Internetbuch Steintreppen

 

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Für alle die nicht mehr suchen möchten

Steintreppen hoch. Für ältere Besucher wäre es eine kleine Wanderung.

´Das ist ein recht nobler Friedhof. Mehr oder weniger alle diese Leute hier haben versucht, etwas aus ihrem Leben zu machen. Natürlich vermodern sie nun trotzdem. Viele sahen ihren Lebenssinn von Gott vorgegeben und glaubten an irgendeine Form der Reinkarnation.

Meiner Meinung nach ist die Religion eine der größten Menschheitslügen. Jetzt liegen alle Schäfchen vermodert in ihren Boxen und wurden ihr ganzes Leben von einer fixen Idee getäuscht. Weil sie sich nie einzugestehen trauten, dass das Leben keinen Sinn hat, mussten sie sich ein Fantasiegebilde aufbauen. Sie können nicht mit der Wahrheit leben, müssen sie verdrängen. Sie schieben die Verantwortung der Sinnfrage lieber an etwas Höheres ab. Sie wollen sich zurücklehnen können und denken: Gott weiß schon was abgeht, er regelt das schon. Doch leider sind wir frei und müssen selbst Verantwortung übernehmen. Wir haben nur dieses beschissene Leben, danach ist fertig.

Fakt ist, dass das Leben überhaupt keinen Sinn hat. Es ist leider so, man wird geboren, wird älter, und krepiert schlussendlich. Die Würmer schätzen das sehr.

Die Erhaltung der Art oder die Weiterentwicklung der Gene vorantreiben? Wozu? Man selbst ist dann ja schon längst vermodert. Und was bringt es überhaupt, wenn wir uns noch weiter entwickeln und wir uns noch mehr von jeglicher Daseinsberechtigung entfernen? Der Mensch ist bereits zu weit entwickelt. Das Bewusstsein um seine Existenz, ist genau sein Verhängnis. Er hat hier nichts mehr verloren. Er braucht einen Sinn zum Überleben, den es unserem hohen Status entsprechend überhaupt nicht mehr gibt. Und er lenkt sich von der Langeweile ab, indem er sich selbst und seine Umwelt zerstört.

Und nun, ist diese Wahrheit über die Sinnlosigkeit so tragisch? Rechtfertigt die Angst davor wirklich, irgendwelche Abenteuergeschichten zu erfinden, um sie zu verdrängen?

Oder ist es gerade das, was dem Leben einen Sinn gibt?

Der Sinn des Lebens besteht darin, die monotone Sinnlosigkeit zu verdrängen.

Möglichkeiten gibt es viele: Drogen, Liebe, Faszination, Arbeit, Partys, Sex, Familie und natürlich Religion. Falls man die Sinnlosigkeit verdrängt, so kann das Leben recht erträglich, manchmal sogar schön sein´, denkt er.

Das Grab von Oscar Wilde ist kaum zu übersehen. Es ist mit hunderten von Lippenstiftabdrücken übersäht. Viele davon sind noch feucht. Unten rechts steht in roter Farbe YOU ARE MY STAR. Sonst scheint der Grabstein einen riesigen Betonklotz darzustellen. Ein steinerner Engel mit Hindukopf, riesen Flügeln und einem Schwanz zwischen den Beinen ist in die Vorderseite vom Klotz eingemeißelt.

Unten am Grabstein steht auf einem Schild Please do not touch mit der Jahreszahl 2001. Das Grab musste schon öfters renoviert werden.

´Der war doch bekannt für seine Homosexualität? Wieso zur Hölle stehen denn die Frauen so auf ihn? Die begehren doch immer das, was sie nicht kriegen und verlieren das Interesse ganz schnell, wenn sie was haben könnten. Sie knutschen mit einem Grabstein herum und lassen mich dafür links liegen. Blast mir gefälligst auch mal eins! Werden sie etwa wegen Oscars Gedichten so feucht? Ich muss mich mal etwas eingehender mit ihm befassen. Vielleicht lässt sich da für mich ein Stück abschneiden´, denkt er.

Die Leiche im Grab, das er als letztes aufsucht, hat zu Lebzeiten auch reichlich rumgevögelt. Edit Piaf, die es von der Prostituierten zur Nationalsängerin oder sogar Volksheldin gebracht hat. Auch eine Außenseiterin, wie eigentlich fast alle bedeutenden Personen in der Geschichte.

´Ach, eigentlich haben wir eh alle einen Schaden´, denkt er.

