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Für alle die nicht mehr suchen möchten
Feldern, auf denen vereinzelnd kahle Bäume wachsen. Ab und zu flitzt ein Haus vorbei. Die zwei Bahngleise sind schnurgerade und führen soweit das Auge reicht bis zum Horizont und zerteilen die Landschaft. Die Gleise sind auf Holzbalken aufgestützt, die in dunkelbraunen Schottersteinen eingebettet sind. Und links und rechts rasen alle zwei Sekunden Licht- und Strommasten vorbei, die einige Stromkabel über den Gleisen aufspannen. Die vorbeiflitzenden Masten und Rillen in den Schienen unterbrechen das monotone Rollgeräusch des Zuges.
´Und nun, hat das Leben einen tieferen Sinn? Nein.
Ist Gott tot? Er hat nie gelebt.
Sollte man sich als Konsequenz des absurden Lebens umbringen?´ frägt er sich.
Er zieht seine Agenda aus der Hosentasche und erstellt die Nutzwertanalyse in Tabelle 1, die abwägt, ob er sich umbringen soll oder nicht.
Tabelle 1 Nutzwertanalyse, welche Konsequenzen sein Selbstmord für ihn und sein Umfeld haben würde.
Kriterium | Punkte (–10…+10) |
Ende des Leidens | +8 |
Logische Konsequenz des absurden Lebens | +5 |
Ich gehe Anderen nicht mehr auf die Nerven | +3 |
Erhöhtes Leid für zurückgebliebene Bekannte und Verwandte | –5 |
Verpasste Chance/Glücksmomente | –5 |
Versagen und das Eingestehen, dass man das Leben nicht versteht | –4 |
Werke und Forschungsergebnisse, die nicht geschaffen werden und dessen sich die Hinterlassenen nicht erfreuen können | –3 |
Risiko auf Fehlversuch und Erwachen in einem negativeren Zustand | –3 |
Schmerzen bei der Ausführung | –2 |
Arbeit und Schrecken für die Leute, welche einem finden | –1 |
Summe | –7 |
Die positiven Punkte in Tabelle 1 werden von +1 (leicht positiv) bis +10 (extrem positiv) und die negative von –1 (leicht negativ) bis –10 (extrem negativ) gewichtet. Die wichtigsten Argumente in Tabelle 1 für den Selbstmord sind: Ende des Leidens, (+8), Logische Konsequenz des absurden Lebens, (+5), und Ich gehe Anderen nicht mehr auf die Nerven, (+3). Zentrale Argumente gegen Selbstmord sind: Erhöhtes Leid für zurückgebliebene Bekannte und Verwandte, (–5), Verpasste Chance/Glücksmomente, (–5) oder Versagen und das Eingestehen, dass man das Leben nicht versteht, (–4). Tabelle 1 resultiert in –23 Punkte die gegen und +16 Punkte die für seinen Selbstmord sprechen. Die Summe ergibt –7 Punkte. Zum Selbstmord reicht es also nicht. Jedenfalls noch nicht, die positiven Punkte nehmen mit dem Alter ab, die negativen zu. Sogar in seiner durchschnittlichen Leidenssituation ist er noch immer weit entfernt davon, Selbstmord zu begehen. Das ist wirklich traurig und veranschaulicht die Tragik unserer Existenz.
Die elektrische Tür zum Zugsabteil öffnet sich. Ein Typ tritt hinaus um zu Rauchen oder sich die Beine zu vertreten, man weiß es nicht.
Instinktiv läuft er ins Abteil zurück. Er durchquert den müden Haufen im ersten Waggon und gelangt über zwei weitere Türen in sein Abteil. Er nimmt seinen Platz neben den zwei St. Gallerinnen ein und starrt zum Fenster raus.
