern, könne sie das ihre Karriere kosten, und zwar für ihr ganzes Leben, für immer, unwiederbringlich.
Das war es, was Pierre nicht aus dem Kopf gehen wollte. Sicher, sie hatte das sehr nett und freundlich gesagt. Aber sie hatte ihn damit eben auch kritisiert. Sie hatte somit das ganze erotische Spiel kritisiert, und damit ihn. Überhaupt fand er es unverständlich und auch nervend, warum sie so häufig darauf anspielen musste, dass sie so bekannt sei. Sicher, sie arbeitete beim Fernsehen und hatte sogar ein eigenes Resort und eine eigene kleine Sendung, die sie moderierte. Andererseits war der MDR ja nun nicht gerade RTL oder Pro7 oder so. Sie war darum lediglich regional bekannt, und das auch nur bei Leuten, die sich für so etwas nebulöses wie Kultur interessierten. Und er glaubte nicht, dass gerade Nutten das taten. Männer schon mal gar nicht. Aber Marie war seine Freundin, er liebte sie und er würde es natürlich respektieren, dass sie nicht erkannt werden wollte. Genau genommen hatte er da schon eine Idee, wie beides lustvoll miteinander verbunden werden könnte.
Pierre war auf dem Weg vom Krankenhaus nach Hause, hatte einen Abstecher zu einer bestimmten Prostituierten gemacht, die ihm gerade einen blies. Sie hatte ihm einen Gummi drübergezogen und darum dauerte das etwas länger. Es war nicht das erste Mal, dass er zu einer Professionellen ging, früher war er oft im Moulin Rouge, als es das noch gab. Seit er mit Marie zusammen war, hatte er das aber gelassen. Doch da sie seit der Sache im Ping Ping kaum noch Sex mit ihm hatte – das war nun auch schon wieder drei Wochen her – und er wieder Kontakt zu den Damen des Gewerbes geknüpft hatte, war er öfter mal hier hängen geblieben.
Er wusste also schon sehr genau, wie er Marie mal wieder überraschen würde. Da hatte er mal was in einem Porno gesehen, das war genau das richtige, wie er fand. Vor allem war es nicht teuer. Alles, was er dafür bräuchte, gab es im Baumarkt und er konnte es selber bauen. Auch würde er diesmal keine Nutten bezahlen müssen. Ohnehin war ihm das mit der Rothaarigen deutlich zu weit gegangen. Es ist eine Sache, wenn Frauen sich küssen und gegenseitig befummeln und dann vielleicht auch lecken. Dass aber eine Frau der anderen die Hand bis zum Anschlag in die Möse steckt, das war etwas völlig anderes, und wenn es auch noch seine Freundin war, ging das erheblich zu weit. Das sollte so schnell nicht wieder passieren. Außerdem war die Rothaarige nur gegen Geld willig, das hatte er in den letzten Wochen ein paar Mal bewiesen. War sie es nicht, die ihn gerade bediente und dabei so gierig tat?
Keine Nutten also. Dafür drei bis vier Männer. Er dachte, die sollten möglichst unterschiedlich sein, auf keinen Fall die Jungs aus der Bar, die hatten schon genug Freude auf seine Kosten gehabt. Apropos. Kosten würden sie sicher nichts, die Männer. Und es würde ihr gefallen. Denn er hatte gesehen, wie gierig sie darauf sein konnte zu blasen, jedenfalls, wenn es Aktionen waren. Ihn bediente sie nie mit dieser Hingabe. Aber das würde sich schon noch ändern. Vielleicht bei ihrem nächsten Abenteuer. Das Einzige, was da etwas kosten könnte, wäre der Raum, in dem er sich handwerklich verwirklichen werde. Aber das würde nicht zu teuer sein, denn wenn es in Plagwitz etwas gab, dann waren das alte verlassene Industriegebäude mit jeder Menge Räumen. Er würde Marie eine wirkliche Überraschung bereiten, und sie müsste keine Angst haben, erkannt zu werden.
