Exposé:
Der aufstrebende, junge Walden Zoller erleidet
Schiffbruch in seiner Vita.
Angetrieben von Frust, Zweifeln und Ängsten sucht er
Rat und Unterstützung bei einem Psychologen, damit er
wieder auf die richtige Spur des Lebens zurückfindet.
Während seiner Reise erzählt Walden über seinen
persönlichen Werdegang, seine familiäre Geschichte,
seine Liebschaften und wie er sich momentan selbst
sieht.
Walden gibt dem Doktor außerdem Anhaltspunkte, was
er sich von den Sitzungen mit ihm erhofft und wer er
nach Abschluss der Therapie sein möchte.
Leseprobe:
Kapitel I: Waldens privater, schulischer und
beruflicher Werdegang
Hey Doc, ich möchte mich kurz vorstellen, mein Name ist
Walden Zoller, eigentlich bin ich nur ein stinknormaler
Mann, der kurz vor seinem 30. Geburtstag steht. Ich bin
weder sonderlich reich noch außerordentlich sexy.
Besondere Begabungen hab ich an mir auch noch nicht
feststellen können, ein Workaholic bin ich auch nicht –
nein, ich bin eher ein Lebemann…Freizeit kann man
nicht genug haben, oder habe ich da einen Trend
verpennt?
War auch niemals der Ladykiller, der jeder Typ gerne sein
würde, aber das musste ich auch gar nicht sein. Warum
ich dennoch Erfolg bei den Damen hatte und habe, liegt
an meinem Charme, den Umgangsformen da ich ein
Kavalier der alten Schule bin. Doch eines das war ich
immer – ehrlich. Das Problem an der Ehrlichkeit ist
einfach, dass man sich damit nicht allzu viele Freunde
macht, außer bei den Menschen, welche jenes Prädikat
tatsächlich verdient haben.
Aufgewachsen bin ich in einer Stadt mit dem schönen
Namen Rosenheim…Ich war der Erstgeborene meiner
Eltern, Erich und Monique, welche alles führten aber
beileibe keine harmonische und glückliche Ehe. Schläge
für Mutter und mich gehörten zu den beliebtesten
Freizeitaktivitäten meines Vaters. Ja, ich weiß ihr werdet
jetzt denken, immer diese Alkoholiker und ihre
Aggressivität – nein, Dad war nie ein Alki aber er war mit
seinem Leben immer unzufrieden, weil er nie erreicht hat,
was er sich vorgenommen hatte. Der Grund seines
Scheiterns waren meine Mum, da sie sehr ehrgeizig war
und alle ihre Träume und Ziele verwirklichen konnte, die
sie sich gesteckt hatte. Der zweite Grund war ich, denn
ich war ein „Unfall“ und hinderte Erich daran, sein Leben
und seine Jugend genießen zu können. Genauso war ich
auch hinderlich, dass er seinen beruflichen Aufstieg
forcieren konnte. Alles in Allem waren Monique und ich
einfach die besten Ventile um seiner Aggression freien
Lauf zu lassen. Letztlich muss ich jedoch festhalten, dass
ich heute keinen Hass mehr hege gegen diesen
Menschen, der sich Vater nennt, sondern vielmehr
Mitleid…
Ja, Freund der Sonne, was gibt es groß zu mir zu sagen:
Aufgewachsen bin ich größtenteils in der Obhut meiner
Mutter, mit drei kam ich in den Kindergarten um mit
sieben in die Schule überführt zu werden. Schulisch war
ich eigentlich recht erfolgreich zumindest in den Klassen
eins bis vier. Notentechnisch hätte ich es auf das
Gymnasium geschafft, aber mein Lerneifer war nicht
wirklich der Größte – ok, ich war stinkfaul – und so führte
mein Weg auf die Realschule…auch hier konnte mich der
Arbeitseifer nicht packen und so machte ich die mittlere
Reife mit einem Notendurchschnitt von 2,9. Ich finde für
einen Dauerurlaub, welchen ich mir in den Klassen 5-10
verordnet hatte, ist das doch noch relativ passabel
Und abgesehen davon war es mir sowieso wichtiger,
dass weibliche Geschlecht zu studieren und meinen
Charme spielen zu lassen. Ebenso war es meine
Berufung der Klassenclown zu sein und das Sprachrohr
für die Klassengemeinschaft, daher war ich mit meinem
Notendurchschnitt im Abschlusszeugnis doch mehr als
recht zufrieden.
