Frau im Spiegel / Leseprobe und Exposé

Exposé

 

Dies ist die Geschichte von Katharina Stolze. Am Morgen ihres 45. Geburtstags blickt
sie zurück auf ihr bisheriges Leben. Auf Jahre voller Höhen und Tiefen. Und die
Erfahrungen in zwei ganz verschiedenen Welten.
Katharinas erste Jahre sind behütet. Sie lebt in einer gutbürgerlichen, christlichen
Familie, als einziges Kind weit und breit von Großeltern, Eltern und Tante geliebt und
umsorgt. Die DDR ist – 13 Jahre nach Ende des Krieges – längst gegründet,
bescheidener Wohlstand im Wachsen. Katharinas Vater – Bernhard – beginnt, sich
für den Sozialismus zu engagieren. Er will die Welt verbessern, ist ehrgeizig und
Katharina ein strenger, aber gerechter Vater.
Die Familie zieht aufs Land, wo Katharina in die Schule kommt und Freundschaft mit
Clara schließt. Sie lernt Selbstständigkeit. Ihre Eltern sind beruflich viel unterwegs.
Die ersten Erfahrungen mit der Liebe verlaufen für Katharina schmerzlich. Dicklich,
ängstlich und unsicher wird sie oft verspottet, während Clara Triumphe feiert. Erst
Henry – ein Nachbar und gestandener Mann – verhilft Katharina vorübergehend zu
mehr Selbstbewusstsein.
Den hohen Ansprüchen des Vaters gerecht werdend wechselt Katharina mit dem
9.Schuljahr in die EOS (heute Gymnasium). Sie ist eine ausgezeichnete Schülerin,
nur im Fach Sport tut sie sich schwer. Postwendend verliebt sie sich unsterblich in
Paul, einen Mitschüler. Der nutzt ihre Gefühle für seine Zwecke aus, lässt sie aber
am Ende eiskalt fallen. Veronica – ebenfalls eine Mitschülerin – tröstet Katharina und
sie freunden sich an. Die Tanzstunde beschert einen ehrlichen Verehrer, dessen
Gefühle sie aber nicht erwidern kann. Katharina scheut Enttäuschungen, fürchtet die
eigene Blamage und lässt sich nur noch auf unverbindliche Affären ohne Tiefgang
ein. Bis Jochen kommt. Ihm verfällt sie rettungslos, muss aber nach Monaten des
emotionalen Auf und Ab mit seinem Weggang leben. Wieder eilt Veronica zu Hilfe
und macht aus ihr ein „böses“ Mädchen.
Frühjahr 1975. Robert tritt in Katharinas Leben. Er wird einmal ihr Ehemann werden,
aber zunächst lässt sie ihn abblitzen und als er zur Armee muss, ohne das
Versprechen ziehen, auf ihn zu warten. Bei seinem nächsten Anlauf –  Silvester 1975
–  trifft er aber voll in ihr Herz. Monate vergehen, bis sie sich wiedersehen.
Katharina schreibt ein 1-A-Abitur, wehrt sich aber eisern, in die SED einzutreten. Ihre
Studienbewerbung wird abgelehnt, ein Umlenkungsgespräch bringt die
Zwangszuweisung eines Ersatzstudienplatzes, der Katharina an den Rand der
Verzweiflung bringt. Sie bricht das Studium ab und muss den steinigen Weg des
zweiten Bildungsweges gehen, was bedeutet, als Ungelernte anzufangen, ganz
unten.
Roberts Familie nimmt Katharina herzlich auf. Andrea – Roberts Schwester – ist eine
bildhübsche, warmherzige Frau, die jedermann liebt und bewundert. Ein
unerreichbares Ideal für Katharina. Sie selbst wird verspottet, sogar von ihrem
Schwiegervater in spe. Aber Robert steht zu ihr, sie verloben sich im Sommer 1976
und werden im August 1978 heiraten. Über Jahre hinweg werden sie sich mit den
Schwierigkeiten, die der Umbau des alten Hauses der Stolzes – früher eine Kneipe –
mit sich bringt, herumschlagen müssen. Die Zusammenführung ihrer beiden Familien
ist zunächst wegen der grundsätzlich verschiedenen politischen Ansichten heikel,
kann aber doch noch gemanagt werden. Nach Katharinas endgültigem Einzug in
Roberts Elternhaus kommt es zu ersten Reibereien mit der Schwiegermama. Die Zeit
der Kompromisse beginnt. Robert weiß, was er zu tun hat.
Andrea bekommt im April 1979 ihr zweites Kind und auch Katharina verspürt den
Wunsch, etwas zum Gedeihen der Familie beizutragen. Die Geburt ihrer kleinen
Cora fällt beinahe auf den Tag ihrer Meisterprüfung, die sie schließlich machen darf,
obwohl sie dem Drängen, in die Partei zu gehen, immer noch nicht nachgegeben hat.
Die kleine Familie erwirbt ihren ersten, fahrbaren Untersatz, einen alten Trabant, der
viel Geld kostet. Vom heiß ersehnten Neuen trennt sie noch mindestens ein
Jahrzehnt Wartezeit. Es wird nicht mehr dazu kommen, dass er ausgeliefert wird.
Andrea erkrankt an Leukämie. Über die ganze Familie bricht eine Katastrophe
ungeahnten Ausmaßes herein. Jenseits der Grenze werden erste Heilungserfolge mit
Rückenmarksspenden erzielt. Unerreichbar für Bürger der DDR. Elf Monate nach
Ausbruch der Krankheit stirbt Andrea. Katharina erlebt die bisher schlimmste Zeit
ihres Lebens, voller Angst und Depressionen. Mutter Stolze verliert ihren Lebensmut,
während Vater Stolze zunehmend dem Alkohol verfällt. Robert – ihr einziger Halt.
Katharina arbeitet zu Hause, bis Cora den Kindergarten besuchen kann. Absolviert
danach den praktischen Teil ihres Meisterstudiums. Sie wird wieder schwanger und
bringt nach einer überaus komplizierten Schwangerschaft die kleine Celine zur Welt.
Das Kind ist oft krank. Katharinas Angst nach Andreas Schicksal ist geblieben. Sie
arbeitet abermals die ersten drei Jahre zu Hause. Nachdem auch Celine alt genug
für den Kindergarten ist, hofft Katharina endlich auf berufliche Fortschritte in ihrem
Betrieb. Sie hat ein erfolgreich abgeschlossenes Meisterstudium zu bieten. Aber sie
hat sich standhaft geweigert, in die SED einzutreten. Die Quittung: keine berufliche
Perspektive. Katharina kündigt und fängt – als Ungelernte – in der Buchhaltung einer
Ziegelei an. Ein Glücksgriff, wie sich noch herausstellen wird. Am 15.8.1988, an
ihrem 10.Hochzeitstag tritt sie die Stelle an.
In der DDR beginnt es zu brodeln. Montagsdemos in mehreren großen Städten
läuten die Wende ein, bis schließlich im November 1989 die Mauer fällt. Tausende
verlassen das Land. Vieles, was jetzt ans Tageslicht kommt, hat Katharina nicht mal
geahnt. Hat nicht das Gefühl, in der DDR gelitten zu haben. Und hat Angst vor all´
dem Ungewissen. Ende 1989 überqueren sie zum ersten Mal die deutsch-deutsche
Grenze, dürfen Niklas und Therese besuchen. Lieb gewonnene Freunde, die bisher
unerreichbar schienen. Ein emotionales Erlebnis für beide Seiten.
Katharina beschließt sich weiterzubilden. Sie will als Ungelernte nicht auf der Strecke
bleiben. Erste Firmenschließungen vornehmlich in der Textilindustrie spülen zahllose
Arbeitssuchende auf den Markt. Viele werden keine Chance mehr haben. Katharina
fürchtet um ihr Auskommen. Auch wenn es ein schönes Gefühl ist, D-Mark in der
Tasche zu haben. Als auch ihr Betrieb von einer westdeutschen Firma aufgekauft,
Computertechnik eingeführt und der Mitarbeiterstamm verkleinert wird, profitiert sie
von ihrer Eigeninitiative.
Mutter Stolze hat den Tod ihrer Tochter niemals verkraftet. Zehn Jahre dauert ihr
psychisches und physisches Dahinsiechen, bis sie 1991 stirbt. Katharina und Robert
stehen ihr bei bis zum Schluss. Vater Stolze bleibt zurück. Sie werden sich um ihn
kümmern, er wird niemals loskommen vom Teufel Alkohol. Zwar ist ihm das Glück
einer neuen Partnerschaft vergönnt, aber seine Freundin wird ein paar Jahre später
Opfer der gleichen Krankheit werden, die schon seine Tochter dahingerafft hat. Und
immer werden Robert und Katharina mittendrin sein im Geschehen, sich um alle
sorgen und alles managen. Bis an die Grenzen ihrer Kraft. Sie werden erleben, wie
die Demenz Vater Stolze nach und nach seines Verstandes beraubt und das wird
ihnen viel abverlangen.
Nebenbei müssen die Stolzes das Leben in einer Gesellschaftsordnung meistern,
deren Spielregeln sie nicht gelernt haben. Robert absolviert eine Abendschule zum
Polier, die ihn am Ende aber auch nicht davor bewahren kann, dass seine Firma in
die Insolvenz geht und er die Probleme der Arbeitslosigkeit kennen lernen muss. So
etwas hat es nicht gegeben in der DDR. Der sonst stets optimistische Robert wird
vorübergehend den Mut verlieren.
