Die Katze Arta
Die Katze Arta und die Hexe
Es war einmal eine Katze namens Arta. Sie lebte auf einem schönen alten Bauernhof gemeinsam mit vielen anderen Tieren. Arta war keine gewöhnliche Katze, denn sie hatte verschieden farbige Augen. Das linke Auge war grün, wie bei vielen Katzen. Das rechte Auge jedoch hatte einen geheimnisvollen goldenen Glanz. Mit diesem goldenen Auge konnte sie Dinge sehen, die anderen Betrachtern verborgen blieben. So entdeckte sie jede auch noch so gut versteckte Maus, indem sie einfach durch Gegenstände und sogar durch Wände hindurchsehen konnte. Dank diesem goldenen Auge war Arta eine ausserordentlich erfolgreiche Jägerin.
Die Bauersfamilie, bei der Arta lebte, war fleissig und sorgte gut für ihre Tiere. Ausserdem pflanzte sie auf ihren Feldern eine besonders schmackhafte Sorte weisser Bohnen an, die weitherum bekannt war und sich auf dem Markt zu einem hervorragenden Preis verkaufen liess. Die Bohnen hatte der Bauer vor vielen Jahren von einem alten Weiblein geschenkt bekommen, das er jedoch seither nicht mehr gesehen hatte.
Das alte Weiblein war in Wirklichkeit eine Hexe, die einsam im Wald neben dem Bauernhof lebte. Dank eines selbstgebrauten Zaubertranks war die Hexe für Mensch und Tier unsichtbar. Für ihren Zaubertrank benötigte sie einige der schmackhaften weissen Bohnen, die sie dem Bauern einmal geschenkt hatte und die er seither anpflanzte. Wenn die Hexe unsichtbar war konnte sie unbemerkt überall hingelangen auch in den Keller des Bauernhofs, wo die besonderen Bohnen lagerten, welche sie für ihren Zaubertrank benötigte.
An diesen Morgen flog die unsichtbare Hexe wieder einmal auf ihrem Besen zum Bauernhof, um einige Bohnen zu stehlen. Arta, die Katze des Bauern, sass gerade vor der Kellertreppe und putzte ihr schwarzes Fell bis es vor Sauberkeit glänzte. Es war ihre Aufgabe den Vorratskeller frei von Mäusen zu halten und da es diese Nacht so viel zu tun gegeben hatte, war sie etwas später dran als sonst. Normalerweise lag sie um diese Zeit schon auf ihrem Lieblingsplätzchen vor dem Küchenfenster um dort gemütlich zu schlafen.
Plötzlich entdeckte sie mit ihrem goldenen Auge am Himmel etwas, das wie ein grosser lila Vogel aussah. Der Vogel steuerte direkt auf den Bauernhof zu und landete vor dem Vorratskeller. Arta duckte sich und schlich so rasch sie konnte zum Landeplatz des merkwürdigen Vogels. Versteckt hinter einem Strauch konnte sie gerade noch beobachten, wie eine alte, runzlige Frau mit einem schwarzen Hut, einem langen, lila Umhang und einem grossen Korb von einem Besenstiel stieg und Richtung Vorratskeller schritt. Arta erschrak. Dies musste eine Hexe sein. Dies konnte nichts Gutes für den Bauernhof und seine Bewohner bedeuten. Arta beobachtete wie die Hexe einen rostigen Schlüssel aus ihrem Umhang hervorzog und damit die Türe des Vorratskellers öffnete und eintrat.
«Ich muss doch mal schauen gehen, was die Hexe in unserem Vorratskeller zu schaffen hat». Arta nahm all ihren Mut zusammen und schlich der Hexe hinterher hinab in den Vorratskeller. Die Hexe entdeckte die Katze sofort. Arta hatte jedoch grosses Glück, da die Hexe ihr keine Beachtung schenkte, dachte sie doch sie, die Hexe sei sowieso für alle anderen Lebewesen unsichtbar. Ohne grosse Eile füllte die Hexe daher ihren Korb mit den köstlichen weissen Bohnen des Bauern.
«Na warte», dachte Arta wütend. «Du darfst nicht einfach die Bohnen meines Herrn stehlen». Die Katze schlich vorsichtig aus dem Keller und schaffte es unter grosser Anstrengung die Kellertüre ins Schloss fallen zu lassen. Da die Hexe den Schlüssel aussen im Schloss hatte stecken lassen und sich die Türe von innen nicht öffnen liess, sass sie nun im Keller in der Falle.