Apropos Schule… anzumerken ist jedoch, dass ich die 8.
Klasse wiederholen musste, da ich es nicht für sinnvoll
erachtete, Mathematik und Physik zu pauken. Im darauf
folgenden Schuljahr musste ich die Realschule wechseln,
da ich meiner Klassenleitung lautstark und sehr
eindringlich meine Meinung, mit den Worten „ Frau
Rampf, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!“ ,einverleibte.
Wie Sie erkennen können, Doc…meine Meinung hielt ich
nicht hinter vorgehaltener Hand zurück…aber mit den
Konsequenzen konnte ich meist gut leben.
Anschließend meinte Monique ich solle doch ruhig über
den zweiten Bildungsweg mein Abitur nachholen, da ich
es ihrer Meinung nach in der Birne hätte, aber mein
Lerneifer irgendwie nicht mit meinem Geistesvermögen
konform gehen wollte – bislang.
Was tut ein junger, aufstrebender Rebell natürlich:
Muttern redet Quatsch…so entschied ich mich für eine
Berufsausbildung zum Bürokaufmann…ja das waren
auch wieder 3 Jahre ohne Stress und wirklicher
Belastung für mich, meinen Gesellenbrief habe ich eher
schlecht als recht gemacht – aber wen interessiert es.
Hmmm, falscher Gedankenansatz, als Dankeschön für
meine „Nichtleistung“ durfte ich die Firma nach der
Ausbildung verlassen, da der Chef sich weit mehr von
mir erwartet hatte.
Da ich aber rhetorisch immer schon sehr gewannt war,
stellte es kein Problem dar gleich einen Job in einem
anderen Büro zu ergattern. Dies war jedoch sehr
kurzweilig. Zum Einen weil ich mich in dieser Firma
nicht wohlgefühlt habe und zum Anderen, der
Geschäftsführer alles in mir sah – nur keinen geeigneten
Bürokaufmann. Nachdem dieses Arbeitsverhältnis in
beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst wurde stellte
sich zum erneuten Male die Frage : Was tun?
Im Hinterkopf waren mir Mutters Worte, du hättest das
Zeug Abitur zu machen…ja diesmal tat ich es. So machte
ich erst einmal mein Fachabitur und anschließend dann
mein Vollabitur, jedoch beide Male mit eher
mittelprächtigem Erfolg – aber ich habe es wenigstens
hinbekommen. Hier konnte ich mir den Vorwurf des
mangelnden Eifers nicht gefallen lassen, es fiel mir
tatsächlich schwer mit dem Lernstoff starke Ergebnisse
zu erreichen – aber ich hatte jetzt das Abitur!
Tja, was also macht der Kerl nach dem Abitur? Gute
Frage, ich weiß es nicht… Mein Traumstudium war
Sportjournalismus, denn Sport bereicherte mein Leben
und ich war die Sportbibel in Person…jedoch scheiterte
das Studium an meinem NC und für die Privatakademien
hatte ich die nötigen Peanuts pro Semester nicht, denn
wo sollte ich 4000 Euro hernehmen? Somit musste ich
diesen Traum schnell begraben.
Es wurde mir empfohlen Lehramt zu studieren für
Deutsch und Geschichte, da ich angeblich gut mit
Kindern könne und sehr geduldig sei. Auch der Zugang
zu den Menschen fiele mir sehr leicht, dass hieß es von
meinen Großeltern und von Mum.
Schön dachte ich mir, ihr haltet ja offensichtlich sehr viel
von mir – aber Lehrer nein, Walden, du bist kein Lehrer
und wirst es auch nie sein. Abgesehen davon wollte ich
niemals in die Fußstapfen Moniques treten, da diese zum
Einen viel zu groß für mich waren und zum Anderen
verfolgte ich einen ganz anderen Weg.