Katharina wird Glück im Unglück haben. Gerade rechtzeitig vor der Schließung der
Ziegelwerke wird sie die Bekanntschaft von Jonathan Wiesinger machen. Er hat nach
der Wende eine Malerfirma gegründet und braucht dringend Unterstützung.
Katharina wird seine rechte Hand. Sie baut die Buchhaltung auf. Jonathan scheint
sie nicht nur als Mitarbeiterin, sondern auch als Frau außerordentlich zu schätzen.
Katharina genießt das. Die Situation zu Hause hat dazu geführt, dass sie und Robert
nebeneinander her leben, ihre Beziehung auf Sparflamme läuft. Aber Katharina
widersteht der Gefahr, für ein Abenteuer Ehe und Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen.
Ein harmloser Flirt, mehr nicht. Elfriede, Jonathans Gattin, sieht Katharina nur als
Übergangslösung, bis die Freundin des Sohnes einsteigen kann. Aber Katharina wird
mehr als nur eine Schwiegertochter überleben und auch zwei weitere Angestellte
werden kommen und wieder gehen, während sich Katharina unentbehrlich gemacht
hat, wie Jonathan ihr anfangs riet. Auch Junior Stefan wird gehen, während
Katharina tapfer die Stellung hält. An ihrer neuen Arbeit hängt ihr Herz. Die
Turbulenzen, denen „ihr“ kleiner Handwerksbetrieb ausgesetzt ist, verursachen ihr
schlaflose Nächte. Geldnöte, Auftragsmangel, säumige Zahler und insolvente
Kunden bereiten ihr Kopfzerbrechen. Sie leidet und sie kämpft – immer gemeinsam
mit Jonathan. Jonathan, dessen schallendes Lachen und dessen sonore
Bassstimme ihr sofort gefallen hatten. Die ständigen Probleme werden ihn
verändern, Stefans Weggang wird ihn verbittern, aber Katharina wird ihm die Stange
halten. Dennoch hat sie Zweifel, entschließt sich abermals zu einem Abendstudium.
Bilanzbuchhalter will sie werden. Um im Falle einer Entlassung nicht ganz
chancenlos zu sein. Was ihr wie die Besteigung des Mount Everest vorkommt und
zeitweilig unmöglich scheint. Bernhard unterstützt sie dabei. Obwohl er erkannt hat,
dass Katharina sich ihm nie wieder bedingungslos unterordnen wird. Mit der
Unterstützung der ganzen Familie schafft sie es schließlich doch. Und ist am Ende
ihrer Kraft. Auch gesundheitlich. Eine Operation ist nicht mehr länger aufzuschieben.
Lange hat sie gezögert. Keine Zeit dafür wegen der Arbeit, des Studiums und – vor
allem – zuviel Angst. Katharina wird es überstehen.
Die beiden Mädchen – Cora und Celine – sind zu hübschen, klugen jungen Frauen
herangewachsen. Eine wie die andere. Katharina und Robert haben sie begleitet,
alle wichtigen Stationen ihres jungen Lebens miterlebt, Wehwehchen geheilt, Nächte
durchwacht, Kraftproben überstanden. Und sie haben die Mädchen geliebt. Cora und
Celine sind hinein gewachsen in das neue Leben. Kommen viel besser damit zurecht
als ihre Eltern. Und doch – Ereignisse, wie die Anschläge am 11.September 2001
erschrecken sie zu Tode. Ängste gehören auch zu ihrem Leben. Sie können auf eine
schöne Kindheit zurück blicken, obwohl im Hause Stolze nie alles einfach gewesen
ist. Zusammengehalten hat die Familie immer. Und jedes Jahr einen Urlaub
gemeinsam verlebt, der für alle Schwierigkeiten entschädigt hat. Nach Öffnung der
Grenzen haben sie gemeinsam Orte erkundet, die zu sehen Katharina nie für
möglich gehalten hätte. In Holland, Dänemark, Österreich und Italien sind sie
gewesen. Haben sich gemeinsam über das erste, richtige „Westauto“ gefreut, dessen
wirtschaftlichen Totalschaden bei einem Unfall auf dem Weg nach A. zu Therese und
Niklas glimpflich überstanden und sind füreinander da gewesen. Immer. Auch
Katharinas Liebe zu Robert hat letztendlich allen Belastungsproben stand gehalten.
Nichts und niemand hat sie zerstören können.
45 unglaubliche Jahre. Cora und Celine stehen vor der Tür um zu gratulieren. Mit
einem großen Blumenstrauß. Katharina sieht sie vor dem Fenster stehen. Gleich wird
sie hinaus eilen um ihre Töchter in die Arme zu schließen. Ganz fest.

 

 

 

Leseprobe 1

 

Der Sommer verging im stetigen Auf und Ab von neuen
Krankheitsschüben, Klinikaufenthalten, Zeiten der scheinbaren
Besserung, unter der Diktatur der Angst und neuer Hoffnung. Jürgen
verbrachte mit seiner Frau und den beiden Kindern einen Urlaub an
einem nahegelegenen Stausee um bei Bedarf jederzeit das
Krankenhaus erreichen zu können. Er machte seiner Andrea alles so
schön wie nur möglich und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
Woher er selbst die übermenschlichen Kräfte nahm, die er dafür
brauchte, blieb Katharina ein Rätsel. Manchmal schien ihr, die ganze
Familie könnte an der Situation zerbrechen, so groß war die
nervliche Anspannung, zumal sich Andreas Zustand tendenziell von
Monat zu Monat verschlechterte. Es war weiterhin ein ständiger
Wechsel von guten und schlechten Phasen, aber die schlechten
traten immer öfter und immer heftiger ein. Irgendwann würde man
sich mit dem Gedanken auseinandersetzen müssen, dass Andrea
ihren Kampf allem Anschein nach bereits verloren hatte und es nur
noch eine Frage der Zeit war, wie lange ihr Ringen ums Überleben
noch andauern würde. Keiner war bereit, aufzugeben, aber
manchmal kam doch der Gedanke auf, es wäre besser, wenn dieses
grausame Leiden ein Ende hätte. Andererseits konnte sich keiner
vorstellen, wie es weitergehen sollte, wenn Andrea nicht mehr da
wäre. Was sollte aus den beiden Kindern werden – so ohne Mutter?
Katharina fühlte sich elend und verzweifelt, wenn sie sich die weitere
Zukunft vorzustellen versuchte. Immer öfter verließ sie der Mut. Sie
fand Halt bei Robert, er fing sie auf und gab ihr Kraft, wie eh und je.
Über sein eigenes Innenleben, über seine Empfindungen, seinen
Schmerz und seine Ängste sprach er nur wenig und sehr selten.
Katharina konnte nicht recht herausfinden, ob Robert so stark war,
wie er tat, oder ob er seine Schwäche nur verdrängte, vor ihr
versteckte um es ihr nicht noch schwerer zu machen.
Noch schlimmer war Roberts Mutter dran. Katharina war selbst
Mama, sie konnte ganz genau nachvollziehen, welche Höllenqualen
ihre Schwiegermutter durchlitt, während sie ihr geliebtes Kind über
Monate hinweg leiden sah, ohne das Geringste daran ändern zu
können. Katharina war wegen Cora schon wegen weniger
dramatischer Ereignisse fast verrückt geworden vor Angst. Wie fühlte
es sich wohl an, sich mit dem Gedanken auseinandersetzen zu
müssen, sein Kind vielleicht zu verlieren? Sie alle waren in einen
Teufelskreis geraten, aus dem es kein Entrinnen mehr gab.
Trotzdem traten ausnahmslos alle Familienmitglieder stets mit
lächelndem Gesicht an Andreas Krankenbett und verbreiteten
auftragsgemäß Optimismus. Aber die Wochen zerrannen wie
Schnee in der Sonne und den Ärzten – und vor allem Andrea – lief
die Zeit davon.
Im Oktober 1981 – elf Monate nach Ausbruch der Krankheit – waren
Andreas Kräfte aufgebraucht. Im blühenden Alter von
neunundzwanzig Jahren hörte ihr Herz auf zu schlagen. Zurück
blieben ihre zwei Kinder und ihr Mann, der bis zum letzten Atemzug
alles für sie getan hatte.
***
Die mühevoll aufrecht erhaltene Fassade brach in sich zusammen.
Es war nicht mehr nötig, den Tränen Einhalt zu gebieten. Es hatte
auch keiner mehr die Kraft dafür. Jetzt brachen alle Dämme.
Katharina hatte sich nicht vorstellen können, wie es sich anfühlen
würde, wenn alles vorbei war. Sie hatte noch nie in ihrem Leben eine
solche Leere gespürt, hatte noch niemals einen solchen Schmerz
erfahren. Es hatte wohl eine Reihe von Ereignissen gegeben, die
Katharina traurig machten, sie hatte auch früher schon Verzweiflung
und Hoffnungslosigkeit empfunden. Aber jetzt wurde alles bisher da
Gewesene in den Schatten gestellt. Der Schmerz war schier
unerträglich. Er brannte sich in ihr Herz ein und war durch nichts zu
stillen. Wie Katherina erging es allen. Andrea hinterließ eine große
Lücke. Die klaffte wie eine offene, blutende Wunde, die über lange
Zeit nicht heilen wollte, vielleicht nie.
Katharinas Trauer mischte sich auch mit der Sorge um ihren Mann.
