Internetbuch schlank

 

Willkommen bei unserer neuesten Idee, einem kostenlosen Buch, dessen Teile ihr zu einem Ganzen zusammenfügen könnt.

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Für alle die nicht mehr suchen möchten

schlank und hat einen arabischen Touch. Sie trägt ein weißes Hemd und schwarze Hosen. Ihre Körpersprache weißt auf wenig Selbstvertrauen hin, etwas Schüchternheit, aber auf einen guten Charakter. Sie könnte kaum jemanden etwas zuleide tun oder jemanden verletzen.

´Komisch, es gibt Menschen, die glaubt man mit einem Blick voll und ganz zu verstehen. Man glaubt genau zu wissen, wie sie sich in einer bestimmten Situation fühlen´, denkt er.

Zusammen mit einem Mann, wohlmöglich ihr Vater, verabschiedet sie sich von einer älteren Dame. Die ältere Dame küsst den Mann auf die Wangen und verabschiedet sich herzlich. Die junge Frau steht daneben und strahlt mit einem wunderschönen Lächeln. Die Dame beachtet sie kaum, wendet sich nur kurz vor dem Einsteigen in ihr Auto zu ihr hin und gibt ihr kühl die Hand. Wendet sich dann aber gleich ihrem Auto zu.

´Das Mädchen tut mir sehr leid. Die Reaktion der Dame war wohl sehr verletzend. Sie wollte sich doch nur Mühe geben und hilfsbereit sein. Ihr Lächeln strahlte ins Leere, wurde kaum beachtet. Schüchterne Menschen werden so oft verletzt´, denkt er.

Zurück in der Champs Elysées geht er weiter Richtung Place de la Concorde. Nach weiteren 500 Metern öffnen sich die Häuserreihen auf beiden Straßenseiten zu einem breiten Park mit vielen viereckigen Bäumen.

´Wie kommen die Pariser bloß auf die Idee, die Bäume viereckig zu schneiden?´, denkt er.

Viele Touristen stehen etwas ratlos mit einer Karte in der Hand umher und suchen einen der Palais oder knipsen mit ihrem Fotoapparat in der Gegend rum. Zwischen den Baumreihen stehen kleine Kioske, von denen irgendwelche Snacks und Getrӓnke verkauft werden. Die etwas kleineren Bäume in der zweiten Reihe haben bereits ein paar grüne Blätter, in ein paar Tagen wird es hier ganz grün sein. Er schlendert weiter.

Unser Dorf hatte eine eigene Primarschule und wir mussten nicht mehr ins Nachbardorf fahren. Wir sahen die Kindergartenfreunde nicht mehr. Das war mein erster Trennungsschmerz. Ich vermisste meinen Freund viele Jahre lang. Noch Jahre später wurde ich von meinen Eltern oder den Geschwistern gefragt, wie es denn meinem Freund geht, dem alten Krieger. Das tat weh, ich sah auch keine Möglichkeit, das zu ändern. Ich empfand es als sehr unfair von der Schule, dass sie Freundschaften auseinanderreißt. Die schöne Zeit war vorbei, die Zeit der Unterdrückung begann. In unserem Dorf gab es in den sechs Primarklassen eine strickte Rangordnung. Die Jüngeren bekamen von den Älteren auf die Birne, das war in den Gruppenrollen und -normen so verankert. Wenn wir Jüngere nicht parierten, gab es Tritte oder wir wurden Kopfs voran in den Schnee gesteckt. Langsam kam Angst auf, Hemmungen entwickelten sich, mein Unterbewusstsein wurde mehr und mehr eingepfercht.

Weil wir im Dorf nur rund 30 Schüler in der Primarschule waren, wurden wir zwei Lehrern zugeteilt. Die 1.-3. Klasse war im unteren Schulzimmer, die 4.-6. Klasse im oberen. Der Lehrer der oberen Klasse war nebenamtlich Gemeindeschreiber. Er war eine Autorität im Dorf und hatte daher auch Feinde. Sein Schulunterricht war sehr konservativ. Am Ende der Pause kam er mit seiner Trillerpfeife und holte seine Schüler rein. Dazu mussten sie sich alle in zwei Kolonnen aufstellen und ihm auf sein Kommando folgen. Gute Schüler waren seine Lieblinge, schlechte Schüler stellte er oft bloß, vor allem wenn er deren Eltern nicht mochte. Ein Elternpaar nahm deshalb sogar sein Kind von der Schule und schickte es im Nachbardorf zum Unterricht. Zum Glück waren meine Geschwister und ich immer unter den Besten. Und zum Glück wurde er pensioniert, bevor ich die 4. Klasse erreichte.