REZENSIONEN11. Februar 2019Ralf JulkeBildung > BücherKeine Kommentare
Der kleine Prinz, der kauzige Herr Richter und die fatale Wirkung von zu viel Geld
Fick dich Plagwitz: Die seltsame Sex-and-go-Liebesgeschichte von Pierre und Marie
James Cook: Fick dich Plagwitz. Foto: Ralf Julke
Für alle LeserMit dem Titel war auch irgendwie der Verleger nicht ganz glücklich. Und mit einigen Stellen im Buch auch nicht. Eigentlich hätte er sich mehr von diesem Plagwitz gewünscht im Buch, mehr von dieser illusionslosen Betrachtung eines Leipziger Ortsteils, der sich in den letzten zehn Jahren erschreckend verwandelt hat, etwas, das einem manchmal so ein derbes „Fuck you“ auf die Lippen bringt. Weniger das, was Marie und Pierre in diesem Buch treiben.
Also mehr Stoff in der pflastermüden Tradition des Stadtteilerforschers Michael Schweßinger, weniger von solchen Szenen, die man eher in Stapelware wie „Fifty shades of grey“ vermutet. Sagt man sich auch als Leser so, bis man merkt, was dieser Pierre da eigentlich anstellt mit der Frau, mit der er gerade in einer schönen Dachwohnung in der Alten Salzstraße zusammengezogen ist. Beide kommen aus eher westlichen Gefilden. Pierre ist Arzt und schiebt 48-Stunden-Schichten im Krankenhaus, verdient aber sichtlich gut. Und Marie ist beim MDR und muss auch ganz gut verdienen. Sonst könnten sie sich die Wohnung in Plagwitz gar nicht mehr leisten.
Einkommen verschiebt die Wahrnehmung. James Cook ist zwar ein Pseudonym und der Autor hält sich heftig zurück, seine Identität preiszugeben. Aber dass er irgendwie an diesem Plagwitz hängt und dort wohl auch schon länger wohnt und sich eher zu den Ureinwohnern zählt, das merkt man schon. Er betrachtet die Veränderungen, die auch in Plagwitz zur Gentrifizierung und Hipsterisierung geführt haben, mit wachem und skeptischem Blick.
Seine kleinen Exkurse zur Veränderung der Einwohnerschaft stellen im Grunde dieselben Fragen, die auch seine Pierre-und-Marie-Beziehungskiste stellt, wenn auch elementarer. Denn diese Ureinwohner haben meist zwei, drei Jobs, um sich die steigenden Mieten noch leisten zu können und nicht „vertrieben“ zu werden, wie Cook es nennt. Und sie können sich den Besuch in einer der schnieken Locations, die von den Neuen frequentiert werden, nur selten leisten, kaufen sich ihr Bier im Supermarkt und trinken es allein für sich zu Hause.
Sie bekommen weder die gut bezahlten Jobs noch die teuren Wohnungen. Manche stranden dann bei den Gesellen, die irgendwie versuchen auf dem Jahrtausendfeld ein bisschen Gesellschaft zu finden. Oder sie verschwinden ganz aus der Stadt wie der seltsame Herr Richter, der so eine Art örtliche Legende war, weil er in sozialistischen Zeiten die Arbeit verweigerte und in modernen Zeiten dem rasenden OBM vor die Kühlerhaube sprang, im Krankenhaus landete und dort möglicherweise die Liebe seines Lebens fand, der er Berge von philosophischen Briefen schrieb.
Marie versucht diesen Richter zu finden, treibt ihn in einem Nest bei Altenburg auf, trinkt mit ihm Milch und lässt sich die Briefe vorlesen. Eigentlich plante sie wohl eine Reportage über diesen seltsamen Mann. Wochenlang werkelt sie an der Geschichte. Erst spät merkt sie, dass hinter der Geschichte eigentlich keine Geschichte steckt. Außer, dass Herr Richter in seiner ländlichen Einfalt wohl glücklich ist.
Was die junge Reporterin schon ein bisschen nachdenklich macht. Denn augenscheinlich ist das ein Widerspruch zu ihrem eigenen Leben, das sich zumeist in einer leeren Wohnung abspielt, denn Pierre ist ja tagelang nicht da. Und wenn er dann kommt, war er vorher schon gern mal im Puff. Oder er hat sich was ausgedacht für seine Marie, die er mit kunstvoll arrangierten Sex-Erlebnissen glücklich machen will.
Das sind die Shades-of-Szenen, in denen man Marie zwar teilweise recht animiert, aber doch eher skeptisch erlebt. Es ist dieses Spiel mit dem Sex, von dem unsere Gesellschaft bis über die Ohren voll ist: Selbst die früher mal seriösen Medien überschlagen sich ja jeden Tag mit neuen Geschichten über Sexpraktiken, Lustgefühle, weiche und harte Formen von Pornographie, in denen es zumeist um Spitzenleistungen, Grenzüberschreitungen und allerlei Hilfsmittel geht, mit denen noch mehr Lust erzeugt werden kann und noch mehr.