Er hatte seine große Schwester sehr lieb gehabt. Bisher waren seine
Reaktionen eher verhalten gewesen. Wieder einmal hatte er seine
eigene Trauer nicht öffentlich gemacht. Wie es „da drinnen“ aussah,
ging niemanden etwas an. Katharina fürchtete seinen
Zusammenbruch. Aber noch hielt Robert durch.
Mutter Stolze war indessen ein Schatten ihrer selbst geworden.
Schlank war sie immer gewesen. Jetzt aber schien sie so zart und
zerbrechlich, dass man befürchten musste, sie fände keine Energie
mehr für das Nötigste im Leben. Allein der Gedanke, dass ihre
Enkelkinder sie brauchten, ließ sie durchhalten. Katharina bemühte
sich in diesen Tagen nach Kräften, ihr zur Seite zu stehen. Sie
suchte nach den richtigen Worten um ihre Schwiegermama zu
trösten. Aber sie fand keine. Es gab sie einfach nicht. Schweigend
nahm Katharina die Mutter oft in den Arm, die so heftig um ihr Kind
weinte, dass es ein Jammer war.
Dabei hatten alle das Schlimmste noch vor sich: die Beerdigung. In
den Tagen vorher waren tausend Dinge zu regeln, viele Wege zu
erledigen und es gab eine Menge zu organisieren. Man kam nicht
zum Nachdenken und das war gut so.
Die Trauerfeier sollte im Krematorium in P. stattfinden. Sie hatten
eine Annonce in die Tageszeitung gesetzt um das traurige Ereignis
und den Termin für die Beerdigung bekannt zu geben. Bisher waren
schon unheimlich viele, teilweise sehr ergreifend formulierte
Kondolenzkarten bei der Familie eingegangen, aber es war auch
damit zu rechnen, dass viele Menschen den Weg zum Friedhof
finden würden. Katharina hatte riesige Angst vor der Trauerfeier. Ihr
war schlecht vor Angst, schon die Tage zuvor. Sie alle hatten einen
sehr schweren Gang vor sich.
Mit dem Zug traf Oma Anna ein um Cora zu versorgen, während
Katharina und Robert weg waren. Sie war im Umgang mit Kindern
nicht so geübt, wie Mutter Stolze oder Laura, aber sie wollte ihr
Bestes geben um ihrer Enkelin bei diesem traurigen Anlass  behilflich
zu sein. Katharina war ihr dankbar für ihren Einsatz, wusste sie doch,
dass Oma Anna sich damit schwer tat. Bernhard und Marina wollten
selbst zur Trauerfeier kommen und hatten aus diesem Grund das
Kind nicht nehmen können.
Als sich Katharina – von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet – im
Spiegel sah, packte sie das nackte Entsetzen. Sie fühlte sich
außerstande, die Treppen hinunter zu gehen, in ihr Auto zu steigen
und in die Stadt zu fahren, um ihrer Schwägerin die letzte Ehre zu
erweisen. Sich selber fremd starrte sie ihr Spiegelbild an, grau im
Gesicht und müde. Katharina erschien es unmöglich, einen Fuß vor
den anderen zu setzen und sie hätte sich am liebsten wieder in ihr
Bett verkrochen, um nichts mehr hören und sehen zu müssen von
dieser elenden Welt! Aber Robert rief schon nach ihr, sie mussten
los, wenn sie rechtzeitig auf dem Friedhof sein wollten. Robert trug
seinen schwarzen Anzug, denselben, den er bereits bei ihrer
Hochzeit getragen hatte und in dem sie diesen Mann so umwerfend
toll gefunden hatte. Der Anzug war für einen schönen Anlass
gemacht, verdammt noch mal! Warum bloß mussten sie das alles
durchmachen? Warum war das Leben so ungerecht? Katharina
konnte sich diese Frage tausendmal stellen, sie würde keine Antwort
darauf bekommen. Ihr Leben war nun einmal wie es war. Sie hatten
kein anderes und deshalb mussten sie jetzt alle in dieses Auto
steigen, zum Friedhof fahren und die arme Andrea zu Grabe tragen.
***
Auf der Fahrt zum Friedhof sprach keiner ein Wort. Katharina saß
hinten neben ihrer Schwiegermama und kämpfte mit der
Reisekrankheit. Vielleicht war ihr aber auch einfach schlecht, weil
heute der schlimmste Tag in ihrem Leben war. Mutters Hand, die sie
in der ihren hielt, war eiskalt und sie zitterte erbärmlich. Ihr Gesicht
war wie versteinert und sie wirkte abwesend. Würde sie genug Kraft
aufbringen können, um ihr Kind zu beerdigen? Katharina hatte Angst.
Sie trafen rechtzeitig vor der Trauergesellschaft im Krematorium ein
und hatten nun – vor allen anderen – Gelegenheit, Abschied von der
Verstorbenen zu nehmen. Ein Friedhofsangestellter führte Familie
Stolze einen Gang entlang bis zu einer Tür. Hinter dieser Tür befand
sich die Zelle, in der Andrea aufgebahrt lag. Als die Tür geöffnet
wurde, wäre Katharina beinahe umgekippt. Die Zelle war recht eng.
Alle Wände waren weiß getüncht. In der Mitte des kleinen Raumes
lag Andrea, gebettet in weiße Spitze und matt glänzenden Taft. Bis
auf einige Blumengebinde und zwei Leuchter in den hinteren Ecken
war der Raum leer. Beim Anblick ihrer Tochter brach Frau Stolze
völlig zusammen. Sie beugte sich tief über ihr totes Kind und weinte
hemmungslos. Verzweifelt streichelte sie Andrea als ob sie nur
schliefe. Wenn man nur genug an ihr rüttelte, würde sie gewiss
wieder wach! Der Vater stand ratlos daneben. Er war zu keiner
Regung mehr fähig. Ein Teil von ihnen beiden war mit Andrea
gestorben. Ein wichtiger Teil. Er hatte sie beide verbunden.
Katharina bekam beim Anblick ihrer Schwägerin weiche Knie. Sie
erkannte sie kaum noch. Der Mensch, der leblos vor ihr lag, hatte
keine Ähnlichkeit mehr mit der lebenslustigen Andrea, wie man sie
gekannt hatte. Nichts war geblieben von ihren ebenmäßigen
Gesichtszügen. Vor Katharina lag eine völlig Fremde, gezeichnet von
der Krankheit und total verändert durch den Tod. Es fiel Katharina
schwer, Roberts Schwester anzusehen, geschweige denn sie zu
berühren um angemessen Abschied zu nehmen. Aber es wurde von
ihr erwartet, Andrea diese letzte Ehre zu erweisen, indem sie sie
noch einmal anfasste. Ein dichter Schleier von Tränen trübte ihren
Blick, während Katharina flüchtig die starre, kalte Hand der Frau
berührte, die ihr seit der ersten Begegnung im Januar 1976 zur
Freundin geworden war. Robert wich nicht von der Seite seiner Frau.
Er war sehr still und sehr blass – und bewundernswert gefasst.
Immer wieder gelang es ihm, für sie da zu sein, wenn Katharina
seine Hilfe brauchte. Dabei sollte eigentlich sie es sein, die ihrem
Mann Beistand leistete. Immerhin war es seine Schwester, von der
hier Abschied genommen wurde. Katharina hielt Roberts Hand ganz
fest. Ohne ihn würde sie zugrunde gehen, ganz klar. Sie würde ihn
niemals hergeben!
„Leb´ wohl, liebe Andrea, ich werde dich niemals vergessen“,
murmelte Katharina bevor sie gemeinsam mit Robert die enge Zelle
verließ um den hereinströmenden Trauergästen Platz zu machen.
Die Stolze – Eltern und der bedauernswerte Jürgen blieben dort
zurück um alle Beileidsbekundungen entgegen zu nehmen.
Katharina hingegen war froh, den Raum wieder verlassen zu können.
Sie ertrug den schrecklichen Anblick nicht länger, der ihr so
schmerzhaft  klar machte, dass dies der endgültige Schluss einer
Geschichte ohne Happy end war.
Auch im Gang drängten sich mittlerweile die Menschen. Verwandte,
Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, Nachbarn und viele andere
Menschen, denen Andrea irgendwann in ihrem kurzen Leben einmal
begegnet war,  waren gekommen um sich von ihr zu verabschieden.
Alle hatten sie die junge Frau geliebt, geachtet, gemocht und alle
waren gleichermaßen schockiert über deren schreckliches Ende.
War das Leid auch unerträglich, so war es doch gut, zu wissen, dass
es viele Menschen gab, die mit der Familie fühlten, die gerne bereit
waren, zu helfen, wo Hilfe benötigt wurde. Wenn es auch schrecklich
weh tat, so waren sie doch wenigstens nicht mit ihrem Schmerz
allein. Das war das kleine Licht am Ende dieses scheinbar endlosen
Tunnels.
***
Das Leben muss weitergehen – ein Satz, der sich furchtbar leicht
dahin sagt, wenn man einem Verzweifelten Hoffnung machen will. In
den ersten Tagen nach der Beerdigung schien es, als seien alle
Uhren für immer stehen geblieben. Die Trauer beherrschte jeden Tag
und jede Nacht. Jeder Ort war irgendwie mit einer Erinnerung an
Andrea verbunden, jeder Gegenstand, jedes Foto machte um so
schmerzlicher bewusst, dass ein Teil dieser Familie für immer und
alle Zeiten verloren war. Freilich – in den Herzen und in den
Gedanken aller würde Andrea für immer weiter leben. Aber trotzdem
hatten zwei kleine Kinder jetzt keine Mutter mehr. Eltern hatten ihr
Kind, ein Bruder seine Schwester verloren. Sogar der Großvater
hatte sein Enkelkind überlebt und das ist ganz gewiss nicht der
ordentliche Lauf der Welt. Das Leben geht nicht so einfach weiter.
