Internetbuch Mechanikprofessorin

 

Willkommen bei unserer neuesten Idee, einem kostenlosen Buch, dessen Teile ihr zu einem Ganzen zusammenfügen könnt.

Wahrscheinlich bist du ganz zufällig hier gelandet, oder doch nicht? Oder du bist an der falschen Stelle oder was auch immer.

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Für alle die nicht mehr suchen möchten

Mechanikprofessorin im Raum sitzt. Der Experte ließ etwas verlegen von seiner Behauptung ab. Ich stand angeschossen im Raum, ein Streifschuss, auf Bauchhöhe.

´Er hat das Feuer eingestellt. Also nächste Antwort, die muss jetzt perfekt sein, sonst …´ dachte ich.

Druck, verdammt viel Druck. Er fing an, und wies mich auf eine physikalische Unzulänglichkeit in einer meiner empirischen Formeln hin.

´Okay, vor der Frage hat mich mein Betreuer heute Morgen gewarnt. Er hat vorgeschlagen, mit einer leicht veränderten physikalischen Begründung zu kontern´, dachte ich.

Also versuchte ich ihn zu unterbrechen und sagte ihm, ich möchte es mit einem etwas anderen Erklärungsansatz begründen. Damit war er aber nicht einverstanden, und sofort textete er mich erneut mit seiner ganzen Begründung zu.

´Verdammt, was soll dieser Vortrag, stell doch eine Frage und lass mich antworten! Und wann haben sie die schwarze Wandtafel mit einer weißen ausgetauscht? Und wieso sitzt das Publikum so einseitig? Wie lange geht das Ganze eigentlich noch?´, dachte ich.

Erneut ging mir ein Gedankenbrei durch den Kopf.

´Ich soll es anders begründen, hat niemand geringeres als mein Betreuer vorher gesagt´, dachte ich.

Ich war dermaßen von der eigentlichen Frage abgelenkt, dass ich sie gar nicht richtig aufnahm.

´Aber anderseits ist die Unterredung am Morgen mit meinem Betreuer moralisch nicht vertretbar, ich dürfte die Antwort gar nicht wissen. Und überhaupt, verdammt, auch diese Frage geht schief. Was soll ich eigentlich noch hier?´, dachte ich.

Vermutlich hemmte mich diese Immoralität innerlich. Zumindest so sehr, dass ich die Frage nicht zu perfekt beantworten durfte. Der Experte redete immer noch, verdammt, das brauchte so viel Energie, seine Nachricht und meine Decodierung. Meine Argumentationstechnik schnürte sich noch weiter ein, bis sie sich schließlich zu einer Röhre zusammenzog. Jegliches vernetzte, logische Denken war im Eimer. Ich konnte nur noch linear, entlang einer Kette, von Punkt zu Punkt denken. Ich war ein Spielball der Experten. Meine Kapazität reichte nicht mehr aus, um meine ganze Argumentation auf einmal zu überblicken. Wenn ich einen Punkt erwähnte, wusste ich noch nicht, ob ich je einen logischen Anschlusspunkt aufgreifen konnte oder meine Antwort einfach nur im Sand versickerte, sodass ich plötzlich einen Satz abbrechen musste. Ich könnte mit einer Argumentation anfangen, dann aber plötzlich in einer Sackgasse landen. Meine Gedanken nahmen so viel Platz ein, dass sich meine Sinne abdämpften. Ich nahm die Fragen nicht mehr richtig wahr. Ich decodierte und verstand sie erst, nachdem ich bereits einige Sätze einer bescheuerten Antwort von mir gegeben hatte, die natürlich voll an der Frage vorbei zielte.

Mir wurde klar, dass meine Unsicherheit nun auch physisch sichtbar war. Ich ließ mich im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand reden. Ich stand an der Tafel, hinter dem Hellraumprojektor versteckt. Meine Stimme wurde immer unsicherer und piepsiger.

´Was mache ich hier eigentlich hinter dem Hellraumprojektor, da sieht doch jeder, dass ich unsicher bin´, dachte ich.