Auf ihrem Grab ist Famille Gassion-Piaf eingraviert. Das muss sie sein. Viele Blumen liegen chaotisch um ihr Grab zerstreut. Auf einer Vase stehen ihre Initialen EP.

Ein Typ vor ihrem Grab kommt ihm bekannt vor. Den hat er auch schon beim Grab von Jim Morrison rumstehen sehen. Er tauft ihn Die Mütze. Gut zwanzig, Jack Daniels T-Shirt, braune Hosen, mit einer schwarzen Arbeitermütze, wie sie Anfang des letzten Jahrhunderts üblich war. Der Rest ist völlig uninteressant, er begegnet der Sau eh nie wieder.

Ich hatte mich durch meinen Rückzug aus der Klasse genau in die Position gebracht, in der ich bewusst sein wollte. Mein Unterbewusstsein war da vermutlich ganz anderer Meinung. Es sah wohl einen Widerspruch zwischen dem menschlichen Sozialbedürfnis, das offenbar jeder mehr oder minder hat, und meinem Verhalten. Das war für das Unterbewusstsein ein innerer Widerspruch, den es mir mit diversen Fehlverhalten klar machen wollte: Alles-Viermal-machen-Tick, Selbstschlagen … eigentlich waren das nicht nur unbewusst, sondern ganz bewusst die miesesten Jahre meines Lebens.

Nichts konnte meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden, ich fühlte mich überall scheiße, sozial völlig zurückgeblieben, dumm, minderwertig, zu schlecht für die Schule, hatte keine Meinung oder ich getraute mich nicht sie zu äußern, konnte keine Gefühle ausdrücken, war extrem scheu und ich hatte nicht den Hauch einer Hoffnung, je eine Freundin zu haben. Und ich hatte immer Angst, eigentlich vor allen Lehrern, weil sie die Macht hatten, mich vor der Klasse bloß zu stellen, vor Sprachen, vor dem Aufge-rufenwerden in der Klasse, vor Mädchen und so weiter und so fort. So einer wie ich braucht dringendst Schläge.

Jeder 67ste Mann und jede 143ste Frau beendet ihr Leben mit Selbstmord. Die Schweiz war Deutschland in der Vergangenheit diesbezüglich immer eine Nasenlänge voraus. Die Suizidversuchsrate ist schätzungsweise 10-15mal höher als die Suizidrate. Frauen haben eine hohe Suizidversuchsrate, Männer dafür eine höhere Suizidrate.

Die Wissenschaft unterscheidet zwischen der Suizididee, dem Suizidversuch und schließlich dem geglückten Suizid. Ein Suizidversuch lässt sich wie folgt definieren: Ein selbst-initiiertes, gewolltes Verhalten eines Patienten, der sich verletzt oder eine Substanz in einer Menge nimmt, die die therapeutische Dosis oder ein gewöhnliches Konsumniveau übersteigt und von welcher er glaubt, sie sei pharmakologisch wirksam.

Der Suizidversuch kann durch drei verschiedene Motive begründet werden:

  1. Parasuizidale Pause mit dem Motiv der Zäsur

  2. Parasuizidale Geste mit dem Motiv des Appells

  3. Parasuizidale Handlung mit dem Motiv der Autoaggression

Bei (a) will man nur abschalten, schlafen und in Ruhe gelassen werden, ohne dass man den Wunsch zu sterben für sich formulieren würde.

Bei (b) steht der Appell an den Mitmenschen im Vordergrund. Der Suizidversuch wird so ausgeführt, dass derjenige, an den der Appell gerichtet ist, einen findet. Zudem führt man ihn so aus, dass man mit höchster Wahrscheinlichkeit auch wirklich noch rechtzeitig gefunden wird.

Bei (c) will man eindeutig sterben und ins Gras beißen.

Simulanten können leicht entlarvt werden. So lässt sich die Ernsthaftigkeit eines Selbstmordes mit drei Kriterien identifizieren. (i) Der Suizidintention, das heißt wie ausgeprägt der Wunsch zu sterben ist, (ii) dem Suizidarrangement, das heißt, inwieweit der Betreffende ein Auffinden seiner Person nach erfolgtem Suizidversuch möglich oder unmöglich macht und schließlich (iii) der Suizidmethode, das heißt, ob sie weich ist wie mit Tabletten, Drogeneinnahme, oberflächliches Ritzen am Handgelenk, oder ob sie hart ist wie Erschießen, Erhängen oder Einnahme einer sehr giftigen Substanz.

