Internetbuch langsam

 

Willkommen bei unserer neuesten Idee, einem kostenlosen Buch, dessen Teile ihr zu einem Ganzen zusammenfügen könnt.

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Für alle die nicht mehr suchen möchten

Langsam gewöhnst du dich an deine neue Lebenslage und merkst, dass es dir ohne Mann viel besser geht, dass du viel weniger Schmerzen hast. Doch leider bekommst du Brustkrebs. Du wirst noch ein Jahr ohne Haare rumlaufen und ganz traurig sein, dass du gehen musst, obwohl das Leben scheiße gelaufen ist. Mit 56 Jahren stirbst du schließlich. Kurz vor dem Sterben erinnerst du dich, dass du damals, vor fünfzig Jahren, glücklich warst, ohne es zu wissen. Weil dir damals die Fähigkeit nachzudenken noch fehlte. Weil sich Schmerzen immer schnell ins Unterbewusstsein zurückgezogen haben und dein Bewusstsein rein blieb´, denkt er.

Was sind meine Kindheitserinnerungen?

Im Frühling die grünen Blätter an den Bäumen und die mit violetten und gelben Blumen übersäten saftigen Wiesen. Der Duft vom frischen Gras beim ersten Schnitt und die Suche nach dem Osternest.

In den Sommerferien die Mittagspause vor dem Haus, wo mir die Sonne ins Gesicht schien, mit dem Geräusch vom plätschernden Brunnenwasser im Hintergrund, bevor ich zur Feldarbeit musste. Das Entfachen eines Feuers alleine im Wald. Der süße Duft vom großen blühenden Lindenbaum vor dem Haus. Die Vorfreude auf das Bauen des 1. August-Feuers. Das Aufstauen eines Stausees im Wald.

Im Herbst das Sammeln von Erdbeeren, Heubeeren oder Pilzen im Wald. Die Musik am Morgen, die mein Bruder zum Aufwachen hörte und die sich in meine Träume und mit meinem Unterbewusstsein mischten, als ich das erste Mal verliebt war, beispielsweise ´Voyage voyage´ von Desireless, oder ´Something’s gotten hold of my heard´ von Marc Almond featuring Gene Pitney. Und der Schulweg, besser der Weg von der Schule nach Hause, entlang meiner unzähligen Geheimwege durch den Wald, dem Bach entlang, versteckt hinter den Sandsteinfelsen oder unentdeckt entlang der Verkehrsstraße.

Im Winter die weiß bedeckten Tannen im Wald und die weiße Landschaft, in der sich die frischen Tierspuren abzeichneten, denen ich folgte und manchmal einen Hasen oder ein Reh aufspürte. Und natürlich die Vorfreude auf Weihnachten mit den Spekulationen, was in den Paketen sein könnte. Bei allen schönen Erinnerungen war ich alleine.

Das kleine Mädchen ist bereits wieder am Absteigen, Hand in Hand mit ihrer Mutter.

´Genieße die nächsten paar Jahre, die Pubertät wird schon bald kommen. Und in knapp 50 Jahren wird der restliche Teil deiner Familie ihre ganze Kreativität brauchen, um folgenden Text in der Zeitung zusammenzudichten: In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserer lieben Mutter Gabriela Masson, geboren am 15.02.2000, die nach kurzer Krankheit am letzten Dienstag im Alter von 57 Jahren viel zu früh von uns gehen musste. Ihr unendlicher Lebenswille, ihre Lebensfreude und liebevolle Art wird uns immer in Erinnerung bleiben. Die Trauerfamilie´, denkt er.

Er stellt sich vor, wie er auf dem Felsen ausrutscht und kopfüber 50 Meter weiter unten auf dem Boden aufschlägt. Seine Familie erführe von seinem Tod und frägt sich: Was zum Teufel machte er in Paris?

Er nimmt einen Schreibblock hervor und verfasst sicherheitshalber seine eigene Todesanzeige, um seine Familie etwas zu entlasten. Sie kennen vor allem seinen Namen, nicht viel mehr: Wir teilen Ihnen mit, dass Markus Müller, geboren am 14. Juni 1977, am letzten Dienstag im Alter von 29 Jahren abgekratzt ist.

Schon in seinen jungen Jahren als Student war er ein Schmarotzer und hat auf Staatskosten studiert, jetzt verursacht er hoffentlich zum letzten Mal Kosten.

Er war ohne Zweifel ein Versager, wie die Meisten von uns, und keiner wird sich lange an ihn erinnern. Er war einer dieser langweiligen Einzelgänger, der nie viel geredet hat. Zum Glück hat er nie regelmäßig mit einer Frau gevögelt und hinterlässt uns keine Kinder. Zum Ausgleich ging er ab und zu in den Puff, hat ein paar Drogen ausprobiert, aber sonst hat er sein Leben in der Forschung vergeudet und schrieb ein paar laue Papers, die die Menschheit auch nicht wirklich weiterbrachten.

Privat hat er sich mit Kunst, Psychologie und Philosophie befasst, aber mal ehrlich, der war doch zu beschränkt um Brèton, Freud oder Camus zu verstehen. Mit dem Alter wurde er zunehmend komischer, vor allem nach dem er beim Psychologen war, sonderte er sich zunehmend ab. Deshalb haben viele von uns insgeheim gedacht, dass er sich umbringt, doch sein Tod hat sich nun lange rausgezögert.