´Auch ich muss die Sinnlosigkeit und das Absurde ins Unterbewusstsein verdrängen, um mein Leben einigermaßen mit Würde über die Runden zu bringen. Genauso, wie ich verdränge, dass ich ungeliebt bin. Logisch, dass Camus zu einem positiven Schluss in Der Mythos des Sisyphos finden musste. Wie sollte er sonst den Rest des Lebens bis zu seinem Verkehrsunfall verkraften können? Wir müssen die Wahrheit verdrängen, uns belügen und trösten, um dieses Leben überstehen zu können. Sonst bleibt nur die Orientierungslosigkeit, Depression und, wenn es endlich ausreicht, der Selbstmord. Die Einsicht, dass das Leben absurd ist, ist zwar richtig, aber diese Einsicht richtet einen zugrunde. Man ist es sich schuldig, die Wahrheit zu verdrängen. Und um das zu erreichen, sind alle Ablenkungsmaßnahmen erlaubt, solange sie anderen nicht schaden: Religion, Arbeit, Drogen …
Ich werde mich wohl auf die Suche nach einer jungen Freundin machen, mit geilen Silikonbrüsten, die hauptsächlich des Geldes wegen bei mir bleibt. Dann könnte ich mir einen Hund kaufen. Ich würde dann jeden Morgen mit ihm kacken gehen und mit dem Nachbarn im Einfamilienhaus gegenüber über das Wetter plaudern. Dann trete ich wohl wieder einem Dorfverein bei, vielleicht dem Männersingverein oder noch besser, irgendwas mit Frauen, beispielsweise einem Tanzverein´, denkt er.
Seine Gedanken werden durch ein Gelächter im Abteil unterbrochen. Die jüngere Tochter der Familie weiter vorne imitiert irgendeine Popshow.
Mit künstlich vertiefter Stimme verkündet sie: „Ladys and Gentlemen, bitte willkommen sie unseren nächsten Gast, Michael Jackson!“
Ihre Miene verzieht sich und nun spricht sie zwei Oktaven höher: „Hello, hello, I love you all!“
Dabei imitiert sie mit ihrer linken Hand einen Mundschutz und winkt mit ihrer rechten Hand übermotiviert in der Luft rum.
Beide Eltern brechen in lautes Gelächter aus.
Er selbst muss auch etwas lachen und die zwei St. Gallerinnen und viele andere im Abteil schmunzeln mit.
Das Mädchen setzt eine ernste Miene auf. Es täuscht vor, in ihrer rechten Hand ein Mikrofon zu halten und mit samt Mundschutz beginnt es zu singen.
„Oh yes I’m bad, i’m bad, i’m soooo bad. Schallalalalaaaa …”
Ihre Eltern verlieren vor Lachen völlig ihre Fassung. Und sie sehen glücklich aus. Sie haben keine Zeit, sich mit der Sinnlosigkeit des Lebens zu befassen.
Er schmunzelt ebenfalls vor sich hin.
´Ja, wohlmöglich hatten meine Eltern recht. Vielleicht ist es besser egoistisch zu sein, als Ablenkung Kinder zu zeugen und die Sinnlosigkeit des Lebens an die nächste Generation abzuschieben. Sollen die sich doch damit rumquälen!´, denkt er.
Literaturangaben
Branden, N. (2003). Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls. Piper, München. (Originalausgabe 1994).
Breton, A. (2004). Die Manifeste des Surrealismus. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. (Originalausgaben 1. Manifest 1924, 2. Manifest 1930).
Bronisch, T. (2002). Der Suizid – Ursachen Warnsignale Prävention. C.H. Beck, München. (Originalausgabe 1995).
Bührke, T. (2005). Albert Einstein. Dtv Portrait, München. (Originalausgabe 2004).
Camus, A. (2005). Der Mythos des Sisyphos. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. (Originalausgabe 1942).
Camus, A. (1983). The Outsider. Penguin Books, London. (in Englisch, Originalausgabe 1942).
Dostoevsky, F. (2001). The Idiot. Granta Books, London. (in Englisch, Originalausgabe 1868/9).
Freud, S. (2005). Die Traumdeutung. Fischer, Frankfurt am Main. (Originalausgabe 1899).
Froböse, G., Froböse, R. (2005). Lust und Liebe – alles nur Chemie? Wiley-VCH, Weinheim. (Originalausgabe 2004).