Man muss es sich erst erkämpfen, dass es irgendwie weiter geht.
Jürgen hatte freilich keine Zeit, sich seiner Verzweiflung und seiner
Trauer hinzugeben, er musste sich um seine Kinder kümmern. Zwar
unterstützten ihn sehr viele Menschen nach Kräften, aber die
Verantwortung lastete auf ihm allein.
Mutter Stolze hatte mit ihrer Tochter auch ihren Lebenswillen
begraben. Sie sah kaum noch Sinn in allem, was da noch kommen
sollte und machte ihre ganze Zukunft an den beiden verwaisten
Enkelkindern fest, bei deren Erziehung sie ihren Schwiegersohn
unterstützen wollte, wo sie nur konnte.
Vater Stolze hielt sich leider nun erst recht an den Alkohol, der ihm
für kurze Zeit den Trost brachte, den er so dringend brauchte.
Robert wirkte noch immer stark und gefasst, aber auch er lag nachts
wach, während ihm aus Trauer um seine geliebte, große Schwester
die Tränen über das Gesicht liefen.
Alle jedoch hatten eines gemeinsam. An jedem Morgen standen sie
aus ihren Betten auf um sich für ein paar Stunden in ihre Arbeit zu
flüchten. Um tagsüber unter Menschen zu sein, über andere Themen
zu reden, sich abzulenken, damit einmal die Gedanken nicht um
dieses grausame Ereignis kreisten, das sie alle gleichermaßen
unerbittlich getroffen hatte.
Alle, bis auf Katharina. Wenn sie sich in ihrem einsamen, kleinen
Zimmerchen an die Nähmaschine setzte, um ihrer Arbeit
nachzugehen, hatte sie alle Zeit der Welt, sich den düstersten
Gedanken hinzugeben. Sie hatte keine Kraft, sich gegen den Sog zu
wehren, der sie immer tiefer in den Teufelskreis aus Trauer und
Angst hinein zog. Oft saß sie weinend vor ihren Blusen und konnte
hinter einem nicht enden wollenden Strom aus Tränen die Nähte
nicht mehr erkennen. An besonders schlimmen Tagen, an denen sie
sich dann auch körperlich schlecht fühlte, war sie beinahe fest davon
überzeugt, die Nächste zu sein, die das Zeitliche segnen würde.
Noch immer bemühte sie sich sehr, diesen Zustand vor den anderen
Familienmitgliedern zu verbergen. Schließlich hatte in diesen Zeiten
jeder genug mit sich selbst zu tun. Aber sie spürte, dass etwas
geschehen musste. Sonst würde sie früher oder später ein Fall für
den Psychiater werden. Deshalb sprach sie irgendwann doch mit
Robert über ihr Problem. Wie sich herausstellte, hätte sie das schon
längst tun sollen. Robert verstand zwar nicht ganz, warum Katharina
diese „Todesangst“ so sehr auf sich selbst projizierte, aber er
reagierte sehr mitfühlend. Das machte Katharina Mut. Sie wollte
endlich diese absurden und – was ihren eigenen
Gesundheitszustand betraf – völlig aus der Luft gegriffenen Ängste
besiegen. Und sie wollte sich ein Beispiel an ihrer Schwägerin
nehmen. Andrea hatte ihre Krankheit mit einem bewundernswerten
Mut und mit einer nicht zu brechenden Zuversicht gemeistert. Sie
hatte nicht geklagt und sich nicht gehen lassen. Immer, wenn
Katharina im Strudel ihrer Ängste zu versinken drohte, wollte sie sich
an diesem Gedanken wieder aufrichten.  Sie wollte und sie musste
darum kämpfen, sich aus den Klauen der Angst zu befreien.
Leseprobe 2

Für einige Monate segelte das Schiff der Familie Stolze in ruhigen
Gewässern. Kaum ein Wölkchen trübte den blauen Himmel über
ihnen. Und doch bahnten sich – noch unsichtbar hinter dem Horizont
– Ereignisse an, die nicht nur die Stolzes, sondern das ganze Land,
ja ganz Europa beschäftigen sollten.
Am 7.Oktober des Jahres 1989 stand der „Vierzigste Jahrestag des
ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden“ ins Haus.
In den Zeitungen war schon seit Monaten allenthalben ausführlich
darüber zu lesen. Rundfunk und Fernsehen priesen die
Errungenschaften zum Wohle der Werktätigen in allen Facetten.
Schon vierzig Jahre lang hatte dieses kleine Land dem Imperialismus
an der Westgrenze die Stirn geboten. Man propagierte Feierlaune.
Die Stimmung im Land wollte freilich gar nicht zu den offiziellen
Verlautbarungen passen. Überall waren Unzufriedenheit und
Ungeduld zu spüren. Missmut griff um sich – in Betrieben, auf der
Straße, einfach überall. Er machte sich breit, schleichend – wie ein
schwelendes Feuer – aber unaufhaltsam. So rosig, wie sie von den
Medien propagiert wurde, war die Lage im Land längst nicht mehr.
Es fehlte an allen Ecken und Enden an vielem. Die Versorgung mit
den alltäglichsten Dingen wurde immer schwieriger statt besser, die
Leute waren es leid, zwölf Jahre und länger auf ihr Auto zu warten
und wegen allem und jedem Schlange zu stehen. Viele sahen auch
nicht mehr ein, warum man sie nicht reisen ließ, wohin sie wollten.
Bevormundung und Bespitzelung brachte die Leute auf die
Barrikaden.
Man hörte von Gottesdiensten in der Nikolaikirche in Leipzig, von
sich wiederholenden Demonstrationen in mehreren großen Städten,
denen sich von Woche zu Woche immer mehr Menschen
anschlossen und von Urlaubern, die sich in Prag in die
bundesdeutsche Botschaft geflüchtet hatten um der Enge der scharf
bewachten Grenzen des Geburtstagskindes DDR zu entfliehen. Die
Situation war grotesk. Während die Obrigkeit noch damit beschäftigt
schien, sich und die Errungenschaften des Sozialismus zu feiern,
braute sich an der Basis etwas zusammen, ein explosiver Cocktail,
der jederzeit in eine Katastrophe führen konnte. Diese Situation
bereitete Katharina Unbehagen. Es bahnte sich etwas an. Das
konnte man ganz deutlich spüren. Entgegen ihrer sonstigen
Gewohnheiten begann Katharina gespannt die Nachrichten im
Fernsehen zu verfolgen, und zwar auf allen Kanälen. Abends
verpasste sie kaum noch eine Sendung. Sie tat das in der Hoffnung,
irgendwie beruhigt zu werden, zu hören, dass sich die Lage wieder
normalisierte. Aber je weiter die Zeit voran schritt, desto
beunruhigender wurden auch die Meldungen. Während das
„Westfernsehen“ alles zusätzlich zu dramatisieren schien, wiegelte
man in der „Aktuellen Kamera“ ab. Es war mehr als ungewiss, was
auf sie alle in nächster Zeit zukommen würde. Das bange Warten
fühlte sich nicht gut an. Michail Gorbatschow sollte mit seinem
denkwürdigen Ausspruch „Wer zu spät kommt, den bestraft das
Leben“ schon bald von sich reden machen.
Trotz der vielen Unwägbarkeiten im Leben der Bürger dieses Landes
ging der Alltag irgendwie weiter. Robert musste für einige Tage zu
einem Schiedsrichterlehrgang fahren. Solche Weiterbildungen
wurden mit schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr durchgeführt um die
„Herren in Schwarz“ in Theorie und Praxis auf den neuesten Stand
zu bringen. Robert schnürte sein Ränzlein und ließ Katharina in
nervöser Erwartung zurück.
***
Es war Abend geworden. Während ihr Mann gemütlich mit seinen
Schiedsrichterkollegen zusammen saß, stand Katharina am
Bügelbrett. In einer vierköpfigen Familie kommt jede Woche eine
Menge Wäsche zusammen. Um sich abzulenken war Katharina
sogar die lästigste Arbeit recht. Tagsüber gab es immer nur ein
Gesprächsthema, egal wo man sich gerade aufhielt. Ob auf Arbeit
oder beim Einkaufen, in der Schlange an der Kasse, im Wartezimmer
beim Arzt oder auf dem Bahnsteig, während man auf die Ankunft
eines Zuges wartete. Sobald mehr als zwei Leute irgendwo
zusammen kamen, führten sie Diskussionen darüber, ob vielleicht in
den Städten bald Panzer für Ruhe sorgen würden. Die meisten
Menschen begrüßten es, dass die Ordnung, in der Katharina seit
ihrer Geburt lebte, in der sie aufgewachsen war und in deren Sinne
sie in der Schule erzogen worden war, von Grund auf in Frage
gestellt wurde. Katharina verunsicherte das.