So ließ ich es mit dem Studium sein und entschied mich,
aufgrund der Tatsache, das ich gerne Menschen um mich
hatte für ein Praktikum im Krankenhaus als
Krankenpfleger. Dieses gefiel mir wirklich sehr gut, und
hier bekam ich die Wertschätzung die ich oftmals in
meinem Leben vermisst hatte.
Angestachelt vom Praktikum bewarb ich mich umgehend
um eine Lehrstelle als Gesundheits- und
Krankenpfleger . In drei Häusern bekam ich die Zusage,
entschied mich dann aber für das Spital in Starnberg.
Während der ersten beiden Lehrjahre verlief die
Ausbildung wunderbar. Bewertungen, Noten,
Berufsschule alles lief wie am Schnürchen. Im letzten
Ausbildungsjahr taten sich dann einige Probleme
zusammen, sei es beruflicher oder privater Natur…so
dass ich mich immer weiter zurückzog aus dem Alltag…
…und jetzt sitze ich vor Ihnen Doc, und ich hoffe Sie
können mir helfen;
Kapitel II: Das Verhältnis Eltern-Walden
Ja, das Leben spielt schon oft verrückt mit einem ; Aber
was erzähl ich Ihnen da? Das wissen Sie selbst am
Besten;
Wenn ich rückblickend auf meine Kindheit zurückschaue,
stelle ich immer wieder fest, dass ich eigentlich relativ
hart erzogen wurde, und mir Gefühle im Sinne von
Umarmen, oder ein ich habe dich lieb von meiner Mutter
gefehlt haben. Nach der Scheidung zwischen Erich und
Monique übernahm meine Mum ebenso die Rolle des
Vaters; Verstehen Sie es nicht falsch, ich bin ihr überaus
dankbar dafür, aber so richtig erfahren, was Liebe
bedeutet, habe ich nicht. Ich wurde oft belehrt, was
Leistung ist, sei es schulisch oder beruflich. Muttern
lernte mir den Haushalt zu führen und auch die
handwerklichen Dinge – sie ist und war ein
Allroundtalent. Doch eines konnte sie mir nicht lernen,
wie man richtig mit Gefühlen umgeht.
Wenn ich als Kind weinen musste, dann hörte ich gerne
ein: „ Du bist ein Junge. Jungs weinen nicht !“ Daher
lernte ich schnell meinen Kummer und meine Ängste zu
verheimlichen und teilweise auch zu verbergen. Früh
verstand ich für mich also – du hast Probleme, behalte
sie für dich und löse sie. Aber löse sie alleine, denn
niemand wird dir dabei helfen und dich unterstützen.
Natürlich habe ich auch viele Fehler gemacht, die das
Verhältnis zu meiner Mutter nicht unbedingt positiv
geprägt haben – wenn es mir mal wieder an Geld fehlte,
was nicht selten der Fall war, so nahm ich gerne ihren
Geldbeutel und holte mir was ich brauchte. Geld und ich,
das war lange Zeit ein Problem…ich habe immer
versucht über meinen Verhältnissen zu leben – ich
denke, ich wollte irgendetwas darstellen was ich nicht bin
und auch nie sein werde. Vielleicht wollte ich so
Selbstachtung vor mir erlangen, ich weiß es ehrlich
gesagt nicht mehr, aber vorstellbar wäre es durchaus.
Ebenso kann ich mich an einen Streit mit meiner Mutter
erinnern, wobei ich ein einziges mal tätlich wurde….ich
wollte sie nur weg schubsen, sie ließ aber nicht ab – ich
hab ihr dann einen heftigeren Stoß gegeben und sie fiel
in eine Glasvitrine. Ich wollte sie niemals verletzen und
auch nie handgreiflich werden, hatte ich doch zu oft
erlebt wie Erich die Hand gegen Monique und mich
erhob. Das waren für mich die schlimmsten Ereignisse,
und ich denke mir, Mum wurde so kaltherzig im Bezug
auf meine Erziehung, weil sie diese Schläge und
körperlichen sowie geistigen Misshandlungen Vaters auf
diese Weise verarbeitete, mit lass keine Gefühle
rankommen an dich – dann kannst du auch nicht verletzt
werden. Zurück zu meiner Handgreiflichkeit – es war das
Erste und Einzige mal in meinem Leben, das ich die
Hand erhob gegen einen Menschen, welcher mir am
Herzen liegt. Und ich hasse mich auch heute noch dafür
– das war ein Fehler den ich mir niemals verzeihen
möchte und vergeben kann….