Ich versuchte, mich wieder etwas nach vorne zu bewegen, vielleicht sollte ich ihm bei dieser Gelegenheit eins in seine verdammte Fresse hauen! Ich schluckte meine Wut runter.

Ich nahm einige Reaktionen vom Publikum wahr. Der Leiter hatte offensichtlich Mitleid mit mir. Den Kollegen war es unangenehm, mich so leiden zu sehen, sie schämten sich anwesend zu sein. Mein Betreuer regte sich immer mehr über mich auf, und verstand die Welt nicht mehr, wieso ich nicht mit der Antwort, die er am Morgen vorgab, herausrückte. Der externe Experte war immer noch auf Konfrontationskurs. Vermutlich dachte der Idiot, ich verstehe die Frage nicht richtig. Und er wiederholte sie und wiederholte sie.

´Genau das tut weh, verursacht dermaßen Kopfweh, lasst mich doch einfach nur in Ruhe!´, dachte ich.

Ich stand wie am Pranger, sein Text schmerzte. Den Sachinhalt nahm ich kaum mehr wahr, nur noch den Beziehungsaspekt, die gegen mich gerichtete Aggression, die negative Wertung.

´Deine Arbeit ist scheiße, du bist ein Stück Scheiße! Du hast nicht das Recht, an dieser Prüfung zu sein, du dumme Nuss, trägst einen Anzug mit Krawatte, dass ich nicht lache …´, dachte ich.

Mir kam der Gedanke, mich zu schlagen, das würde mich aus der Situation retten. Und wäre weniger schmerzhaft als seine Worte. Und überhaupt konnte ich nicht mehr Werten. Ich konnte nicht mehr beurteilen, ob es schlimmer war, dem externen Experten zu widersprechen, mich gleich selber zu schlagen, oder ihm eins in seine verdammte Fresse zu hauen. Ich konnte nicht mehr beurteilen, ob seine Worte negativ oder sehr negativ waren, und ich nahm alles ungefiltert als sehr negativ auf. Das Wissen über meine Urteilsunfähigkeit hemmte mich zusätzlich, denn meine Handlung könnte ja etwas Untolerierbares sein, ohne dass ich in meiner gelähmten Situation ihre Tragweite abschätzen könnte. Ich könnte auch die ganze Prüfung abbrechen. Es hatte eh keinen Wert mehr.

Ich musste ab sofort jede Frage voll ins Blaue hinaus beantworten. Ich hörte mich selber reden und verstrickte mich immer mehr in Widersprüche. Ich kürzte meine Argumentation ab. Der Computer gehorchte nicht mehr, ich konnte PowerPoint nicht mehr bedienen. Ich getraute mich nicht mehr, das zu sagen, was ich wusste, da ich mich vor möglichen Konterfragen fürchtete. Ich war mehr und mehr gelähmt. Ich wollte nur aus dieser Situation raus. Der Experte machte zwischen den Reden kurze Pausen, mir kam ein mickriges Argument in den Sinn. Ich setzte an, er unterbrach mich sofort wieder. Ich hörte ein Gelächter. Ich nahm es unterbewusst auf, das war mein Betreuer, der mich nun auch noch fallen ließ, Du unmoralische Sau! Und mein Gedankenbrei brannte meine Sicherungen durch.