Die Leiche wird am Samstag, den 19. Mai 2007 auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich entsorgt, die Würmer warten bereits.

Die Angehörigen möchten, dass Sie das Kondolieren auf dem Grab unterlassen, die anschließende Party findet auch ohne vorgetäuschte Trauer statt. Die Familie.

Eine Trillerpfeife ertönt. Das Zeichen, dass man sich schleunigst zum Ausgang begeben muss. Der Haupteingang beim Place Armand Carrel wird um 20.30 Uhr geschlossen. Danach würde man eingeschlossen, der Zaun ist zu hoch, um rüber zu steigen. Er schlüpft um 20.26 Uhr durch den Haupteingang und geht zurück ins Hotel, um die nächsten acht Stunden seines Lebens zu schlafen.

TEIL II

BOULEVARD DE CLICHY UND RUE MYRHA

Die Angst war vor Urzeiten für den Menschen lebenswichtig, um mit Feinden oder Naturkatastrophen angemessen umgehen zu können. Heute liegt ihre Begründung vor allem darin, dass wir als Einzelne in der Gesellschaft immer an mehr Herausforderungen herantreten müssen, welche zunehmend komplexer werden und die uns eine immer höhere Flexibilität abverlangen.

Angst nehmen wir einerseits durch körperliche, anderseits durch seelische Symptome wahr. Typische körperliche Symptome sind Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, Schlaflosigkeit oder Kopfschmerzen; seelische Symptome sind unter anderem Konzentrationsstörungen, schlechtes Gedächtnis, Unfähigkeit sich zu entscheiden oder aggressives Verhalten.

Weiter unterscheidet man zwischen logischer Angst, beispielsweise vor einem Hund, und irrationaler Angst, wie vor dem Verlassen vom Haus.

Jede Angst hat eine Ursache. Diese Ursache kann im individuellen Persönlichkeitstypus liegen (z.B. ängstliche Persönlichkeit), aus einzelnen oder einer Reihe traumatischer Ereignisse aus der Kindheit (z.B. Misshandlung, verächtliche Bemerkungen Anderer) oder im Erwachsenenalter (z.B. schwierige Beziehung mit der Schwiegermutter, Geldnot), aus traumatischen Erlebnissen (z.B. Turbulenzen bei einem Flug), aus hormonellen Schwankungen oder sogar aus positiven Ereignissen (z.B. Beförderung, Familienzuwachs) herrühren.

Des Weiteren unterscheidet man zwischen fünf verschiedenen Angstformen:

a) Sich ständig Sorgen machen,

b) Phobie,

c) Angst vor dem Versagen,

d) Angst vor anderen Menschen und

e) Angst vor dem Leben.

(a) ist die mildeste Angstform. Man befürchtet beispielsweise immer gleich das Schlimmste, wenn das Kind nicht pünktlich nach Hause kommt.

Weitaus schlimmer ist (b). Dies ist eine irrationale, übermächtige Angst, die der Betroffene nicht mehr kontrollieren kann.

Bei (c) hat man Angst vor einer möglichen Kritik im Beisein anderer Menschen. Diese Angstform rührt oft aus der Kindheit, weil die Eltern uns unter Leistungsdruck setzten oder weil unsere Leistung nie gut genug war. Die Folge ist ein ungesundes Streben nach Perfektionismus, wo jeder Fehlschlag gleich als Katastrophe angesehen wird.

Bei (d) hat man Angst vor ganz bestimmten Menschen, wie Autoritätspersonen, Fremden oder dem anderen Geschlecht. Dabei ist bei Personen, die gegenüber fremden Menschen stark gehemmt sind, ausnahmslos mindestens ein Elternteil mit gleichen Schwierigkeiten vorhanden.

Bei der Form (e) hat die Angst im Leben dermaßen überhandgenommen, dass Depressionen auftreten können. Man hat das Gefühl, die Kontrolle über sein Leben völlig verloren zu haben, sodass einem alles sinnlos erscheint.

Er selber ist vor allem von Angstform (c) und (d) betroffen. Wichtig ist für ihn folgende Aussage: Wer Angst hat, lernt schlechter, da er nervös ist. Seine Ausrede, dass er vielleicht doch kein Vollidiot ist.

Trotzdem steht er auch heute auf. Obwohl die Abneigung, jetzt Leute zu sehen, größer ist als der Vorteil des bisschen essens am Morgenbüffet, zwingt er sich hinunter zu gehen. Auf dem Parterre trifft er zwei Bedienstete, eine hinter der Rezeption, die andere am Telefon. Er begrüßt sie beiläufig und geht die Wendeltreppe bis zum Speisetunnel hinunter.

´Keine Sau ist im Raum, schön. Leider steht auch kein Brot herum. Aber die Andere oben am Telefon wird sicher gleich runter kommen und sich freundlich entschuldigen, schließlich bezahlt man dafür, dass die Leute hier gefälligst freundlich zu einem sind´, denkt er.

Zeit vergeht und nach drei bis vier Minuten plappert sie immer noch in den Hörer.

´Hat sie mich jetzt vergessen? Wie muss man in einer Situation wie dieser bloß vorgehen, davonlaufen, reklamieren? Nein, das