Doc, meine Beziehung zu Erich…
.wie soll ich sagen, wir hatten nie einen gemeinsamen
Nenner und auch nie ein Vater-Sohn-Verhältnis. Jedoch
gab es ein prägendes Erlebnis, nein diesmal nicht mit
Prügelattacken, sondern aus seinem Munde während
eines Telefonats: „ Du bist den Namen Zoller nicht Wert,
du bist eine Schande für die Familie!“ so hallt es auch
heute noch in meinem Kopf. Der Anlass für dieses Zitat
seinerseits….ich wollte am Wochenende nicht zu ihm
kommen ( Eltern waren da schon geschieden ), weil ich
auf die Geburtstagsfeier meines besten Freundes gehen
wollte.
Mit diesem Satz, der auch heute immer noch Nachdruck
verleiht, war das Tischtuch zwischen uns völlig
zerschnitten und ich habe auch keine Lust und kein
Verlangen einen Kontakt zu ihm und seiner NEUEN
Familie aufzubauen.
Wie heißt es bekanntlich: Man sieht sich immer zweimal
im Leben. Und auch hier ließ mich das Schicksal nicht
verschont. Da mein Vater immer unzufrieden war, und
mittlerweile Frührentner ist, fiel ihm ein, er habe einen
arbeitenden Sohn, welcher ihn und seine Frau finanziell
unterstützen könne, sobald er in einem festen
Arbeitsverhältnis steht….
Butter bei die Fische – er verklagt mich auf Unterhalt…
als Dankeschön für meine verkorkste Kindheit – gerne
Erich, ich zahle jederzeit!
Früh lernte ich, Frauen und Kinder sollen mit Respekt
behandelt werden. Ich war und werde nie ein Mensch
sein, der seine Hand erhebt – doch einmal tat ich es.
Niemals mehr, das hab ich mir geschworen, egal wie
sauer ich bin, wie ausweglos eine Situation sich darstellt.
Kein Mensch auf Gottes Erde hat es verdient, von einem
anderen geschlagen zu werden. Ich weiß nicht warum,
aber ich weiß eines: Ich glaube diese Schläge in meiner
Kindheit haben mich geprägt, und mir auf der einen Seite
gezeigt, dass es niemals eine Rechtfertigung gibt
jemanden tätlich anzugreifen, da jeder Mensch doch
seines Glückes Schmied ist. Im Gegenteil: durch Prügel,
macht man sich mehr Probleme als man eh schon hat –
es zerstört Gefühle, Liebe und Zwischenmenschliches.
Ein weiterer Fakt der mir klar wurde: Selbstachtung
verliert man durch seine Taten ebenso – und wer selbst
mit sich nicht im Reinen ist, besitzt die Fähigkeit nicht
andere Menschen um sich herum zu bereichern oder
glücklich zu machen. Das war die lehrreichste Lektion
aus dieser Zeit und ich denke auch, dass es die
Prägendste war.
Kapitel III: Walden und der Sport
Doc, da Sie jetzt schon einiges über mich und meine
Familie kennen gelernt haben, würden Sie gerne wissen
ob ich Hobbies habe oder hatte. Ja, ich hatte ein Hobby
und ich sah es als Berufung…
…ich werde Ihnen erzählen, was es auch heute noch ist
und was ich dafür alles getan habe. Es fing eigentlich
ganz einfach an, denn als kleiner Junge mit 4 Jahren
nahm mich mein Nachbar einmal mit in ein
Eishockeyspiel des Schlittschuh-Clubs Rosenheim. Von
da an war ich infiziert mit dem Virus Hockey.