Auch bei der täglichen Stippvisite bei ihrer Schwiegermutter war eine
Lagebesprechung unvermeidlich. Und jetzt lief schon wieder der
Fernseher, während Katharina bügelte und sie konnte beobachten,
wie sich die Staatsmacht wappnete um die demonstrierenden
Menschenmassen in die Schranken zu weisen. Sie sah, wie
Wasserwerfer in Stellung gebracht wurden und Polizisten mit Schild
und Knüppel Absperrketten bildeten. Bei der Vorstellung, was
passieren könnte, wenn wütende Demonstranten auf Gesetzeshüter
trafen, die zum Schutze des Staates taten, was ihre Pflicht war,
drehte sich Katharina der Magen um. Sie konnte sich nicht daran
erinnern, jemals eine derartig explosive politische Situation bewusst
miterlebt zu haben.
Robert war Reservist. Katharina wagte gar nicht, sich vorzustellen,
was das unter Umständen bedeuten konnte. Was, wenn man die
Armee zu Hilfe nahm, um den drohenden Aufstand im Land zu
verhindern? Anfang der achtziger Jahre war Robert schon einmal
von heute auf morgen einberufen worden und vierzehn Tage lang
wie vom Erdboden verschwunden gewesen. Damals hatte es sich
freilich nur um eine Mobilmachung, eine „harmlose“ Wehrübung
gehandelt. Aber Katharina war fast daran verzweifelt, zwei Wochen
lang kein Lebenszeichen von ihrem Liebsten erhalten zu haben. Als
er plötzlich müde und schmutzig wieder aufgetaucht war, hatte sie
ein Stoßgebet gen Himmel geschickt, dass der Ernstfall niemals
eintreten möge. Und wenn er jetzt da wäre, dieser Ernstfall?
Vielleicht hatten sie Robert direkt von seiner Schiedsrichterweiterbildung

weggeholt und er hatte sich nicht mehr mit ihr in
Verbindung setzen können? Katharinas Herzschlag beschleunigte
sich im Nu auf Hundertachtzig. Die Angst bemächtigte sich ihrer,
ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Leise schlich sie in das
Zimmer ihrer beiden Mädchen, die schon friedlich schliefen und
keine Ahnung davon hatten, welche Gratwanderung zwischen
Bürgerkrieg und Frieden ihre Heimat gerade durchlebte. Während
Katharina ihre Töchter vorsichtig zudeckte, hier ein Füßchen unter
die warme Decke steckte und dort den vorwitzig herauslugenden
Popo wieder einkuschelte, gruben sich tiefe Sorgenfalten in ihre
Stirn. Wie konnte sie die beiden beschützen, was konnte sie tun, falls
es wirklich zum Schlimmsten kam? Wenn nur wenigstens Robert
schon wieder da wäre! Ohne ihn fühlte sie sich so hilflos und allein.
***
Robert kam pünktlich zurück. Man hatte zum Schutz von Ordnung
und Sicherheit noch nicht auf ihn zurückgegriffen. Katharina fiel ein
Stein vom Herzen, aber das unterschwellig ungute Gefühl blieb auch
weiterhin. Die Demos rückten näher, in den unmittelbaren Umkreis,
auch in der Kreisstadt P. fanden nun Montagsdemos statt. Eher
zufällig gerieten die Stolzes in einen der Umzüge hinein und es fühlte
sich merkwürdig an. Die langsam vorwärts drängenden
Menschenmassen artikulierten laut und deutlich: „Wir sind das Volk“
und auf riesigen Transparenten trugen sie ihre hinreichend
bekannten Forderungen schwarz auf weiß vor sich her. Überall
wimmelte es von Polizei. Die Emotionen schlugen hoch – auf beiden
Seiten. Die Lage konnte jederzeit eskalieren. Wieder einmal
bestätigte sich, was Katharina immer gewusst hatte: sie war nicht
sehr mutig. Deshalb war sie heilfroh, als sie endlich in ihrem Auto
saßen, auf dem Weg nach Hause. Spätestens jetzt war ihr aber auch
klar, dass diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten war, die Leute
ließen sich nicht so einfach wieder beschwichtigen. Die Besonnenen
waren längst von den Heißspornen überflügelt worden. Der Ausgang
dieses Abenteuers war so ungewiss wie er nur sein konnte.
***
Am Abend des Staatsfeiertages traf man sich in K. zu einem lange
geplanten Tanzabend. Robert und Katharina gingen hin, obwohl die
notwendige Begeisterung dafür aus den bekannten Gründen diesmal
fehlte. Aber Roberts Funktion im Sportverein geschuldet, der für
diese Veranstaltung verantwortlich zeichnete, gehörte es sich, dass
sie sich dort sehen ließen. Katharina machte sich schick und gute
Miene zum bösen Spiel. Wie nicht anders zu erwarten, war auch dort
die politische Situation im Land allgemeines Gesprächsthema.
Zwischen den Tanzrunden setzten sich die heißen Diskussionen fort,
die es ohnehin schon überall gab. Die Situation war absurd. Sie
tanzten, tranken Wein und bemühten sich, unbeschwert und heiter
zu sein, aber das wollte nicht recht gelingen. Während einige, wenige
hofften, es würde sich alles wieder beruhigen, verkündete die
Mehrheit – unter dem wachsenden Einfluss des Alkoholspiegels um
so lauter – es wehe hier bald ein ganz anderer Wind! Katharina fühlte
sich nicht wohl in ihrer Haut. Als umgänglich bekannte Mitbürger
begannen plötzlich andere, ebenso freundliche Mitmenschen zu
bezichtigen, Stasi-Spitzel gewesen zu sein. Man habe es ja immer
gewusst… Katharina war heilfroh, als sich Robert endlich bereit
erklärte, mit ihr nach Hause zu gehen. Eine erholsame Abwechslung
war dieser Abend weiß Gott nicht gewesen.
***
Um immer auf dem Laufenden zu sein, was die neuesten
Entwicklungen betraf, hatte Sabine ein kleines Kofferradio von zu
Hause mit ins Büro gebracht. Sie hörten während der Arbeit die
neuesten Nachrichten. Katharina wollte ihren Ohren nicht trauen, als
der Außenminister der BRD den Flüchtlingen in der ungarischen
Botschaft verkündete, sie dürften in den Westen ausreisen. Die
Situation auf dem Gelände der Botschaft in Prag war unhaltbar
geworden. Hunderte Menschen hatten sich zum Teil mit
halsbrecherischen Aktionen über den spitzenbewehrten Eisenzaun
auf das Territorium der Botschaft gerettet. Im Fernsehen konnte man
sehen, wie sogar Babys über die todbringenden Spieße gehievt
wurden. Die Leute waren besessen von dem Willen, unter allen
Umständen in diese Botschaft hinein zu kommen. Die hygienischen
Verhältnisse waren auf Dauer nicht mehr zumutbar, die Versorgung
schwierig und die Nerven aller zum Zerreißen gespannt. Der Jubel,
der ausbrach, als Herr Genscher verkündete, alle dürften ausreisen,
war unbeschreiblich. Die dort kampierenden Menschen hatten alles,
was sie besaßen, zurückgelassen und sich zu neuen Ufern auf den
Weg gemacht. Katharina hielt das für verrückt. So etwas wäre für sie
niemals in Frage gekommen, dafür hatte sie über die Jahre viel zu
viel Herzblut in ihr Zuhause investiert. War es diesen Menschen
wirklich so schlecht gegangen in dem Land, das ihre Heimat
gewesen war? Katharina konnte keine befriedigende Antwort auf
diese Frage finden. Sie hatte sich zwar auch über viele Dinge
geärgert, aber gelitten hatte sie sicher nicht. Was sollte noch werden,
wenn das Schule machte? Wenn dieses Land, wo sie alle zu Hause
waren, peau á peau ausblutete? Im Gegensatz zu vielen, vielen
Menschen in der DDR empfand Katharina diese Geschehnisse als
ziemlich bedrückend. Was würde noch kommen?
***
Es kam der neunte November, ein schicksalhafter Tag für jeden
Deutschen in Ost und West. In den Nachrichten verkündete man
abends die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze. Es hieß, die
Bürger der DDR dürften nun zum Zweck von Besuchen in die BRD
ausreisen. Robert und Katharina konnten das gar nicht glauben, aber
die Meldung kam auf allen Sendern, egal ob West- oder
Ostfernsehen. Sie brachten  Bilder vom Brandenburger Tor und von
der Berliner Mauer. Menschenmassen stürmten jubelnd die Grenze.
„Wir kommen wieder“ und „wir sind ein Volk“ rufend erklommen sie
die Mauer, spritzten schreiend mit Sekt, umarmten einander, tanzten,
lachten und weinten vor Freude. Die Grenzschutzorgane der DDR
standen teils ratlos, teils verständnislos dabei, ihrer eigentlichen
Aufgabe beraubt und irgendwie überflüssig. Sie versuchten lediglich
noch, die außer Rand und Band geratene Menschenmenge in
geordnete Bahnen zu leiten. Auch viele Westberliner waren auf die
Straße gegangen um diese Sternstunde der Geschichte
mitzuerleben. Ost und West feierte gemeinsam, wild, ausgelassen,
trunken vor Glück. Obwohl diese Bilder stundenlang im Fernsehen
übertragen wurden, schien es fast unmöglich, sie zu begreifen. Es
war tatsächlich kein Schuss gefallen. Die Vernunft hatte über die
Gewalt gesiegt. Auf unnötiges Blutvergießen hatten die zuständigen
Stellen verzichtet. Katharina hatte nicht für möglich gehalten, dass
eine Staatsmacht – gleich welcher Couleur – bereit sein könnte,
kampflos das Feld zu räumen. Zu wissen, wann man verloren hat
und dann aufzugeben, ohne sinnlose Opfer – das ist wohl einmalig in
der Geschichte der Menschheit, deren Weg in jedem Jahrhundert mit
so vielen Todesopfern gepflastert gewesen ist, dass sie nicht zu
zählen sind. In den Geschichtsbüchern würde später von der
friedlichen Revolution zu lesen sein.