Die Katze sauste blitzschnell zum Bauern, um ihm ihren neuen Fang zu zeigen. Die ganze Bauersfamilie war aber ausgerechnet an diesem Tag für Einkäufe ins Dorf gefahren, sodass sie nur den treuen Hund Arap antraf. «Arap komm schnell. Ich habe eine Hexe in unserem Vorratskeller gefangen». Der Hund musste lachen und meinte: «Hast du schlecht geträumt oder bist du eine gute Erfinderin». Grinsend folgte er Arta zum Vorratskeller. Als sie dort ankamen war die Hexe verschwunden. «Siehst du», meinte der Hund. «Du hast die Geschichte nur erfunden, um davon abzulenken, dass die Mäuse von den weissen Bohnen geklaut haben. Der Bauern wird gar nicht mit dir zufrieden sein. »
Arta war enttäuscht und ärgerte sich über die Schadenfreude von Arap, mit dem sie sich eigentlich gut verstand.
Die Zeit verging und Arta hatte die Hexe schon fast vergessen als sie eines Morgens die Kellertür wieder unverschlossen und sperrangelweit geöffneten vorfand. «Na warte, dir werde ich es zeigen…» Arta schlich leise in den Vorratskeller und wollte die Hexe mit ihren scharfen Krallen übel zurichten. Doch offensichtlich hatte sie den erneuten Bohnenklau zu spät bemerkt. Die Hexe war nicht mehr im Vorratskeller und es waren nur noch wenige weisse Bohnen übrig. Sie hörte gerade noch wie die Kellertüre hinter ihr ins Schloss fiel. Diesmal hatte die Hexe also Arta überlistet und im Keller eingesperrt. «Miau, miau, lass mich gefälligst wieder frei», reklamierte Arta vergeblich. Auch Arap konnte sie nicht hören, da er gerade damit beschäftigt war einen stinkenden Knochen zu vergraben.
Die Stunden vergingen und Arta bekam grossen Hunger. Sie machte sich in dem dunklen Vorratskeller auf die Suche nach etwas Essbarem. «Wenn ich nicht bald etwas finde werde ich hier drin noch verhungern und verdursten». Arta blieb schliesslich nichts Anderes übrig als mit ihren scharfen Krallen einen Sack aufzuschlitzen, um zu sehen, ob sich darin wohl etwas Essbares befände. Es kullerten jedoch nur einige weisse Bohnen aus dem Sack. Der Bauer hatte diese Bohnen ausnahmsweise auf dem Markt als Vorrat für den Winter gekauft, da wegen des heissen Sommers seine eigene Bohnenernte schlecht ausgefallen war. «Wieder nur Bohnen», dachte Arta enttäuscht.
Es vergingen zwei Tage bis der Bauer endlich den Vorratskeller öffnete um etwas zu holen. Zu seiner Verwunderung fand er eine laut miauende Kassandra vor, die ihm erleichtert um die Beine strich und froh war, aus ihrem Gefängnis befreit worden zu sein. Als er sah, dass sie den Bohnenvorrat für den Winter geöffnet hatte schimpfte er ein bisschen mit ihr. «Na Arta frisst du jetzt statt Mäuse schon unsere Bohnenvorräte»? Die Arme Arta war ziemlich verzweifelt, obwohl sie dem Bauern immer wieder vormiaute was vorgefallen war, konnte er sie natürlich nicht verstehen.
Der Sommer verging, der Herbst kam und schliesslich war es Winter. Arta hatte viel Zeit gehabt, um nachzudenken, warum die Hexe wohl die weissen Bohnen ihres Herrn stahl und wie sie mit der Hexe verfahren wollte, falls diese wiederauftauchte.
Es war klirrend kalt und die Landschaft war mit einem wundervollen weissen Schneemantel überzogen, der in der Sonne glitzerte. Arta lag faul auf dem Fensterbrett und liess sich die Sonne auf ihren dicken Winterpelz scheinen. Manchmal öffnete sie träge ihre Augen ein wenig, um das Treiben der Vögel zu beobachten. «Wer kommt denn da wieder angeflogen». Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie doch tatsächlich diese freche Hexe am helllichten Tag vor dem Vorratskeller landete und gerade von ihrem Hexenbesen herunterstieg.