So meldete mich meine Mum beim SC Rosenheim an,
und ich erlernte im Alter von 4 Jahren das
Schlittschuhlaufen. Mit 6 durfte ich bereits bei den
Bambini antreten und mein damaliger Trainer erkannte
meine natürliche Begabung für diesen Sport. Er forderte
und förderte mich nicht nur im Mannschaftstraining
sondern ich erhielt bei ihm auch Privatstunden. Er
machte aus mir einen Vollblutstürmer, der durch
Schnelligkeit, Kaltschnäuzigkeit und Cleverness schwer
auszuschalten war. Durch meine kleine, hagere Statur
konnte er natürlich keinen körperlich agierenden Spieler
aus mir formen, nein ich war ein kreativer Techniker, der
durch kluges und schnelles Denken punkten konnte.
Mit 8 durfte ich bereits bei den Kleinschülern ran, und
wurde als Jüngster auf Anhieb Torschützenkönig mit
einer sensationellen Quoten von 62 Toren aus 22
Spielen.
Angetrieben durch diesen Erfolg, wurde mein sportlicher
Ehrgeiz immer mehr und ich begann täglich mit dem Bus
ins Eisstadion zu fahren und trainierte 5 mal die Woche á
3 Stunden. Es war mir egal, mit welcher
Mannschaft…sogar bei den Profis durfte ich ab und an
mit trainieren. Es wuchs der Wunsch in mir mein Hobby
zu meinem Beruf zu machen.
Ich schaffte es in die Schülerbundesliga, die allerhöchste
Spielklasse, welche es in Deutschland gab, bereits mit 12
Jahren. Dabei sollte man wissen, dass die Jugendlichen
normal erst mit 13 dort spielberechtigt sind. Durch meine
clevere Spielweise und meinen Speed auf den
Schlittschuhen, wurde ich als jüngster Spieler dieser
Mannschaft zweiter der Topscorerliste mit 102 Punkten.
Topscorer bedeutet, dass die erzielten Tore und die
Torvorlagen addiert werden!
Mit 15 schaffte ich es in die Deutsche
Nachwuchsnationalmannschaft und war dort einer der
herausragenden Akteure.
Bislang war ich von größeren Verletzungen verschont
geblieben, ein gebrochener Daumen war das Maximum.
Ja, ab 16 trainierte ich eigentlich nur noch bei den Profis
mit, denn mein Weg war so skizziert, dass ich nach den
Nachwuchsteams sofort den Sprung in die
Profimannschaft, welche in der 1. Bundesliga spielte,
schaffen würde. Ich war stolz auf mich, auf meine Trainer
beim SC Rosenheim, die mir jegliche Unterstützung
gaben in meiner sportlichen Karriere, und ich war
dankbar, dass man mir schulisch – hier blieb natürlich
manches auf der Strecke – keine Knüppel zwischen die
Beine warf.
Ich war drauf und dran meinen Traum zu Leben!
Doc, Sie wollen wissen, was der Schönste Moment
meiner Karriere war?
Ich werde diesen Moment niemals vergessen..
..die Bilder spielen sich vor meinem Auge ab. Es war das
Endspiel um die Deutsche Juniorenmeisterschaft. Wir,
der SC Rosenheim, im heimischen Eisstadion gegen den
Erzrivalen aus Landshut.
Ich hatte kein gutes Spiel gemacht – es stand nach 60
regulären Minuten 3:3! Landshut war uns deutlich
überlegen, aber konnte aus ihren zahlreichen Chancen
kein Kapital schlagen. Es musste also die Verlängerung
entscheiden, wer Deutscher Meister wird….wir alle
wussten, das nächste Tor entscheidet zwischen Sekt und
Selters.
Unser Coach nahm eine Eiszeit und sagte zu mir:“
Walden, geh da raus, denk nicht nach und hau das Ding
rein.“ Ich weiß nicht warum, aber der Coach gab mir das
Vertrauen, obwohl ich in diesem Match wirklich schwach
war – das heißt kein Pass kam an, keinen Zweikampf
gewann ich, die Anspiele beim Bully verlor ich…alles in
Allem es klappte rein gar nichts! Doch der Trainer
schenkte mir und meiner Reihe das Vertrauen…
Doc, im Eishockey dauert eine Verlängerung 5 Minuten,
wer das Tor erzielt gewinnt, das sollte ich noch
anmerken.