Katharina und Robert schliefen kaum in dieser Nacht. Sie waren
beide viel zu fassungslos und aufgeregt. Unglaublich, was an diesem
9.November geschehen war. Katharina war über alle Maßen
glücklich, dass alles friedlich geblieben war. Sie hatte die letzten
Monate mit so viel undefinierbarer Angst und Bedrückung leben
müssen, nun konnte sie wieder freier atmen.
***
In den folgenden Tagen wurden die grenznahen Gebiete der BRD
von den „Brüdern und Schwestern“ aus dem Osten im wahrsten
Sinne des Wortes überrollt. Endlose Karawanen von Gefährten aller
in der DDR verfügbarer Automarken setzte sich Richtung Westen in
Bewegung. Die Menschen machten rege, sehr rege von der neu
gewonnenen Reisefreiheit Gebrauch. Es bleibt sich zu fragen, wie
lange es gedauert hat, bevor sich die anfängliche Freude der
westlichen Nachbarn auf Grund der nicht enden wollenden OssiLawine
in Ärger über die andauernde Belagerung gewandelt hat.
Die Straßen waren ständig verstopft, es gab keine Parkplätze mehr und
die Luft war schlecht, weil Trabi – Abgase nun mal nicht gut riechen.
Die westdeutsche Regierung reagierte schnell auf das rege Interesse
der Ostdeutschen und führte das Begrüßungsgeld ein, das sich jeder
DDR-Bürger ein Mal bei den Städten und Gemeinden gegen Vorlage
des Ausweises abholen konnte – um es gewinnbringend in
westdeutschen Geschäften wieder auszugeben. Diese Regelung
machte sich bezahlt, die Warenhäuser lockten mit einem für
ostdeutsche Verhältnisse schier unfassbaren Warensortiment. Lange
unerfüllte Wünsche – vorausgesetzt sie waren nicht allzu kostspielig
– ließen sich mit dem Begrüßungsgeld plötzlich erfüllen und wenn es
nur der Kaffee mit dem bekannten Namen war oder die Creme, die
viel besser duftete als die von FLORENA. Die Menschen stürmten
begeistert die Läden und kauften ahnungslos und naiv wie sie nun
mal waren, vermutlich auch noch die letzten Ladenhüter.
Auch Robert und Katharina trieb die Neugier in Richtung Westen. Sie
luden die beiden Mädchen in ihr Wägelchen und taten es den vielen
Anderen gleich. Zügig kamen sie nicht voran. Kaum waren sie aus K.
heraus und auf die Hauptstraße gekommen, mussten sie sich in die
lange Reihe der „Gleichgesinnten“ einordnen. Im Schritttempo ging
es voran auf einer Straße, die Katharina noch niemals so weit in
diese Richtung hatte fahren dürfen. Es hatte keinen triftigen Grund
für sie gegeben, weshalb sie ins Grenzgebiet hätte einreisen
müssen. Deshalb hatte sie auch nie einen Antrag gestellt. Nun
brauchte man keinen Grenzschein mehr. Langsam, ganz langsam
schob sich die Schlange in Richtung Grenzübergang. Je näher sie
kamen, desto öfter kam die Karawane zum stehen. Die Straße war
nur behelfsmäßig hergerichtet, denn sie hatte vier Jahrzehnte lang
nicht mehr die Aufgabe gehabt, Orte auf beiden Seiten der Grenze
zu verbinden, sondern hatte irgendwann einfach aufgehört. Sie
schlichen vorbei an geöffneten Schlagbäumen vor dem
Grenzbereich, sahen Stacheldraht, Warnschilder an den Waldwegen
und die Wachtürme, auf denen sich die Grenzsoldaten gemütlich
gegen die Brüstung lehnten, um der nicht enden wollenden
Fahrzeugschlange zuzusehen. Als die Stolzes endlich an der Reihe
waren, ihre Papiere vorzuzeigen, war die Zeit schon sehr weit
fortgeschritten. Es war kalt in ihrem kleinen Auto, die Kindern
langweilten sich furchtbar. Sie verstanden sowieso nicht, warum sie
sich so übereilt auf den Weg machen mussten.  Als Katharina und
Robert die ersten Wohnhäuser auf westdeutschem Boden erreicht
hatten, war es bereits dunkel. Und noch immer waren sie Kilometer
von der am nächsten gelegenen Stadt entfernt. Es hatte keinen
Zweck, noch weiter zu fahren, aber sie hatten auch keine Chance zu
wenden. Der Straßenverlauf war in der Dunkelheit nur durch
Tausende Autoscheinwerfer auszumachen, die wie eine
überdimensionale Lichterkette aussahen. Sie hatte keinen Anfang
und kein Ende. Als Robert und Katharina an der Einmündung eines
Feldweges ankamen, nutzten sie die Gelegenheit und Robert
wendete den Wagen. Sinnlos, hier bei Dunkelheit und Kälte
auszuharren. Es ging immer schleppender und stets nur wenige
Meter voran. Trotzdem schien niemand Lust zu haben, aufzugeben.
Es hatte den Anschein, als wollten unbedingt alle noch an diesem
Abend  das „gelobte Land“ erreichen. Katharina und Robert kam ihre
Aktion mittlerweile ziemlich absurd und unvernünftig vor. Wie hatten
sie das den Kindern nur zumuten können?
Die Heimreise ging zum Glück schneller vonstatten, in diese
Richtung wollte bisher kaum einer. Sie brachten ihre frierenden,
übermüdeten Kinder ins Bett und waren erst einmal kuriert von dem
Wunsch, „auf Teufel komm raus“ die westlichen Nachbarn zu
besuchen.
***
Mit der Öffnung der Westgrenze waren die Probleme im Land
natürlich längst nicht gelöst. Eigentlich fingen sie damit erst richtig
an. Die Leute fuhren also jetzt hinüber, drückten sich an den
Schaufensterscheiben der prall gefüllten Läden die Nasen platt,
sahen den offensichtlichen Wohlstand ihrer westlichen Nachbarn und
stellten fest: „Das wollen wir auch!“ Es herrschte Aufbruchstimmung,
Wahlen standen bevor, deren Ausgang diesmal völlig ungewiss war.
Manche hatten noch Hoffnung, dass die DDR unter neuer Führung
ihren eigenen Weg finden würde, aber es gab auch genügend
Fürsprecher, die sich der BRD am liebsten sofort bedingungslos
angeschlossen hätten. Viele Menschen begnügten sich nicht damit,
sich im Westen anzusehen, was möglich wäre. Sie hatten die
„Schnauze voll“ vom Mangel, sie wollten endgültig rüber. Dank der
neuen, politischen Situation ging auch das und es wurde sogar
organisiert.
Die Sammeltransporte der Prager Botschaftsflüchtlinge auf Schienen
bildeten einen neuerlichen Tiefpunkt beim Niedergang des ersten
sozialistischen Staates auf deutschem Boden. Der Hausmeister der
Ziegelei, der auch Erledigungen im Dorf zu machen hatte, die Post
holte und Botendienste ausführte, berichtete genauestens über die
voll besetzten Sonderzüge, die durch den Ort in Richtung Westen
rollten. Sie wurden beiderseits der Gleise von Polizeiketten sorgfältig
bewacht und abgesperrt, um Komplikationen zu vermeiden und
Personen daran zu hindern, aufzuspringen. Die Menschen in diesen
Zügen blickten mit Verachtung zurück, geblendet von der grandiosen
Zukunft, die sie im Westen vor sich zu haben glaubten. Nicht alle
sind glücklich geworden mit dieser Entscheidung, aber das sollte sich
erst später erweisen. Viele der „Flüchtlinge“ warfen ihr letztes
Ostgeld aus den Zugfenstern und manch einer der
Daheimgebliebenen beneidete sie um ihre Entschlussfreudigkeit.
Katharina fand auch diese Ereignisse, die sich an mehreren Tagen
wiederholten, beklemmend und traurig. Es kam ihr bisweilen vor, als
würde diesseits der Grenze am Ende gar keiner mehr übrig bleiben,
alle schienen  von dieser unheimlichen Euphorie befallen zu sein, die
seit der Öffnung der Prager Botschaft ausgebrochen war. Sie warfen
ihr bisheriges Leben leichten Herzens über Bord und stürzten sich in
das Abenteuer einer neuen Existenz in einer Gesellschaft, deren
Spielregeln sie nicht beherrschten. „Go west“ schien das allein
Glücklichmachende zu sein. Hatte man im Westen wirklich mit einer
solchen Flut, einem solchen Zulauf gerechnet oder kam nun doch
alles viel drastischer als gedacht? Katharina war fest entschlossen,
ihrer Heimat die Treue zu halten, selbst wenn sie die Letzten wären,
die – wie man so sagt – das Licht ausmachen müssen. Aber traurig
war sie schon. Beklommen fragte sie sich, wann dieser
Menschenstrom wohl endlich versiegen würde, wann dieses
Ausbluten ein Ende finden und was wohl danach noch kommen
würde.