Arta erhob sich blitzschnell und schlich auf Samtpfoten zum Vorratskeller. Sie blieb jedoch vor dem Eingang sitzen, um von der Hexe nicht wieder eingesperrt zu werden. Arta nahm ihren ganzen Mut zusammen und miaute: «Stopp Hexe, lass unsere Bohnen in Ruhe, sonst hole ich den Bauer und der wird dich dann höchstpersönlich vertreiben». «Hallo Arta, möchtest Du wieder ein paar Tage im dunklen Keller verbringen und dir von den Mäusen auf der Nase rumtanzen lassen? » lachte die Hexe. «Hol nur deinen Herrn. Er kann mich eh nicht sehen und die Bohnen gehören ihm auch nicht. Ich habe sie ihm nämlich vor vielen Jahren geschenkt».
Die Katze lief vorsichtig einige Tritte die Treppe in den Vorratskeller hinab und setzte sich neben die Bohnen. Sie behielt die Türe immer im Auge, falls die Hexe sie wieder einschliessen wollte. «Du Hexe», miaute Arta. «Ich möchte dich etwas fragen. Du konntest Dich doch aus dem Vorratskeller befreien als ich dich eingeschlossen hatte. Wie hast Du das denn hingekriegt»? Die Hexe war stolz über ihre Zauberkünste Auskunft geben zu können. « Ach du ahnungslose Katze. Die weissen Bohnen deines Herrn haben Zauberkräfte. Ich habe eine davon gegessen und mich in eine kleinen Maus verwandelt. So konnte ich durch eine Ritze in der Türe nach aussen gelangen. Anschliessend knabberte ich ein kleines Stück einer zweiten Bohne und verwandelte mich so wieder in meine ursprüngliche Hexengestalt zurück. »
Arta staunte nicht schlecht. Dass die Bohnen des Bauern ausserordentlich gut schmeckten wusste sie, dass sie aber auch Zauberkräfte verliehen war neu für sie. Als sie nun die Zauberbohnen mit ihrem goldenen Auge fixierte, fiel ihr auf, dass diese geheimnisvoll leuchteten. «Hexe, ist es wirklich war, dass unsere Bohnen Zauberkräfte haben? Kannst du mir das denn beweisen und dich nochmals in eine Maus verwandeln»? «Natürlich kann ich das», entgegnete die Hexe, «aber ich bin sicher nicht so unvorsichtig und verwandle mich in eine Maus, damit Du mich blitzschnell fangen und fressen kannst. Aber wenn Du willst, kann ich mich in ein Huhn verwandeln». Die Hexe steckte sich eine Bohne in den Mund, schluckte diese hinunter und verwandelte sich augenblicklich in ein Huhn, das einen kleinen schwarzen Zauberhut trug und lila Flügel hatte. «Siehst Du nun», gackerte die Hexe. Ich habe recht gehabt. Es ist ganz einfach». Mit stolz geschwellter Brust schritt sie im Vorratskeller auf und ab. Arta applaudierte artig und meinte, dass dies ein grossartiges Zauberkunststück sei. «Kannst du dich denn auch wieder zurückverwandeln? » Die Hexe musste gackern und meinte: «Nichts einfacher als das». Sie pickte eine Bohne vom Boden auf, die ihr Arta mit dem Schwanz zugeschoben hatte, doch nichts geschah. Denn Arta hatte der Hexe heimlich von den gewöhnlichen gekauften Bohnen aus dem Sack untergeschoben, welche keine Zauberkräfte hatten. Hastig pickte die Hexe weitere Bohnen, doch der Zauber liess sich nicht mehr rückgängig machen.
Als Arta dies bemerkte, rannte sie blitzschnell die Treppe hoch und schloss die Türe hinter sich, sodass die Hexe in Hühnergestalt im dunklen Keller gefangen war.
Arta liess es sich nicht nehmen noch kurz bei Arap dem Hund vorbeizuschauen und ihm einen triumphierenden Blick zuzuwerfen bevor sie sich für ihr Mittagsschläfchen auf dem Fensterbrett niederliess.
Als die Bäuerin am Nachmittag Bohnen aus dem Vorratskeller holen wollte, um das Abendessen zuzubereiten, flatterte ihr ein eigentümliches Huhn mit einem schwarzen Hut und lila Flügeln entgegen. Die Bäuerin fing es ein und steckte es zu den anderen Hühnern in den Stall.