´ummoralische sau.. nichtquadrat Sie …“ schallwellen von ihm…links hocken alle, raum kipt..willbillweg.raum kein fenster – ich schon wieder schritte an tafel, wieso – wieeeso ich…knoten.muss mich, wo ist versteck..english hide [hid], kenne ich!oh, uberarbeitet sehr..französisch weiss gerade nicht..spanish? serveca..krawatte richtige höhe auf gurt.sie sitzen an braunen tischen…von militär, war so scheisse.ich grobe enttäuschung ich armer…alles alptraum, wohl nicht..- raus -..herzversagen, ich tod, heheheee, du schwein wärst schuld, wie im film, heee..hör auf, noch ein schlag..was, nicht quadrat?..hehee – hab doch gesagt wie…ah, nee,..höört man mich denn..kopfweh, kann mich nicht konzentrieren…keine LUST, alles sackgasse und rahm.was denke ich denn für komisches..aber du unmoralische SAU, rede kein wort mehr mit dir..Schweisstropfen laeuft unter schulter, eh achsel…wie lang denn noch?- jetzt bei bauch: Im augenwinkel starren alle…muss mich, brauche schutz.fuehle herzschlag in schläfe…mich schlagen….betrüger kein doktor – nein, bin ich nicht…wie raus..habe ich doch erklärt, wieso nicht quadrat..alleine in wald bräteln.lassen mich alle fallen..wieso ich? ist nicht fair..blicke…nebelkopf.man unterbricht jemanden nicht!!!..habe ich doch gesagt wieso nicht quadrat.., der schwafelt immer noch…nächstes mal, gibt es aber nicht.gedanken wieder weg..nicht bescheissen…erschiess mich wenigstens…alles kapput,..blinzeln zweimal blackout..3.5 Jahre dieses arsch.soll ich ignorieren wie er..´, dachte ich.

Nun lassen Sie ihn doch mal ausreden!“, energische Worte vom Prüfungsvorsitzenden erreichten mich.

Ich interpretierte einen gegen den Experten gerichteten, sehr negativen Beziehungsaspekt. Wenigstens jemand scheint auf meiner Seite zu stehen, aber das half mir nun auch nichts mehr. Es war still. Ich wusste nichts zu sagen, alles war verknotet.

Nach unendlichen fünf Minuten ließ der externe Experte von seinem Statement ab, jeglicher Konterversuch meinerseits wurde sofort im Geplapper erstickt. Ich getraute mich nichts mehr zu sagen. Ich fürchtete, dass er dadurch nur noch aggressiver gegen mich vorging. Dass er mit noch mehr codierten Wortfetzen auf mich einprügelte.

Ich fragte mich die ganze Zeit, was ich ihm eigentlich zuleide getan hatte? Wieso folterte er mich? Seine Aggression hatte mich voll in den Rücken getroffen, hatte mich total überrascht.

Alles war verloren. Die nächste Fragerunde ging an meinen Betreuer. Nicht mal den Sachinhalt seiner Fragen verstand ich noch, meine Sinne waren nach innen gerichtet. Meine Sicherungen waren durchgebrannt, meine Nerven lagen blank, ich konnte nicht mehr klar denken. Und nun war eh alles egal. Ich antwortete irgendwas anderes, eine für den Fachmann mittelmäßige und für den durchschnittlichen Zuhörer einigermaßen plausible Antwort. Weitere Fragen droschen auf mich ein. Ich stand da mit meiner linearen Denkweise und verstrickte mich immer wieder in für den Zuhörer unlogische Gedankengänge, die ich erklären hätte können, es mir aber in dieser Situation nicht mehr zutraute und deshalb gar nicht erst anging. Ich behielt den Widerspruch lieber bei, um dafür nicht noch mehr von mir entblößen zu müssen. Ich war geschlagen und erniedrigt, hatte mein Gesicht vor allen verloren. Erst gegen Ende der Prüfung fand ich langsam wieder ansatzweise zu meinem vernetzten Denken zurück.

Die Zeit war um, ich verließ den Saal. Die Experten berieten sich über das Ergebnis.

´Was war das für eine verdammte Katastrophe?´, dachte ich beim Verlassen des Raums.

Ich fasste mit den Händen an den Kopf, eine riesen Niederlage. Meine Kollegen kamen raus, sie versuchten mich nicht mal zu trösten. Manche Niederlagen sind so deutlich, sie lassen sich nicht mehr schön reden.

´Wieso, wieso kann ich nicht kommunizieren? Ich wusste doch die Antworten. Stehen doch alle Argumente in meiner Dissertation. Aber vor Leuten ist alles weg, ist mein Hirn wie ein Sieb. Und was wollte eigentlich dieser verdammte Wichser von mir? Habe ich dem irgendwas zuleide getan? War sein Ziel, mich heute systematisch fertigzumachen?´, dachte ich.

