Internetbuch und versucht

 

Willkommen bei unserer neuesten Idee, einem kostenlosen Buch, dessen Teile ihr zu einem Ganzen zusammenfügen könnt.

Wahrscheinlich bist du ganz zufällig hier gelandet, oder doch nicht? Oder du bist an der falschen Stelle oder was auch immer.

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Für alle die nicht mehr suchen möchten

und versucht, Traumbilder ganz bewusst malerisch umzusetzen, entscheidend herauszögern.

Salvador wurde 1904 in Figueras, Spanien geboren. Bereits ab zehn Jahren bekam er Zeichenunterricht. Schließlich ging er in Madrid an die Kunstakademie, wo er aber bald ausgeschlossen wurde. Dali empfand die Qualifikation der Prüfer als ungenügend um ihn zu prüfen. Dafür lernte er in Madrid Luis Bunuel kennen. Mit ihm drehte er den Film Ein andalusischer Hund, der 1929 in Paris privat uraufgeführt wurde. Breton war anwesend und begeistert und lobte das Werk als den ersten surrealistischen Film überhaupt. Dalis Popularität stieg weiter mit seinem Bild Das finstere Spiel. Natürlich war Dali durchgeknallt, hysterisch und verweigerte vor seinem Tod die Nahrungsaufnahme, da er dachte, er sei unsterblich. Gala, seine Frau, hatte daher auch viel Therapiearbeit zu verrichten. Dali wurde im Anschluss vor allem im Asyl in den USA weltbekannt und verdiente genügend Geld, womit er unabhängig arbeiten konnte. Er lebte abwechslungsweise in Figueras, Paris und New York. Seit 1989, nach Herzversagen, wird er intensiv in einem Sarg zersetzt. Seine Bilder gehören heute zu den berühmtesten des Surrealismus. Und einige der bekanntesten hängen beim Place du Tertre um die Ecke, 11 Rue Poulbot, geöffnet ab elf Uhr.

Er betritt das Museum. Die Räume sind dunkel und düster. Kleine Lampen auf halber Raumhöhe beleuchten die Bilder, Plastiken und Skulpturen. Der Boden wird durch große Risse durchzogen, ein rosa Sofa steht herum sowie einige Lampen und alles wird durch Lautsprecher mit der Stimme Salvador Dalis hinterlegt. Ein Seitenflügel ähnelt einer Kapelle. Auf einer Kirchbank nimmt er Platz und betrachtet eine große Leinwand mit Filmausschnitten von Dali, die am anderen Ende vom Kirchenflügel steht. Auf halber Länge zur Leinwand neigt sich eine steinerne Nonnenskulptur mit dem Kopf gegen die Steinwand. Der Hauptdarsteller im Film ist ein Schwein und Dali hält irgendwelche Reden.

Er schaut sich den Film fünfmal an, die Besucher neben ihm auf der Kirchbank wechseln alle fünf Minuten. Der Film und Ort fesseln ihn. Dies ist ein idealer Ort, um seinem Unterbewusstsein freien Lauf zu lassen, ohne Verstand, Hemmungen, Angstfilter.

´Sollte es nicht immer das Ziel sein, dem Unterbewusstsein freien Lauf zu lassen? Nur dann ist man mit sich im Reinen und glücklich. Dazu gibt es Trance, die Musik, die sofort ins Unterbewusstsein geht, sich die Hemmungen vergessen lässt und einen sofort glücklich macht. In den Musikvideos spielen sie damit, Tänzerinnen tanzen wie im Rauschzustand. Oder Drogen sind ein weiteres gutes Mittel, um direkten Zugang zum Unterbewusstsein zu finden. Sogenannte Genies und Verrückte finden den Zugang zum Unterbewusstsein. Sie können die 98 Prozent der aufgenommenen Information, die das Unterbewusstsein erreichen, anzapfen, und müssen nicht nur mit den lächerlichen 2 Prozent auskommen, die bei Normalsterblichen das Bewusstsein erreichen. In jedem Menschen lauert das Genie, er muss nur den Zugang zum unerschöpflichen Potenzial im Unterbewusstsein finden. Geniale Einfälle sind Zwischenbemerkungen des Unterbewusstseins. Überschreiten aber Genies die Barriere zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein zu lange oder wenn sie die Hemmungsfilter verlieren, dann geht das Moralsystem zusätzlich verloren. Sie werden als verrückt eingestuft. Manchmal sehe ich auch den Umriss des Wahnsinns´, denkt er.

Er steht auf und geht durch den Raum, von links nach rechts, betrachtet die Bilder betrachtenden Leute. Das Verhalten der Leute trägt für ihn mindestens so viel zur Kunst bei wie die Kunstwerke selber. Er betrachtet die Bilderrahmen, die Risse am Boden, die kahlen schwarzen Stellen an der Wand neben den Bildern, seine Schuhe. Das ganze Ambiente vermittelt ein Gefühl von Ungezwungenheit.