´Ist das nicht witzig? Und am amüsantesten ist, dass es scheiß egal ist, ob sich jemand die Birne wegpustet, sich unter den Zug wirft oder in die Luft fliegt. Denn es ist seine eigene Entscheidung und einen Sinn, hier zu bleiben, gibt es nun wirklich nicht´, denkt er.

Ich begann ein eingehendes Studium zum Thema Selbstmord. Wahrscheinlich Selbstmord im Sinne einer parasuizidalen Geste mit dem Motiv des Appells. Da gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten. Um Selbstmord im Sinne eines Appells zu begehen, verlangt das Unterbewusstsein eine Methode, die möglichst nach Selbsttötung aussieht. Das Timing für das Auffinden und die Handlung selbst muss dabei äußert sorgfältig geplant werden, sonst könnte man sterben. Der Hilfeschrei an die Angehörigen, ´Mir geht es scheiße´ soll schließlich auch ankommen, und nicht, ´Mir ging es scheiße´! Es scheint eine weiche Methode dafür geeignet zu sein: Sich die Pulsadern aufschneiden (in Querrichtung), eine Überdosis Schlaftabletten einnehmen und die Schachtel gut sichtbar deponieren, eine Vergiftung im Auto mit dem Staubsaugerschlauch (dabei aus Versehen mit dem Kopf auf der Autohupe einschlafen), nichts mehr essen oder in einen Fluss springen. Kreativeren Köpfen stehen weitere Möglichkeiten zur Verfügung: Einen Palstek anstelle eines Henkerknotens in den Strick knüpfen, der zieht sich bekanntlich nicht zusammen. Oder man befasst sich intensiv mit dem Energieabbau der Knautschzone des elterlichen Autos und fährt dann mit untersetzter Geschwindigkeit in eine Mauer. Weiter könnte man sich zu Tode saufen.

Methoden für den Selbstmord mit dem Motiv der Autoaggression müssen da schon etwas ausgeklügelter und härter sein. Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als nach einem völlig verpfuschten Leben auch noch beim Selbstmord zu versagen. Wie mies muss man sich fühlen, wenn man nicht mal das auf die Reihe kriegt? Zu den populärsten dieser Gattung gehört das Erschießen, sich mit Sprengstoff in die Luft jagen (man achte auf eine hohe Brisanz), sich den goldenen Schuss geben, sich erhängen, diesmal mit dem richtigen Knoten, nochmals die Pulsadern aufschneiden, diesmal aber in Längsrichtung oder sich nochmals mit einer Überdosis vergiften, aber diesmal nicht mit harmlosen Schlaftabletten. Auch hier gibt es wieder die kreativeren Ansätze: Betonklotz an die Füße und vom Schiff springen, sich freiwillig zum Krieg melden, in einen Schmelzofen springen, einen Berufskiller auf sich ansetzen oder sich mit Aids infizieren.

Ich habe schlussendlich keine dieser Methoden ausprobiert. Es blieb nur beim Gedankenspiel, bei der banalen Suizididee, ich feige Sau. Mir ging es wohl zu gut!

Ich fand schließlich eine andere Flucht. Ich wollte meine Minderwertigkeit kompensieren. Ich wollte auf einem Gebiet unschlagbar, allen überlegen sein und berühmt werden.

RUE STAINT-DENISE

Nach dieser kulturellen Zwischenphase will er bumsen. Egal was ihm vor die Gurke läuft. Den Versuch eine Unprofessionelle abzuschleppen, hat er längst aufgegeben. Nun ja, eigentlich hat er es nie wirklich versucht. Er ist sogar dann unfähig, wenn offensichtliche Flirtsignale von einer Frau ausgehen. Meist ist er so überfordert von der Situation, dass er wie gelähmt ist und nicht reagieren kann.

´Zum Glück gibt es Prostituierte: Schnell, nicht allzu persönlich und danach gleich wieder tschüss. Ohne das ganze Drumherum. Die meisten Frauen sind nicht wirklich günstiger als Nutten. Was die alles bezahlt haben wollen, bis sie sich flach legen und die Beine spreizen, ist doch horrend, sagt man … Das Extrem sind junge Tussis, die mit einem alten und natürlich reichen Sack zusammen sind. Das sind auch nur Nutten, die des Geldes wegen poppen´, denkt er.