Gary, R. (2005). La vie devant soi. Folio, Barcelona. (in Französisch, Originalausgabe 1975).
Hesse, H. (1974). Der Steppenwolf. Suhrkamp, Frankfurt am Main. (Originalausgabe 1927).
Klingsöhr-Leroy, C. (2004). Surrealismus. Taschen, Bonn. (Originalausgabe 2004).
Lohmann, H.-M. (2002). Sigmund Freud. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. (Originalausgabe 1998).
Miller, A. (1984). Death of a salesman. Reclam, Stuttgart. (in Englisch, Originalausgabe 1949).
Pease, A., Pease, B. (2004). Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken. Ullstein, München. (Originalausgabe 1998).
Pfeiffer, V. (2005). Nur keine Angst! Knaur, München. (Originalausgabe 2004).
Schedlowski, M. (2005). Stress, psychobiologische Stressreaktionen und Belastungsverarbeitung. Vorlesungsskript, Departement GESS, ETH Zürich.
Schulz von Thun, F. (2005). Miteinander reden, 3. Bände. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. (Originalausgaben Band 1 1981, Band 2 1989, Band 3 1998).
Stopp, U. (2004). Praktische Betriebspsychologie – Probleme und Lösungen. Band 10 Die Betriebswirtschaft Studium + Praxis. Expert, Renningen. (Originalausgabe 1979).
Watzlawick, P., Beaven, J.H., Jackson, D.D. (2007). Menschliche Kommunikation. Hans Huber, Bern. (Originalausgabe 1969).
Wikipedia (2012). Verdrängung (Psychoanalyse). Zugriff 20.10.2012.
Weiterführende Literatur
Baggini, J. (2006). Der Sinn des Lebens. Granta Books, London. (Originalausgabe 2004).
Blackmore, R., McConnachie, J. (2008). The rough guide to Paris. Rough Guides, New York. (in Englisch, Originalausgabe 1982).
Wartenberg, T.E. (2011). Existentialism. Oneworld, Oxford. (in Englisch, Originalausgabe 2008).
Filmangaben
American Beauty (1999). 122 Minuten. Regie: Sam Mendes; Drehbuch: Alan Ball; Musik: Thomas Newman; Besetzung: Kevin Spacy (Lester Burnham), Annette Bening (Carolyn Burnham), Thora Birtch (Jane Burnham), Wes Bentley (Ricky Fitts).
Der Tod in Venedig (1971). Nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann. 130 Minuten. Regie: Luchino Visconti; Drehbuch: Luchino Visconti, Nicola Badalucco; Musik: Gustav Mahler; Besetzung: Dirk Bogare (Gustav von Aschenbach), Björn Andrésen (Tadzio).
Rocky (1976). 119 Minuten. Regie: John G. Avildsen; Dreh-buch: Silvester Sallone; Musik: Bill Conti; Besetzung: Silvester Stallone (Rocky Balboa), Talia Shire (Adrian), Burt Young (Pau-lie).
The Doors (1991). 140 Minuten. Regie: Oliver Stone; Dreh-buch: Oliver Stone und J. Randall Johnson; Musik: The Doors; Besetzung: Val Kilmer (Jim Morrison), Meg Ryan (Pamela Courson).
Musikangaben
CDs
ATB (2003). Addicted to music. Bang on.
Blank & Jones (2003). Relax. Warner Music Group Germany.
DJ Dream (2003). Goliath Platinum. DJ Beat Records GmBH.
Genesis (1980). Duke. Virgin.
Mahler, G. (1997). Mahler – Symphony no. 5 in C-Sharp Minor. The Royal Philharmonic Collection. Tring International PLC Artwork.
Röyksopp (2005). The understanding. EMI.
Verschiedene (2004). Firstclass – The finest in house, best of 2004/2005. Universal Strategic Marketing.
Oper
Georges Bizet (1875). Carmen. Uraufführung am 3. März 1875 in Paris.
Einzelne Songs
Marc Almond featuring Gene Pitney. Something’s gotten hold of my heart, erschienen 1989.
Desireless. Voyage Voyage, erschienen 1986/7.