Die Aufregung im Hühnerstall über den Neuankömmling war gross. Anfänglich hatten die Hühner vor ihrer Artgenossin mit dem Hut und den lila Flügeln etwas Angst, zumal sie behauptete eigentlich eine Hexe zu sein. Mit der Zeit kehrte jedoch Ruhe im Hühnerstall ein, denn das neue Huhn erzählte ausgesprochen spannende Geschichten und genoss es nach jahrelanger Einsamkeit im Wald als Hexe nun Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Die Eier dieses eigentümlichen Huhnes waren ausserdem gross, schmeckten ausgesprochen delikat und hatten ein geheimnisvolles Leuchten, das nur Arta mit ihrem goldenen Auge sehen konnte.
Die Katze Arta und der Fuchs
An einem sonnigen Morgen spazierte die Henne stolz mit ihren 10 kleinen Küken, die sie gerade ausgebrütet hatte, über den Hof. Sie war auf dem Weg zum Misthaufen um den Kleinen das Scharren beizubringen. Die Küken waren aufgeregt und kletterten übermütig auf dem Misthaufen umher. Eines der Kleinen, der Putsi, wagte es sogar vom hohen Misthaufen auf die benachbarte Mauer zu springen. Da passierte es. Putsi rutschte beim Versuch auf der Mauer zu landen aus und viel auf der anderen Seite auf den harten Boden. Aua, das tat ganz fest weh. Putsi hatte sich sein linkes Beinchen gebrochen und schrie jämmerlich nach seiner Mama.
Arta, die Katze mit dem goldenen Auge, lag gerade auf ihrem Lieblingsplatz, dem Fenstersims vor der Küche und liess sich die Morgensonne auf den Pelz scheinen als sie das kleine Küken weinen hörte: «Tschiu, Tschiu, Tschiu.» Sofort machte sie sich auf den Weg, um zu sehen was passiert war. Die Henne hatte das verunfallte Küken hinter der Mauer bereits entdeckt und gackerte verzweifelt um Hilfe. Arta sah mit ihrem goldenen Auge sofort, dass das linke Beinchen von Putsi gebrochen war und rannte um die Bäuerin zu Hilfe zu holen. Vorsichtig nahm die Bäuerin das vor Angst zitternde Küken in die Hand und brachte es in die Küche. «Na komm Du kleiner Abenteurer, das kriegen wir wieder hin». Sie nahm die Salbe aus dem Küchenschrank, welche Sie aus einem Bohnensud selber hergestellt hatte und rieb das Beinchen vorsichtig damit ein bevor sie es schiente und verband. «Jetzt musst du halt eine Weile hier bei mir im Hause bleiben, bis es deinem Beinchen wieder bessergeht», meinte die Bäuerin. Putsi fühlte sich wohl im Haus und seinem Bein ging es rasch besser. Er sehnte sich jedoch danach, mit seinen Geschwistern zu spielen. Vier Tage später als Putsi wieder ein wenig laufen konnte und die Bäuerin vergessen hatte die Haustüre zu schliessen, ergriff er die Gelegenheit. Er hüpfte ins Freie und suchte nach seiner Mama und den Geschwistern. Zum Glück traf er Arap den Hund, der auf den Hof aufpassen musste, wenn keiner da war. «Du Arap, weisst Du wo meine Mama ist»? «Darfst Du kleiner Piep Matz überhaupt schon alleine rumlaufen», brummte Arap. «Ach bitte, bitte Arap sei nicht so streng. Ich kehre auch gleich wieder zurück ins Haus. Ich möchte nur kurz bei meiner Mama unter die Flügel schlüpfen und meine Geschwister begrüssen». Arap liess sich von dem süssen, kleinen Putsi überreden und sagte: «Ich glaube sie sind auf einem Spaziergang Richtung Weiher. Komm aber zurück, wenn Du sie nicht gleich entdeckst. Dein Bein ist noch viel zu schwach für lange Ausflüge».
Putsi wusste nicht genau wo dieser Weiher war und lief einfach einmal los. Es ging ganz gut mit seinem Bein und er hatte kaum Schmerzen. So merkte er nicht, dass er sich schon weit vom Hof entfernt hatte und bereits am Waldrand angekommen war. «Wahrscheinlich ist Mama mit den Geschwistern schon längst wieder zuhause», dachte Putsi und legte sich ein wenig in den Schatten einer grossen Tanne um sich zu erholen.