Er ist über mögliche Nuttenlokalitäten bestens informiert. Beim letzten Sprachaufenthalt in Paris zählte die Lehrerin einige Orte auf. Er wusste nicht mehr, wie sie auf das Thema kam. Er fand es einfach nur höchst interessant. Er war plötzlich ganz hellhörig geworden, hatte seine ganze Konzentration auf die Worte der Lehrerin gerichtet und setzte dazu eine möglichst desinteressierte Mine auf.

´Sag es ganz genau, mit Orten, Service, Stellungen etc.´, dachte er. Dabei schaute er abwesend zum Fenster raus.

Also, irgendwo im Norden, da liegt der Drogenstrich. Dann wird im westlich von Paris liegenden Park Bois de Boulogne kräftig Umsatz betrieben. Der Straßenverkehr nahm als Folge in diesem Park dermaßen zu, dass am Abend gewisse Straßen gesperrt werden. Weiter wollen die Pariser im Osten auch poppen, das wird ihnen im Park Bois de Vincennes angeboten. Und schließlich hat nicht jeder ein Auto, deshalb wurde auf die Nachfrage mit weiteren Prostituierten in der Rue Saint-Denise und bei der Nation reagiert.

´Danke, danke, danke, für die Gratis-Tipps!´, dachte er und schüttelte dazu verachtend den Kopf.

Er möchte seine Samenspende in der Rue Saint-Denise abgeben. Mit der Métro 3 gelangt er direkt zur Station Strasbourg-Saint-Denis, eine der gefährlichsten Stationen in ganz Paris. Es dämmert gerade. Am nördlichen Ende der Rue Saint-Denis ist von Prostituierten keine Spur.

´Verdammte Scheiße!´, denkt er.

Er folgt der Straße nach Süden. Nach einem knappen Kilometer tauchen doch noch die ersten roten Schilder auf, ab und zu steht auch eine Nutte rum. Hätte er die Wahl, eine von diesen zu bumsen oder zu erbrechen, würde er mit Vergnügen die zweite Variante wählen.

´Verdammt, das muss ein Irrtum sein. Wo ist die versteckte Kamera? Die verlangen doch wohl nicht noch Geld dafür? Die müssten mich bezahlen, damit sie mir einen blasen dürfen!´, denkt er.

Nach einigen hundert Metern ist die Straße bei Châtelet zu Ende.

´Shit, wahrscheinlich ist es einfach noch zu hell. Die Pariser können doch nicht im Ernst nur mit diesen Frauen ficken, die wären doch schon längst alle frigide´, denkt er.

Er entschließt sich, einen Abstecher in einen nahe gelegenen McDonalds zu machen. In der Rue Berger zieht er sich ein anonymes Big Mac Menü rein.

Frisch gestärkt und mit neuer Fick-Hoffnung erfüllt, verschiebt er sich nordwärts in der Nuttenstraße. Es ist immer noch nicht richtig dunkel, und ein bisschen Mut muss er sich auch noch antrinken. An der Kreuzung Rue Saint-Denise und Rue de Turbigo entdeckt er das Frogspub. Kein Türsteher, die Musik scheint nicht übel zu sein, das Preisniveau ist auf ihn abgestimmt, ein paar Besoffene grölen rum und vor allem hat es eine Bar in der Ecke, wo er hoffentlich unauffällig etwas trinken kann.

Er betritt den Laden. Das Grölen kommt von einem halben duzend besoffener und natürlich übergewichtigen Engländerinnen, die mitten auf dem Weg zur Bar rumhopsen.

Zögernd bewegt er sich Richtung Bar. Die allerfetteste von ihnen hat ihn im Visier.

´Jetzt bloß keine Annäherung, verdammt! Lass mich einfach nur unbemerkt zur Bar!´, denkt er.

Sie schneidet ihm den Weg ab, das heißt, das bisschen Weg das neben ihr noch Platz hätte. Er ist natürlich überfordert von der Situation, lächelt ihr zu, aber läuft dabei weiter. Sie geht einige Schritte mit ihm, versucht ihn in das Rumgehopse zu integrieren. Er behält sein Lächeln auf, schaut ihr kurz in die Augen und schüttelt den Kopf.

No, sorry“, sagt er.

Endlich, sie lässt ihn in Ruhe, und er geht hinter der Bar in Deckung.

´Ach du Scheiße, was sollte das denn eben? Was will ich denn von so einer fetten Tussi? Ich meine, wie kann man sich körperlich so gehen lassen? Ein paar Extrapfunde, das geht ja noch, aber ab 20 Kilo Übergewicht kommt bei mir eine Abneigung hoch. Die ganze Zeit jammern sie von nicht abnehmen können. Dann friss doch einfach nichts, ist das denn so schwierig? Ich fresse in den Ferien auch selten was. Oder wenn du schon fressen musst, dann geh halt jeden Tag joggen! So einfach ist das´, denkt er.