In der 1. Klasse musste ich meinen Sprachfehler korrigieren. So wurde ich einmal die Woche in die Sprachschule zu einer Spezialistin geschickt. Ich war nicht alleine, meine Nachbarin war bereits das dritte Jahr vor Ort. Ich übte aber fleißig zu Hause, um mir endlich dieses komische t anzugewöhnen.

Den Laut zu lernen, ist eine Sache, man muss aber auch noch wissen, wo man ihn anwenden soll. Typische Anfängerfehler sind beispielsweise Dante oder tas. Aber das ändert sich schnell und nach einem Jahr war der Schaden behoben. Zum Glück, denn mit diesem Sprachfehler würde ich heute noch weniger ernst genommen.

In der Primarschule versank ich langsam in der Masse. Ich war plötzlich nicht mehr so übermütig und konnte nicht mehr ohne nachzudenken etwas anstellen, wie im Kindergarten. Die Hemmungen ließen das immer weniger zu.

Neben der Schule, wenn ich nicht gerade auf dem Bauernhof mitarbeiten musste, trieb ich mich häufig bei den Nachbarn rum. Alle fünf Nachbarfamilien lebten auf einem Bauernhof und hatten Kinder. Als Kind verbrachte ich bei jeder Familie längere Phasen.

Die erste war noch vor dem Kindergarten mit rund fünf Jahren. Es war eine Familie die dreihundert Meter entfernt wohnte, mit einem Sohn, der zwei Jahre älter war als ich. Über ihn lernte ich dann einen weiteren Nachbarn kennen, der nochmals zweihundert Meter weiter weg hinter einem Waldstück lebte. Ihr jüngster Sohn war ein Jahr älter als ich. Ihn traf ich später als Teenager noch öfters im Ausgang und wir soffen wie Kühe. Dann kam die Phase bei der Nachbarfamilie rund hundert Meter in der anderen Richtung. Hier waren die Kinder nicht mehr in meinem Alter. Der jüngste Sohn war in einer Spezialschule, also unter der Woche nicht zu Hause. Es verblieb der zweitjüngste, der gerade die Autoprüfung gemacht hatte. Ich versuchte ihn bei den Stallarbeiten zu unterstützen und durfte dafür mit seinem Auto mitfahren. Bei ihm lief immer Sound im Radio. Besonders beliebt war gerade Michael Jacksons Thriller. In der Primarschule stießen aus einem nördlich gelegenen Waldstück noch weitere Nachbarkinder dazu. So trieb ich mich in der ersten Klasse oft bei ihnen rum.

Auch vor dem Place de la Concorde mit dem Obelisk hält er in der Mitte der Champs Elysées auf einem Fußgängerstreifen inne und macht ein Foto vom L’Arc de Triomphe. Der Blick vom Obelisk Richtung L’Arc de Triomphe ist schöner als umgekehrt. Der Triumphbogen steht etwas erhöht. Durch seinen Bogen sieht man den rund neun Kilometer entfernten Grand Arche, der mit dem Louvre und dem L’Arc de Triomphe auf einer Achse liegt. Ein paar weitere Wolkenkratzer von La Défense sind auch am Horizont ersichtlich.

Den Jardin des Tuileries hat er von der letzten Parisreise etwas farbiger und belebter in Erinnerung. Er ist zu gepflegt, der feine Schotter wirkt etwas zu förmlich für einen Park. Die Bäume sind auch hier kahl, aber nur zum Teil viereckig. Das letzte Mal stand hier ein Riesenrad ähnlich dem London Eye rum, sowie ein Jahrmarkt. Jetzt ist es ruhig, bis auf Touristen, die sich auf den Stühlen an zwei runden Teichen ausruhen. Leider ist das Wetter für ihn noch zu wenig warm, um Platz zu nehmen. Die Weiber zeigen ihre Titten noch nicht in voller Pracht. Also geht er weiter durch den Park, bis er fünfzig Meter von der Eingangspyramide vom Louvre steht. Der ist ihm zu überfüllt, zu unübersichtlich, mit zu vielen alten Kunstwerken.