Also gingen wir Jungs raus aufs Eis..ich blickte in das
Rund und ca. 2000 Menschen, was für ein
Nachwuchsspiel eine sensationelle Kulisse darstellt,
feuern uns an. Es gab mir den Extrakick Motivation, und
ich spürte, wenn du jetzt das Tor machst, bist du der Held
der Saison, solltest du aber auf dem Eis stehen, wenn
Landshut den Titel holt, wirst du der Loser von
Rosenheim sein.
Wir standen beim Bully – die Anspannung war kaum zu
ertragen – der Schiedsrichter warf den Puck ein, ich
gewann das Anspiel und leitete den Pass auf meinen
Außenstürmer weiter, dieser überlief einen Verteidiger
und wir hatten eine zwei auf eins Situation vor dem
gegnerischen Torwart….
…ich bekam den Pass in die Mitte gespielt und lief
unmittelbar auf den Landshuter Schlussmann zu, ich
dachte nicht nach, folgte meinem Instinkt…
…nein, ich schoss nicht, ich spielte den Torhüter aus,
wartete bis dieser mit einer Bewegung in meine Richtung
ging, bremste scharf, und hob den Puck über seine
Schulter hinweg in die Maschen!!!
Wir hatten es geschafft, wir waren Deutscher Meister,
niemals hatte ich etwas Schöneres und Größeres in
meinem Leben erlebt. Die Mannschaft und der Trainer
warfen sich auf mich, ich konnte es nicht realisieren, ich
hatte die Mannschaft zur Meisterschaft geschossen.
Die Zuschauer jubelten und riefen im Chorus „Walden
Zoller Eishockeygott“…was war das für ein geiles
Gefühl…ich konnte es nicht fassen!
Doc, kennen Sie diesen einen Augenblick, wenn die Welt
im Einklang ist, man sich unbesiegbar fühlt…
ja, den kennen Sie?! Genau so einer war das…
..es war das Schönste was ich je erlebt hatte!
Der schlimmste Moment?
…da brauche ich nicht lange überlegen, ich machte mein
zweites Spiel bei den Profis in der 1. Bundesliga,
eigentlich lief alles gut…ich fuhr hinter das Tor und wollte
den Puck einfach nur raus spielen in Unterzahl…ich
stand mit dem Rücken zum Tor als ich einen heftigen
Schlag in meiner Kniekehle verspürte…ich dachte mir
nichts, lief ungefähr ein bis zwei Meter weiter und sackte
dann zusammen. Die Sanitäter holten mich vom Eis ,
zogen meine Knieschoner aus und sahen, dass das Knie
vollkommen zertrümmert war. Sie brachten mich
umgehend in das Rosenheimer Klinikum, wo festgestellt
wurde, dass ich einen doppelten Kreuzbandriss, eine
Bruch der Patella, und einen Knorpelschaden davon getragen hatte.
Ich fragte also den behandelnden Arzt, wann ich wieder
aufs Eis zurückkehren könne …
…und wenn ich den Satz, welchen er mir zur Antwort gab
auch heute noch geistig vernehme, bricht der Schmerz
wieder auf: “Herr Zoller, Sie werden nie wieder
Leistungssport betreiben können, denn ihr Knie wird
diesen Belastungen nicht wieder standhalten können.“
Ich war fertig mit der Welt, hatte ich doch alles dafür
gegeben einmal ein Topeishockeyspieler zu werden und
jetzt sollte alles vorbei sein? Nein, ich konnte den Worten
nicht glauben, die der Mediziner mir entgegenwarf.
Aber doch, es stimmte…es war mit 17 Jahren das Ende
einer Karriere, die so vielversprechend begann.
Und auch heute noch, Doc…wenn ich im Eisstadion bin
und mir Spiele ansehe, schmerzt es mich, dass ich es
nicht bin, dem das Publikum zujubelt, der übers glatte
Nass flitzt. Es war mein Traum, der ein brutales Ende
fand.
Doc, mittlerweile habe ich es akzeptiert, dass es so ist…
..und ich erkannte das Freud und Leid so eng
beieinander stehen.
Jetzt wissen Sie alles über mein Hobby, denn auch heute
bin ich noch begeisterter Fan der Rosenheimer Jungs;)