***

Leseprobe 3
Einige Wochen nachdem auch Celines Schulbesuch schon Alltag
geworden war, klingelte es abends an der Haustür. Die Stolzes
hatten gerade Abendbrot gegessen, die Schultaschen für den
nächsten Tag waren gepackt, Celines Schreibübungen kontrolliert
und die Mädchen beim Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Sie
neckten sich gegenseitig, was man an lautem Prusten und Kichern
aus Richtung Bad deutlich hören konnte. Katharina brachte –
wiederholt die Kinder zur Ordnung rufend – die Küche in Ordnung.
Robert fläzte mit einem Glas Bier in der Hand ausgestreckt in seinem
Sessel und sah sich im Fernsehen die Nachrichten an.
Katharina trocknete ihre Hände an einem Wischtuch, während sie
nach draußen ging um nachzusehen, wer da gerade geklingelt hatte.
Sie schaltete die Außenbeleuchtung ein und öffnete die Haustür,
worauf es ihr gelinde gesagt die Sprache verschlug. Es war
unglaublich, aber wahr – draußen stand mit seinem gewohnt
siegessicheren Lächeln im Gesicht Paul, Katharinas Traumprinz aus
der Schulzeit. Er schien aus dem Nichts gekommen zu sein und
strahlte Katharina aus schelmischen Augen herausfordernd an. „Ich
war grade in der Gegend, da dachte ich, schau doch mal bei deiner
Kathi vorbei!“, sagte er mit der größten Selbstverständlichkeit,
während Katharina fast aus den Latschen gekippt wäre. Sie hatte
noch immer kein Wort gesagt, als Paul seine Arme ausbreitete, sie
darin einschloss als sei es das Normalste von der Welt und sie lange
und innig auf die Wange küsste. Er ließ seine Lippen viel länger dort
ruhen, als das bei einem Begrüßungsküsschen üblich und schicklich
wäre. Katharinas Knie schienen plötzlich aus Gummi zu bestehen!
Die Mädchen waren ihr aus dem Bad gefolgt und steckten schon
neugierig ihre Nasen zur Küchentür heraus um zu sehen, mit wem
ihre Mutter da draußen redete. Sie kicherten leise und flüsterten
miteinander.
Katharina musste erstaunt und ärgerlich zugleich feststellen, dass
Paul offensichtlich noch die gleiche Wirkung auf sie auszuüben in der
Lage war, wie früher. Sie fühlte – ganz gegen ihren Willen – ihr Herz
schneller schlagen, die Verlegenheitsröte schoss ihr ins Gesicht,
worauf ihre Wangen glühten und statt dessen die Hände von einer
Minute auf die andere ganz kalt wurden, weil ihr heißes Blut nicht
überall gleichzeitig Schaden anrichten konnte. Es wäre Katharina
wahrlich lieber gewesen, es hätte sich umgekehrt verhalten,
schamrote Hände würde man nicht so schnell bemerken! Pauls
einnehmendes Grinsen machte sie sichtlich nervös. Dabei war sie
doch kein dummes, junges Mädchen mehr, sondern eine gestandene
Hausfrau und Mutter! Das war wirklich zu blöd! Fast gegen ihren
Willen bat sie Paul schließlich herein und führte ihn ins Wohnzimmer
zu Robert. Der hatte zum Glück eine zivilisiertere Sitzhaltung
eingenommen, als er sie hatte kommen hören. Die Kinder waren
längst von der Tür geflüchtet und hatten sich schon zu zweit auf die
Couch gekuschelt. Ins Bett wollten die beiden jetzt auf keinen Fall,
wo sie das Interessanteste verpassen würden.
Robert war sichtlich erstaunt über den außergewöhnlichen Besuch,
aber souverän wie immer und wusste mit der Situation umzugehen.
Er bot Paul etwas zu trinken an und tat, als sei das ein Besuch wie
jeder andere. Dass Paul Katharinas „Jugendliebe“ gewesen war,
wusste er. Aber Eifersucht war nicht sein Ding, deshalb übersah er
auch geflissentlich die unverschämten Blicke, die Paul seiner Frau
immer wieder zuwarf. Auch von Katharinas ausgeprägter
Schamesröte nahm er keine Notiz. Die Mädchen verfolgten das
einmalige Schauspiel interessiert, besonders Cora beobachtete ihre
Mutter ganz genau. Dass ein fremder Mann ihre Mama umarmte,
hatte ihr gar nicht gefallen.
Katharina wusste nicht, was sie sagen sollte. Es war ihr peinlich,
Paul in ihren ollen Hausklamotten zu empfangen. Wenn sie von der
Arbeit nach Hause kam, zog sie sich immer etwas Bequemeres an.
Zum Anbeißen sah sie nicht gerade aus. Wer hatte auch ahnen
können, dass plötzlich so seltener Besuch vor der Tür stehen würde!
Während sich die beiden Männer angeregt über Pauls Beruf
unterhielten – er war Brummifahrer und kam in ganz Europa herum –
fragte sich Katharina, was ihn nach so langer Zeit dazu bewogen
haben mochte, ihr einen Besuch abzustatten. Der Wunsch, sie
wiederzusehen, konnte es doch eigentlich nicht gewesen sein. Nach
ihrem letzten – zugegeben ziemlich gefährlichen Beisammensein –
waren über vierzehn Jahre vergangen. Außerdem hatte sie bei
einem der letzten Klassentreffen gehört, dass Paul mittlerweile
geheiratet hatte – eine Frau die etwas älter war als er und die ein
Kind aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe gebracht hatte.
Was also wollte Paul? Mit seinen Augen ging er recht forsch zu
Werke, weshalb ihr in der Gegenwart ihres Ehemannes ziemlich
unwohl zumute war.
Nach etwa einer halben Stunde sah Paul plötzlich auf seine Uhr und
stellte fest, er müsse weiter. Er trank sein Glas aus und
verabschiedete sich freundlich von den Kindern und von Robert. Zum
Abschied lud er Katharina, Robert und die Mädchen zum
Sonntagskaffee zu sich nach Hause ein. Katharina zögerte aus
verständlichen Gründen mit der Antwort. Robert sagte vorbehaltlos
zu.
Tag und Stunde wurden vereinbart, dann brachte Katharina den
Schwarm ihrer Jugendzeit zur Tür – diesmal unbeobachtet von den
Kindern, die endgültig ins Bett mussten. Paul küsste sie dort lange
und innig auf die andere Wange. Er sah Katharina noch einmal tief in
die Augen und flüsterte ihr ins Ohr, dass er sich furchtbar auf das
bevorstehende Treffen freuen würde. Dann wandte er sich zum
Gehen. Kurz vor der Hoftür drehte er sich noch einmal um und sagte:
„Übrigens, Du siehst sehr gut aus!“  – Das war gelogen. – „Manche
Fehler bereut man ewig, glaub` mir!“ – Was wollte er damit schon
wieder sagen? – Dann verschwand er ebenso schnell, wie er
gekommen war. Katharina blieb noch eine Weile an der Haustür
stehen und atmete die frische Abendluft. Sie war ziemlich
durcheinander. Unglaublich, dass sie sich durch Pauls bloßes
Erscheinen noch immer so aus dem Konzept bringen ließ! Das durfte
sie nicht zulassen. Sie zweifelte jedenfalls daran, dass der
Gegenbesuch eine gute Idee gewesen war. Katharina atmete noch
einmal tief durch und ging dann entschlossen zurück ins
Wohnzimmer zu ihrem Mann. Der hatte inzwischen ein interessantes
Fernsehprogramm gefunden und war zur Tagesordnung
übergegangen. Der absonderliche Besuch machte ihm anscheinend
keinerlei Kopfzerbrechen. Wenn es Robert nichts ausmachte, sollte
sie die Angelegenheit vielleicht auch nicht zum Problem erheben,
dachte Katharina und ging noch einmal ins Kinderzimmer um ihren
Töchtern gute Nacht zu sagen.
***
Am vereinbarten Sonntag machten sich die Stolzes auf den Weg zu
ihrer Einladung. Dieses Mal war Katharina sorgfältig zurecht
gemacht. Was möglich war, hatte sie aus sich herausgeholt, ohne
freilich wirklich zufrieden zu sein. Aber das war ja nichts Neues.
Warum hatte sie sich eigentlich so viel Mühe mit ihrem Äußeren
gegeben? Katharina legte es gar nicht darauf an, Paul zu
beeindrucken. Wie käme sie dazu! Trotzdem war sie aufgeregt,
nervös und unruhig.
Paul wohnte mit seiner Familie noch immer in seiner Geburtsstadt,
in einem alten – unter Denkmalschutz stehenden – Haus im Schatten
der märchenhaften Burg. Das Haus hatte eine sehr schöne, sorgsam
restaurierte Vorderfassade. Im Erdgeschoss des Gebäudes befand
sich eine Apotheke. Der Weg zu den Wohnungen in den
Obergeschossen führte allerdings durch das Hinterhaus, das weit
weniger einladend wirkte, weil es sich noch im Urzustand befand.