«Hallo mein Mittagessen», sagte plötzlich eine Stimme ganz in der Nähe. «Ich warte schon seit langem auf ein kleines, zartes Küken für meine Mittagssuppe». Das war der Fuchs, der nun bedrohlich hinter einem Busch hervortrat. Putsi fing an zu weinen als er das grosse Tier mit den spitzen Zähnen und dem rötlichen Fell erblickte und schluchzte: «Es ist doch gar nicht genug Fleisch an mir dran». «Das macht nichts», entgegnete der schlaue Fuchs. «Es geht ja nicht nur ums Fleisch, sondern auch um den Geschmack». Der Fuchs nahm das kleine, vor Angst zitternde Küken in die Schnauze und brachte es in seinen Fuchsbau. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, füllte er einen Topf mit Wasser stellte ihn auf den Herd. «Jetzt muss ich nur noch warten bis das Wasser kocht und dann mach ich eine schöne Suppe aus dir».
Unterdessen hatte man zuhause auf dem Hof bemerkt, dass Putsi verschwunden war und alle suchten fieberhaft nach ihm. «Ich klettere mal auf das Stalldach und schaue, ob ich von dort aus Putsi irgendwo entdecke», sagte Arta zur unglücklich gackernden Henne. Mit ihrem goldenen Auge blickte Arta weit in die Ferne und sogar durch Wände hindurch. Als sie die Region in der der Fuchs seinen Bau hatte absuchte, erschrak sie fürchterlich. Putsi sass gefangen in der Fuchshöhle und der Fuchs hatte gerade einen Topf auf den Herd gestellt. «Henne, ich habe Putsi gefunden», rief Arta. Sie wollte der Henne nicht verraten in welch schlimmer Lage der arme Putsi sich befand. Konzentriert überlegte sie, wie sie Putsi befreien könnte. Da kam ihr eine Idee. Rasch ging sie in den Vorratskeller und holte zwei Bohnen, welche Zauberkräfte verleihen konnten. Das hatte sie von einer Hexe gelernt, welche sich versehentlich in ein Huhn verwandelt hatte und nun bei ihnen auf dem Bauernhof lebte.
Wie der Wind rannte Arta nun zur Fuchshöhle, wo sie Putsi hinter der Türe jammern hörte. Bevor sie jedoch an die Türe klopfte schluckte sie mit Mühe eine der mitgenommenen Zauberbohnen. Als der Fuchs die Türe öffnete, um zu schauen, wer ihn da gerade störte, war er hocherfreut ein grosses, fettes Huhn vorzufinden. «Hallo Fuchs», sagte Arta, die wie ein Huhn aussah. «Ich habe gehört du hast ein Küken mit gebrochenem Bein gefangen und möchtest eine Suppe damit machen. Ich habe einen Vorschlag für dich. Wenn du es frei lässt, darfst du dafür mich in deinen Suppentopf stecken. Ich bin viel fetter und aus mir kann man eine richtig gute Suppe machen». Der Fuchs war begeistert von dieser Idee und lief um Putsi frei zu lassen. Putsi hinkte so gut es ging rasch aus dem Fuchsbau heraus. «Komm doch herein du köstliches Huhn, das Wasser kocht bereits, du brauchst nur noch hineinzuspringen». Arta folgte dem Fuchs in seinen Bau. Ohne, dass dieser etwas bemerkte, schluckte Arta die zweite Bohne sodass sie sich wieder in ihre ursprüngliche Katzengestalt zurückverwandelte. Sie duckte sich in eine dunkle Ecke des Baus wo sie nicht gut zu sehen war und als sich der Fuchs nun umdrehte um das Huhn zu ergreifen, traf ihn ein blitzschneller Hieb mit messerscharfen Krallen auf seiner empfindlichen Nase. Heulend rannte er so schnell er konnte aus seinem Bau, um weiteren Angriffen des Monsters zu entkommen.
Arta aber spazierte zufrieden zurück nach Hause. Unterwegs stiess sie auf das kleine Küken. Sie setzte den erschöpften Putsi auf ihren Rücken und so erreichten beide glücklich und stolz den Bauernhof. Alle freuten sich riesig und umarmten Putsi. Nach ein paar Tagen war das kleine Küken wieder völlig gesund und tollte mit seinen Geschwistern im Hof herum.
Arta erhielt zum Dank von der Henne ein Ei geschenkt, dass sie genüsslich ausschlecken durfte.