In der Ecke sind zwei Barhocker frei. Er wählt den äußeren, dann kann höchstens zu seiner Rechten jemand Platz nehmen, und er würde sich in diesem Fall in die andere Richtung abwenden. Der Barkeeper bringt ihm ein Bier. Nach der Bezahlung macht er sich wieder aus dem Staub. Er scheint beschäftigt zu sein und nicht groß Zeit für ein Schwätzchen zu haben.

´Ein verdammt guter Barkeeper!´, denkt er.

Er nippelt an seinem Bier und geht dabei noch einmal seine Finanzen im Kopf durch und wie genau er es besorgt haben möchte.

Die Entstehung von informellen Gruppen ist durch vier Ursprungsfaktoren motiviert: (a) einen gemeinsamen Gegner, (b) eine gemeinsame Not, (c) einen gemeinsamen Vorteil oder (d) gemeinsame Freude. Die Anzahl Gruppenmitglieder liegt zwischen 3 bis 60 Menschen. Allen Mitgliedern einer Gruppe ist eigen, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dadurch entsteht ein Wir-Gefühl, und noch schlimmer, ein Die-Gefühl gegenüber anderen Menschen oder Gruppen. Die Gruppenmitglieder unterliegen zudem einer gefühlsmäßigen Wechselbeziehung untereinander. Innerhalb der Gruppe sind folgende Prozesse zu beobachten:

Rangfolge: Die Gruppenmitglieder nehmen einen gewissen Rangplatz innerhalb der Gruppe ein. Dieser ist einerseits von der vollbrachten Leistung zur Erreichung der Gruppenziele, anderseits vom Beliebtheitsgrad abhängig. Die oberste Position besitzt der Gruppenführer.

Soziale Rollen: Unter einer sozialen Rolle wird die Summe der von der Umwelt erwarteten Verhaltensweisen von einem Individuum in einer bestimmten Position verstanden. Sie legt fest, was der Rollenträger tun muss, was er nicht tun darf und was er tun kann. Dabei können Rollenkonflikte entstehen, also ein Mitglied unterliegt verschiedenen Rollen mit widersprüchlichen Anforderungen.

Soziale Normen: Die Gruppennorm ist ein Standard oder eine von allen Gruppenmitgliedern geteilte Verhaltenserwartung. Normbrecher werden mit Sanktion bestraft. Diese läuft über mehrere Stufen ab: Zurechtweisung, Kontaktentzug, Lächerlichmachen, Bedrohung und Entzug jeglicher Sympathie bis hin zum Angriff und Gruppenausschluss.

Konvergenzphänomen: Dies bezeichnet eine Vereinheitlichung der Meinungsbildung in der Gruppe oder zumindest eine Abnahme der Streuung der Standpunkte. Dies ist damit erklärbar, dass Menschen der gleichen Gruppe auch ähnlich denken und handeln.

Gruppenzerfall: Zur Auflösung der Gruppe können zum Beispiel gruppeninterne Konflikte oder veränderte Gruppenwerte oder -normen führen.

Was er besonders an Gruppen hasst, ist, dass Gruppenmitglieder durch die Gruppe getragen zu Handlungen bereit sind, von denen sie sich als Individuen distanzieren würden. Menschen in Gruppen können sich somit völlig anders verhalten als alleine. Sie sind quasi nicht mehr sie selbst. Zudem findet er das Konvergenzphänomen zum Kotzen. Diese verdammte Beeinflussbarkeit des Verhaltens und der Meinung sowie der Individualität.

´Was mag der Entstehungsgrund der besoffenen Engländergruppe da drüben sein? Vermutlich gemeinsame Freude, der Urlaub. Die fette Nudel scheint eine führende Position einzunehmen, mit der Rolle sich betrinken zu müssen. Vermutlich ist das die Rolle jedes Gruppenmitglieds. Die Verhaltensnorm verlangt das hemmungslose Rumbrüllen in einem möglichst besoffenen Zustand. Und Konvergenz in der Gruppe scheint darüber zu bestehen, dass man sich heute bis zum Umfallen besäuft´, denkt er.

Gegenüber an der Bar sitzen zwei junge Frauen, ungefähr in seinem Alter. Sie nippen an einem Drink und haben geile Nippel. Die eine ist nicht schlecht, er wird in der nächsten halben Stunde