Man musste durch dunkle, muffige Gänge zu einer ausgetretenen
Steintreppe, die sich steil nach oben wand. Den Mädchen war in dem
nur schwach beleuchteten Treppenhaus nicht geheuer. Celine fragte
ihre Mama leise, ob sie nicht wieder gehen könnten und Katharina
fand diesen Gedanken gar nicht so abwegig. Aber zum Rückzug war
es schon zu spät. Eine mittelgroße Frau mit braunem, gelocktem
Haar erschien auf dem Treppenabsatz um den Gästen Einlass zu
gewähren. Sie begrüßte die Ankömmlinge höflich, aber ein wenig
befangen, wie es schien. Paul wäre noch unterwegs, sagte sie,
würde aber sicher gleich kommen. Na, das fing ja gut an. Der
Gastgeber war gar nicht persönlich anwesend. Die Stolzes wurden
zunächst im Wohnzimmer auf der Couchgarnitur platziert. Man
tauschte Höflichkeitsfloskeln aus und bemühte sich angestrengt, eine
einigermaßen flüssige Unterhaltung in Gang zu bringen. Ziemlich
mühsam, die ganze Angelegenheit. Aber wenigstens legte sich
Katharinas Herzklopfen langsam. Hier, in Gegenwart von Pauls
besserer Hälfte, war sie nicht mehr in Gefahr. Wenn er denn endlich
nach Hause zu kommen geruhte, würde er sie gewiss nicht mit
unverschämten Blicken in Verlegenheit bringen. Pauls Frau –
Cordula – war nicht ausgesprochen hübsch zu nennen, aber auch
nicht gerade hässlich, Durchschnitt eben. Aber einen
entscheidenden Vorzug hatte sie Katharina gegenüber: sie war
gertenschlank. Katharina registrierte das sofort. Weitere Vergleiche
verbot sie sich, denn es war ja nicht ihre Absicht, Paul zu
imponieren. Sie machte sich ohnehin schon viel zu viele Gedanken
um die ganze Angelegenheit.
Während Pauls Frau in der Küche den Kaffee brühte, sah sich
Katharina unauffällig im Wohnzimmer um. Robert versuchte
inzwischen, ein Gespräch mit Pauls Stieftochter zu beginnen. Sie
war schon älter als Cora, ein hübsches Mädchen mit dunklen
Mandelaugen. Aber seine Versuche waren nicht von großem Erfolg
gekrönt. Er bekam recht einsilbige Antworten, die kein ergiebiges
Gespräch nach sich zogen. Pauls gute Stube verdiente diese
Bezeichnung durchaus, denn sie war für Katharinas Geschmack
ziemlich hausbacken eingerichtet. Ihrem Jugendschwarm hätte sie
einen frischeren Stil zugetraut. Aber vielleicht war der Raum ja auch
nach dem Gusto der Hausherrin gestaltet worden.
Endlich kam Paul. Er habe noch ein Problem mit seinem LKW klären
müssen, berichtete er, nachdem er sich für seine Verspätung
entschuldigt hatte. In Gegenwart seiner Frau bedachte er Katharina
tatsächlich mit weit weniger verfänglichen Blicken als vor einigen
Tagen in K. Auch verzichtete er auf ähnlich zweideutige
Bemerkungen. Die Unterhaltung blieb belanglos und anstrengend,
bis Cordula aus der Küche rief, der Kaffee sei fertig. Alle platzierten
sich um den massiven Küchentisch und auch dieser Raum konnte
Katharinas prüfenden Blicken nicht wirklich standhalten.
Während sie Cordulas frisch gebackene –leicht salzig schmeckende
– Erdbeertorte kosteten, entging den Stolzes keineswegs, dass die
bisher nicht unbedingt tief schürfende Plauderei von ihren
Gastgebern immer wieder auf ein bestimmtes Thema gelenkt wurde.
Sie begannen von der Notwendigkeit zu sprechen, sich in unsicheren
Zeiten wie diesen ein zweites Standbein zu schaffen, das ein
zusätzliches Einkommen sichert… Drohte das Gespräch wieder von
diesem Thema abzuschweifen, kamen sie umgehend geschickt
wieder darauf zurück. In letzter Zeit waren die Stolzes schon einigen
Leuten begegnet, die mit eben diesen Argumenten als Einleitung
dafür warben, Produkte einer amerikanischen Firma zu vertreiben.
Mit dem zweiten Standbein hatte man sie schon mehrfach überreden
wollen, nebenher ebenfalls für diese Firma zu arbeiten. Die Stolzes
hatten das immer dankend abgelehnt, weil weder Robert noch
Katharina Verkäuferqualitäten besaßen und auch deshalb, weil
bekannt geworden war, dass die besagte Firma nach einem
Schneeballsystem arbeitete. Wirklich gut verdienen konnten nur
diejenigen, die am Beginn der langen Kette der Beteiligten standen.
Sie profitierten automatisch auch immer von den zuletzt geworbenen
Mitarbeitern. Je weiter man von diesem Anfang der Kette entfernt
war, desto weniger konnte man vom großen Kuchen erwarten.
Katharina wurde zusehends misstrauisch. Sollte die Einladung etwa
nur dazu gedient haben, Kandidaten für den Vertrieb von AMWAYProdukten
zu finden? Auch Robert hatte begriffen, dass es hier nicht mehr um einen

Kaffeeplausch unter Freunden ging und es bedurfte
keiner Worte um zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.
Robert und Katharina wollten keine Verkäufer werden, auch wenn sie
dadurch weiterhin mit nur einem Standbein auskommen mussten.
Als sie das Paul klar gemacht hatten, war der Besuch ziemlich
schnell beendet. Sie verabschiedeten sich von Cordula, Paul brachte
die Stolzes hinaus. Robert war bereits dabei, den Mädchen beim
Einsteigen ins Auto zu helfen, als sich Katharina von Paul
verabschiedete. Diesmal bestand sein Abschiedsgruß für „seine
Kathi“ lediglich aus einem kühlen Händedruck, bei dem er sie kaum
ansah. Paul hatte seine kostbare Zeit umsonst investiert, das
Ergebnis konnte ihn nicht zufrieden stellen.
Katharina war bitter enttäuscht über den Verlauf des Nachmittags,
obwohl sie schon im Vorfeld sehr skeptisch gewesen war. Schweren
Herzens musste sie der Tatsache ins Auge sehen, dass Paul sie nur
aus geschäftlichem Interesse aufgesucht und eingeladen hatte. Sie
sollte Seife für ihn verkaufen!  Nur deshalb hatte er sich überhaupt
an Katharina erinnert. Dafür hatte er sogar ordentlich Süßholz
geraspelt. Wie naiv sie gewesen war! In Erinnerung an frühere Zeiten
hatte sie das Wiedersehen mit Paul völlig zu unrecht romantisch
verklärt. Sie ärgerte sich darüber und schämte sich ein bisschen vor
Robert. So enttäuschend es auch sein mochte, Paul hatte
offensichtlich niemals so viel für Katharina übrig gehabt, wie er
vorgegeben hatte. Seine Freundlichkeit hatte immer nur irgend
einem Zweck gedient. Katharina war auch dann noch auf seine
zuckersüßen Worte hereingefallen, als sie es längst hätte besser
wissen müssen. Aber es schmeichelt wohl jeder Frau, bei einem
Mann bleibende Erinnerungen hinterlassen zu haben, besonders
dann, wenn sie im Grunde keine allzu hohe Meinung von ihren
Verführungskünsten hat. Katharina beschloss, den Vorfall als
Lebenserfahrung abzuhaken –  eine ziemlich peinliche Erfahrung –
und lieber keinen weiteren Gedanken mehr daran zu verschwenden.
Zum Glück hatte sie Robert gefunden. Er liebte sie wirklich. Was also
wollte sie noch?
Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass es danach keine weiteren
gegenseitigen Besuche mehr gegeben hat.
***
Leider konnte Katharina das Wiedersehen mit Paul nicht so einfach
ad acta legen, wie sie sich das vorgenommen hatte. Dass sie für ihn
– wie früher so oft – nur Mittel zum Zweck gewesen war, machte ihr
mehr zu schaffen, als ihr lieb sein konnte. Nicht, dass sie ihn noch
immer wollte, das natürlich nicht. Aber ihre Gefühle hatte er trotzdem
verletzt. Katharina hatte sich von dem, was er ihr vor ihrer Haustür
zugeflüstert hatte, geschmeichelt gefühlt, jetzt war sie blamiert und
bloß gestellt. Ihr Selbstwertgefühl war wieder mal am Boden. Statt
Pauls schlechtes Benehmen zu tadeln, haderte Katharina mit sich
selbst. Ihr Spiegelbild gab ihr Recht. Das alles wäre ihr garantiert
nicht passiert, wenn sie die schlanke Schönheit  wäre, die sie
niemals würde werden können. Bei Clara hatte Paul sicher nicht
unter Vortäuschung falscher Tatsachen vorgesprochen, aber sie war
ja auch eine Klassefrau. Clara hatte er schon früher mit mehr
Achtung behandelt, obwohl sie sich nicht die Bohne für ihn
interessiert hatte. Vielleicht auch gerade deshalb.
Katharina blieb nichts weiter übrig, als sich wieder auf das zu
konzentrieren, was sie wirklich mit Erfolg im Griff hatte: ihre Arbeit,
ihre Familie und ihr Haushalt! Sie war weder ein Vamp noch hatte sie
wirklich dauerhaft romantische Erinnerungen bei ihrer Jugendliebe
hinterlassen können. Das war deprimierend, aber nicht zu ändern.
Nachdem sie sich diese Tatsache mit Nachdruck verinnerlicht hatte,
schlug sich Katharina sämtliche Flausen aus dem Kopf und ging
endlich wieder zur Tagesordnung über.
Der Alltag ließ auch keine Zeit für sinnlose Grübeleien. Katharina war
eine Frau, die mitten im Leben stand. Für diesen ganzen pubertären
Quatsch war sie einfach schon ein bisschen zu alt.