Die Katze Arta und der Hund Arap
Arta, die Katze, und Arap, der Hund, sassen beisammen und beobachteten die Henne, wie sie ihre Küken auf dem Hof spazieren führte. Erst vor kurzem war eines ihrer Kleinen, der Putzi, verloren gegangen und fast vom Fuchs gefressen worden. Durch eine List hatte jedoch Arta in einer mutigen Aktion das Küken aus der Fuchshöhle befreien können.
«Du Arap, du hast doch erlebt wie ich als kleines Kätzchen auf den Hof gekommen bin. Kennst du meine Mutter und meinen Vater», fragte Arta?
«Soll ich dir die Geschichte erzählen?» «Au ja, meinte Arta, und schaute ihren Freund erwartungsvoll an.
«Erinnerst Du Dich an die Hexe, die nebenan im Wald lebte»? Arta nickte.
«Als die Hexe wieder einmal auf ihrem Besen in einem Höllentempo über unseren Bauernhof geflogen ist, musste sie einem entgegenkommenden Raben ausweichen. Du sasst hinter ihr auf dem Besen und weil du noch so klein warst, bist du runtergefallen, zum Glück gerade in unseren Misthaufen. Die Hühner haben dich dann gackernd rausgezogen. So bist du bei uns gelandet».
Arta schaute Arap fassungslos an und wusste nicht was sie sagen sollte. Da begann Arap laut zu lachen und konnte kaum mehr aufhören.
«Oh, du gemeiner Kerl», fauchte Arta. «Du hast mich ganz schön an der Nase rumgeführt». Dann begann auch sie über diesen gelungenen Scherz zu lachen.
«Also, dann erzähle ich dir nun wie es wirklich war», sagte Arap.
Seit Tagen hatte es stark geregnet und der Bauer machte sich Sorgen, dass seine Felder vom nahegelegenen Fluss überschwemmt werden könnten. «Komm Arap», sagte er zu mir. «Wir gehen mal nachschauen». Als wir in der Nähe des Flusses ankamen, hörte ich eine jammernde Stimme. Auch der Bauer hatte etwas gehört, das wie das Weinen eines Säuglings klang. Ich rannte aufgeregt bellend zur Böschung und der Bauer folgte mir. Wir sahen eine nasse Kartonschachtel, die an einem Ast hängen geblieben war. «Das Jammern scheint aus dieser Kartonschachtel zukommen. Ich muss versuchen, sie ans Ufer zu ziehen», sagte der Bauer zu mir. Sofort schleppte ich einen langen Stock an. Mit diesem angelte der Bauer nun nach der Schachtel und hatte sie schon fast an Land gezogen, als er plötzlich an der glitschigen Flussböschung ausrutschte. Ich konnte ihn gerade noch am Zipfel seines Mantels packen bevor er zusammen mit der Kartonschachtel in den reissenden Fluss gestürzt wäre. Mit vereinten Kräften zogen wir dann die Schachtel aus dem Wasser ans rettende Ufer.
Gespannt öffnete der Bauer die Kartonschachtel und da sasst du. Eine tropfnasse, zitternde, schwarze, kleine Katze. Der Bauer zog sofort seinen Mantel aus. Trocknete dich so gut es ging damit ab und wickelte dich ein. «Arap komm. Gehen wir nach Hause. Diese kleine, arme Katze braucht Wärme und hat sicher grossen Hunger», sagte er zu mir.
Während der Bauer mit dir auf dem Arm nachhause lief, schautest du ihn immer wieder an, als ob du dich bei ihm für die Rettung bedanken wolltest. Du Arme konntest jedoch nur eines deiner beiden Augen öffnen. Dein linkes Auge war eitrig entzündet, sodass du das Lid nicht heben konntest. Als wir völlig durchnässt beim Hof ankamen, lief uns schon die Bäuerin entgegen. «Ist etwas passiert, dass ihr schon wieder zurück seid? Warum hast Du deinen Mantel nicht an?», rief sie. Der Bauer wickelte dich aus seinem Mantel aus und übergab dich seiner Frau. «Oh, du armes kleines Kätzchen», rief die Bäuerin. Rasch holte sie einen kleinen Weidenkorb, polsterte diesen mit einem Tuch aus und stellte ihn vor den warmen Ofen in der Küche. Ich habe dann immer wieder durch das Fenster von draussen reingeschaut und beobachtet was du machst. Die Bäuerin hat dir in einem kleinen Schoppen etwas Ziegenmilch eingeflösst, die du dankbar getrunken hast. Dann hast du dich in deinem Körbchen zusammengerollt und bist vor Erschöpfung eingeschlafen.» Arta lauschte gebannt Araps Erzählung.