Nur das nicht, was Marie zunehmend fehlt. Denn Pierre spricht nicht wirklich mit ihr über ihr Liebesleben. Er betrachtet es augenscheinlich als eine Organisationsaufgabe, Marie ein tolles Liebesleben zu bereiten. Und während er quasi ein Lust-Event nach dem anderen regelrecht pedantisch organisiert, merkt er zwar ab und zu, dass das Marie doch nicht so richtig gefällt, auch wenn sie sich gegen die erotische Nötigung nicht wehren kann. Aber er ist so in seiner Macher-Rolle gefangen, dass er nicht einmal merkt, wie abweisend und ignorant er Marie im Alltag begegnet. Die Gefühle fallen auseinander, genau so, wie wir das in unseren Medien auch erleben. Liebe ist zum (käuflichen) Sex geworden, Partnerschaft muss organisiert werden. Nur der Sinn für das Gemeinsame geht flöten. Logisch, dass Marie zunehmend das Gefühl hat, für Pierre nur ein Objekt zu sein, ein Ausstattungsgegenstand in seinem Leben, der irgendwie mit richtigem Sex versorgt werden muss. Und dazu braucht man nur Geld. Das Pierre ja hat.
Die Möglichkeit, sich mit Geld alles kaufen zu können, richtet augenscheinlich nicht nur im hippen Plagwitz Schreckliches an und macht den Ortsteil zu einer Welt irgendwelcher schicken Locations, während die nicht so hippen Bewohner in der Unsichtbarkeit verschwinden. Und während Pierre sein Geld benutzt, um seiner Marie lauter Sex-Erlebnisse zu organisieren, begegnet diese mit dem kauzigen Herrn Richter einem Mann, der mit Vergnügen den „Kleinen Prinzen“ liest und sich über die seltsamen Typen, denen der Prinz begegnet, schwerwiegende Gedanken macht, die er in Briefen niederschreibt.
Die Gegenwelt zu Pierres Vorstellungen vom richtigen Leben wird dann über etliche Seiten die Welt des kleinen Prinzen kreuzen, in dem sich dieser Herr Richter selbst als kleiner Junge zu erkennen glaubt – mit allen Verwirrungen gegenüber all den komischen Typen vom König über den Laternenanzünder bis zum reuigen Trinker.
Es bahnt sich zwar nichts Schlimmes an – Marie kehrt auch jedes Mal heil aus dem Dorf bei Altenburg zurück. Aber ihre Reportage kommt nicht zustande. Dafür so ein wirklich schräges Gespräch mit Pierre, in dem er ihr das nächste Sex-Erlebnis geradezu aufnötigt, sich aber nicht die Bohne für ihre Reportage interessiert. Da überrascht es dann nicht, dass diese Partnerschaft nicht alt wird und Marie diesem Superperfektionisten geradezu entschwebt.
Nur dass Pierre dann binnen weniger Wochen bei den hauslosen Gesellen auf dem Jahrtausendfeld landet, verblüfft zumindest. Es erzählt aber auch von der Ratlosigkeit, die hinter all seinen Versuchen steckt, die elementarsten Dinge mit Geld lösen zu wollen. Echte Nähe gewinnt man so nun einmal nicht, Vertrauen schon gar nicht. Aber irgendetwas findet Pierre wohl bei den abgerissenen Gestalten am Lagerfeuer.
Was immerhin eine utopische Lösung für eine fatale Geschichte ist. Denn in der Plagwitzer Wirklichkeit würde sich so ein Pierre wahrscheinlich eine neue Marie besorgen, die wieder alles mit sich machen lässt und nicht lange nachdenkt über Leute, die wie in der Geschichte vom „Kleinen Prinzen“ – unglücklich hin und her fahren in schnellen Zügen und nirgendwo glücklich sind, keinen kleinen Asteroiden finden, auf dem sie einfach zufrieden sind, wenn ihre Rose eine neue Blüte bekommt. Aber es sind diese unglücklichen Unzufriedenen, die unsere Welt besetzen und die Regeln vorgeben. Auch in Plagwitz. Da stimmt dann der Titel irgendwie.
James Cook „Fick dich Plagwitz“, Einbuch Buch- und Literaturverlag, Leipzig 2018, 11,90 Euro.
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