Ein Touristenbus hält vor ihm an der Straße, die quer durch den Platz vor dem Louvre führt. Eine Gruppe Japaner steigt aus, ausgerüstet mit Fotoapparaten. Er selber folgt der Straße nach rechts und lässt den Louvre links liegen.

L´ILES DE SEINE

Vom Louvre aus geht er weiter und biegt links in den Quai François Mitterrand ein. Bei der erstbesten Möglichkeit wechselt er die Straßenseite und läuft parallel zur Seine. Links und rechts wird sie von Baumalleen begrenzt. Einige Meter tiefer führt eine Flanierzone am Seine-Ufer entlang, die hauptsächlich von Fußgängern benutzt wird. Da unten hat die Stadtbehörde vor zwei Jahren Sand aufschütten lassen und es Paris la plage genannt. Tatsächlich sind die Plätze am Ufer sehr begehrt, obwohl es untersagt ist, in der Seine zu baden. Stattdessen kühlen sich die Pariser unter ein paar provisorischen Duschen ab.

Bei der Pont Neuf reihen sich die dunkelgrünen Buchläden auf den Seinemauern dicht nebeneinander. Die meisten sind um diese Jahreszeit mit einem Vorhängeschloss gesichert. Einige sind hochgeklappt und es stehen Bücher eingefasst in Plastikfolien zum Verkauf bereit. Hier kann man alles Mögliche kaufen, große Werke von Philosophen wechseln sich mit Comics oder kitschigen Postkarten ab. Besonders beliebte Sujets sind der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud, der The Doors Sänger Jim Morrison, der nicht weit von hier auf dem Friedhof Pére Lachaise vor sich hinmodert, und der Revolutionär Che Guevara. All die Großen, die bis heute verehrt werden, aber selber auch nur ein beschissenes Leben hatten. Ein weiteres beliebtes Motiv sind Schwarz-Weiß-Fotos von Jean Paul Belmondo und Jean Seberg im Film À bout de souffle.

´Ich werde immer etwas melancholisch, wenn ich so alte Filmaufnahmen sehe. Man hat das Gefühl, dass man etwas verpasst hat, bei etwas Wichtigem nicht dabei war. Wie wenn man mit einer Gruppe von Freunden auf eine Reise geht, die alle zusammen aufgewachsen sind, und man ist der Einzige, der später dazu gestoßen ist. Man kennt nicht die ganze Geschichte. Man hat das Gefühl, nicht voll integriert zu sein. Die selben Gefühle weckt eine alte CD mit Musik, die mit melancholischen Erinnerungen verbunden ist, von einer vergangenen schönen Zeit. Obwohl man sie zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht als schön empfunden hat. Man empfindet trotzdem ein trauriges Gefühl in der Magengegend, vermutlich ist es Sehnsucht. Ein Gefühl, das ich kriege, wenn ich etwas nachträume, das ich begehre. Und wenn man es hat, dann merkt man, dass die Erfüllung nichts wert ist, dass die Sehnsucht weitaus schöner war. Wenn man einen Traum erfüllt, zerstört man dieses Gefühl. Es sollte nicht heißen ´sich einen Traum erfüllen´, sondern ´sich einen Traum zerstören´´, denkt er.

Ein Foto spricht ihn ganz besonders an. Es ist Albert Einstein, der nachdenklich in seinem Arbeitszimmer hinter einem Pult posiert. Auf der Postkarte steht: Do not worry about your difficulties in mathematics; I can assure you that mine are still greater.

´Ja, das ist allerdings wahr, zumal er kein Mathematiker sondern Physiker war´, denkt er.

Einstein hat nicht nur bahnbrechende Entdeckungen gemacht, sondern auch bahnbrechend versagt. Geboren 1879 in Ulm,