«Am nächsten Morgen hattest du dich bereits etwas erholt, sasst in deinem Körbchen, miautest und suchtest nach mir. Ich war immer wieder ans Fenster gelaufen um hereinzuschauen wie es dir geht. Leider konntest du dein entzündetes linkes Auge immer noch nicht öffnen. Ich beobachtete wie die Bäuerin, mit dem Wasser, in welchem sie weisse Bohnen gekocht hatte, dein entzündetes Auge von Zeit zu Zeit auswusch. Weisst Du, sie ist überzeugt, dass das Bohnenwasser Heilkräfte besitzt und Wunden dadurch schneller heilen. Anfänglich hast du den Kopf jedes Mal weggedreht, doch plötzlich verstandst du, dass die Bäuerin dir helfen wollte. So hieltest du still und begannst während der Behandlung sogar zu schurren.
Als die Bäuerin dir am Abend ein Tellerchen mit Ziegenmilch hinstellte, blickten ihr zwei muntere Augen entgegen. «Du hast dich aber schnell erholt», sagte sie erfreut zu dir, «und was für besondere Augen du hast. Deine Augen haben ja unterschiedliche Farben. Dein rechtes Auge ist grün. Dein linkes Auge, dass so krank war, schimmert wunderbar, wie Gold. Darum hat sie dich auch Arta (Fussnote: Ar = Gold (Albanisch), arta = goldene (adj. weibl.)) genannt.
Am nächsten Morgen durftest du endlich in den Hof an die frische Luft. Als ich vor meiner Hundehütte an der Sonne döste bemerkte ich, dass irgendetwas auf mir herumturnte. Das warst Du. Du bist mir nämlich auf den Rücken gesprungen und hast mich mit deinen kleinen scharfen Krallen massiert und wohlig dazu geschnurrt. Natürlich war ich zuerst etwas wütend und habe geknurrt: «Komm sofort da oben runter. Wer bist du überhaupt, dass du es wagst mich zu stören. Als ich keine Antwort erhielt, habe ich mich kräftig geschüttelt und du bist miauend oben runter gekullert. «Ah, du bist es», sagte ich zu dir. «Wie ich spüre geht es dir wieder besser». Du hast dich dann an mich gekuschelt und bist sofort eingeschlafen. Von diesem Tag an waren wir zwei unzertrennlich. «Ausser wenn du mir nicht glauben willst», meinte Arta mit einem Augenzwinkern.
Als kleines Kätzchen spieltest du am liebsten Verstecken mit mir. Natürlich habe ich dich mit meiner feinen Spürnase nach kürzester Zeit gefunden. Auch du hast mich immer gleich entdeckt. Sogar als ich mich im Vorratskeller hinter den Bohnensäcken verkrochen hatte. «Du hast nicht richtig weggekuckt, als ich in den Keller gerannt bin», warf ich dir vor. «Habe ich doch», sagtest du,» aber ich konnte Dich durch die Wände hindurchsehen». «Das glaube ich dir nicht. Beweise es mir», habe ich dich angeknurrt. «Also gut. Geh hinter den Baum und ich sage dir was du machst». Hinter dem Baum habe ich mich auf den Rücken gelegt und gefragt: »Was mache ich jetzt»? » Du liegst auf dem Rücken», hast du gesagt. Ich bin sofort aufgesprungen und habe dich wieder angeknurrt: «Du hast mich gesehen». «Nein, wirklich nicht Arap . Versuch es nochmals an einem anderen Ort». Dann bin ich in den Stall gegangen und habe die Türe hinter mir zugemacht und gerufen: »Also Arta, was mache ich jetzt?» »Du stehst auf drei Beinen». » Ja stimmt, musste ich schliesslich zugeben. «Du kannst wirklich durch Wände sehen. Das muss irgendwie mit deinem goldenen Auge zutun haben». «Ja», miautest du, «das denke ich auch und natürlich mit den Zauberbohnen».
Arta lehnte sich bei diesen Worten an Arap ihren Freund und Retter, schnurrte etwas und legte sich dann wieder an ihren Lieblingsplatz auf dem Fenstersims vor der Küche.