Ich bestand die Prüfung und musste nicht mal Korrekturen an meiner Arbeit anbringen. Die ganze Fragerei war nur heiße Luft. Keiner der Einwände hatte Substanz. Ich hatte mich auf der Zielgeraden selber schachmatt gesetzt, mir selbst ein Bein gestellt. Alles war nur Show, und ich hätte einfach nur irgendwas Dummes labern müssen, wie es alle Anderen tun, ohne mir dabei Gedanken zu machen, dass es bescheuert ist. Dabei etwas lächeln und so zu tun, als ob es die Wahrheit wäre. Vermutlich hatte es der externe Experte auf dem Beziehungsaspekt nicht mal böse gemeint, alles nur Hirngespinste und Fehldecodierungen in mir. Kleine Behauptungen haben mich völlig aus dem Konzept geworfen.

´Sperrt mich in ein Büro und bewahrt mich vor jeglicher Ansammlung von Menschen. Lasst mich doch einfach nur in Ruhe forschen. Dreieinhalb Jahre voller Einsatz, und alles ist in einer halben Stunde vermasselt. Liefert mich in die Psychiatrie ein, bitte, ich will keinen Druck mehr!´, dachte ich.

Sein nächstes Ziel ist eines der Batobus Boote, um damit auf der Seine bis zur Station Saint-Germain-Des-Prés zu fahren und um von da mit der Métro zurück zu seinem Hotel zu gelangen. Die nächste Station liegt direkt vor dem Eiffelturm, rund 200 Meter flussab. Auf dem Weg passiert er eine Hausfassade, die völlig mit Pflanzen überwuchert ist. Etwas weiter steht eine Velostation mit 60 grauen Velos für den öffentlichen Gebrauch. Solche Stationen stehen nun in der ganzen Stadt rum. Man bräuchte aber eine Benutzerkarte. Keine Ahnung, er liest die Instruktionen nicht im Detail und geht weiter bis er über eine Treppe neben der Pont d’Iéna zur Batobusstation gelangt.

Die Kolonne zum Tickethäusschen ist lang, trotz des wechselhaften Wetters. Das billigste was er kriegen kann, ist ein Tagesticket für 13 Euro.

´Ein happiger Preis für zwei Stationen´, denkt er.

Das stört ihn jetzt aber auch nicht wirklich. Er hat sein Geld schon für wesentlich Dümmeres ausgegeben. Da waren beispielsweise diese 700 Franken als armer Student auf Grand Canaria für einen üblen Champagner den er nicht bestellt hatte, und anschließenden Sex. Leider machte sich die Schlampe, bevor es zur Sache ging, mit ihrem Zuhälter aus dem Staub.

Er stellt sich in die nächste Kolonne, um auf den Batobus zu gelangen. Da haut ihn der Typ direkt vor ihm an.

Excuse me, it this the right ticket for this boat?“

´Woher soll ich denn das jetzt wissen?´, denkt er.

Er wirft einen interessiert wirkenden Blick auf das Ticket, das der exzentrisch gekleidete Asiate ihm hinhält. Er trägt eine überdimensionale Sonnenbrille mit violettem Rand und einen schwarzen Schottenrock, vielleicht ist es auch nur sein Pullover, den er unter der Lederjacke umgehängt hat. Auch der Rest von ihm inklusive Haare ist schwarz mit Ausnahme seiner Haut.

Yes, I guess … yes, it looks like my one.”

Er zieht sein eigenes Billett aus der Tasche.

´So, Pflicht erfüllt, das sollte ihn zufriedenstellen, die Ursache seines informativ verbalen Austausches befriedigen´, denkt er.

Er hat aber noch mehr Fragen an seinen neu gefundenen Gesprächspartner, nun zwecks Kontaktvertiefung.

´Recht unüblich für einen Asiaten´, denkt er.

Have you been on the top of the Eiffel Tower?“

Und so weiter und so fort.

Das Boot kommt an und man steigt ein. Irgendwie hat er das Gefühl, dass die Verhaltensnormen verlangen, dass er ihm folgt und sich neben ihn setzt. Das kackt ihn etwas an. Er möchte die Fahrt zum Denken und nicht zum Sprechen nutzen. Er lässt mal zur Sicherheit einen Klappstuhl zwischen sich und dem Japaner –