Ein ähnliches Gefühl hatte ich in der Fastnacht 2001. Fastnacht ist das Ereignis im Jahr, wo es in der Schweiz gesellschaftlich toleriert ist, total besoffen zu sein. Das habe ich in diesem Jahr besonders intensiv genutzt. Ich hatte in der Fastnachtswoche mehr oder weniger am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag grobe Abstürze. Mein Kostüm bestand aus einem dämlichen Straßenkleid mit blonder Perücke und schwarzer Sonnenbrille. Am Sonntag war eine Art Höhepunkt mit einer Straßenparade in meinem Dorf, wo wir mit der Musik auf einem Wagen mitfuhren. Ich entschied mich, an diesem Tag nichts zu trinken und am Abend frühzeitig auf Zürich zurückzureisen, um seriös den Stoff vom Studium nachzuarbeiten. Es kam jedoch anders.

Während dem ganzen Umzug habe ich nichts Alkoholisches getrunken. Nach dem Umzug traf man sich in der Mehrzweckhalle, um zu saufen. Meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angelangt, aber irgendwie habe ich mich halt dann doch zu ein paar Kollegen gesetzt und ein Bierchen getrunken. Und, ach wie wunderbar, nach dem dritten Bier war ich wieder voll in Fahrt, dem Restalkohol der Vortage sei dank.

Da kam so ein Girl in die Merzweckhalle reingeschneit, die scheinbar alle meine Kollegen kannten, nur ich hatte sie noch nie gesehen. Sie gefiel mir wirklich sehr. Wie es meiner offenen und kommunikativen Art entsprach, habe ich natürlich den Anderen am Tisch sofort das Wort abgeschnitten und sie angesprochen. Ein paar dumme Sprüche und sie schien von meinen hochstehenden Informationen gar nicht so angewidert zu sein. Irgendwie ging sie dann wieder, da es keinen freien Platz in unserer Saufrunde gab. Dafür kam das nächste Bier.

Später traf ich sie zufälligerweise wieder, irgendwo in einer Bar. Wieder haben wir ein bisschen kommuniziert, sie schien mich noch zu kennen. Dies geschah nebenbei, mit Leichtigkeit, ohne große Absichten meinerseits. Und dann habe ich ihr so ganz nebenbei meine Sonnenbrille in ihre Haare gesteckt. Ein brillanter Schachzug, so im Nachhinein analysiert. Und das ohne irgendwelche bewussten Absichten, einfach natürlich, unbewusst. Sie huschte wieder davon, ich war nun aber der Gewissheit, dass ich sie wiedersehen würde. Sie kam dann auch wieder, es musste wohl schon irgendwie ein Uhr nachts gewesen sein. Sie ließ sich einen Drink von mir bezahlen. Doch nach einiger Zeit stieß ihre Schwester dazu und wollte sie nach Hause mitnehmen. Da sagte sie einen komischen Satz zu ihrer Schwester: „Danke, ich bleibe noch, ich laufe dann nach Hause.“

Bei mir gingen die Alarmglocken an.

´Was, Moment mal, sie bleibt noch etwas länger? Sie wohnt mindestens 15 Kilometer entfernt, drei Stunden Fußmarsch bei Minustemperaturen? Hat sie eventuell Interesse an mir?´, dachte ich.

Um den Restzweifel auszuschließen, wechselte ich die Bar. Sie kam tatsächlich mit und wir tranken weiter.

´Irgendetwas scheint sie an mich zu binden. Verdammt, jetzt wird’s also ernst. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet, ich wollte doch eigentlich nüchtern nach Zürich zurückfahren. Was macht man nun bloß in so einer Situation?´, dachte ich.

Ich steckte ihr also mal die Zunge rein, nachdem sie mir mit circa 20 offensichtlichen Signalen gezeigt hatte, dass sie davon nicht abgeneigt wäre. Dann fummelte ich ihr ein bisschen zwischen den Beinen rum. Das schien ihr auch zu entsprechen. So weit so gut, aber ich bin ja nie zufrieden. Was können wir sonst noch so anstellen? Wir saßen dummerweise in eine Bar, das könnte jemandem auffallen, wenn ich sie hier gleich auf dem Bartisch nagle. So kam mir die brillante Idee, sie mit nach draußen mitzunehmen. Auch das klappte, trotz Schnee und circa minus 2 Grad Celsius.

´Ich glaube, die hat in der Tat Interesse? Vielleicht sollten wir in die Kirche, da ist es etwas wärmer´, dachte ich.

Eh, bist du extrem religiös?“, sagte ich, während wir uns der Kirche näherten.

Es geht so.“

´Verdammt, die Frau ist total crazy, wie ich, cool!´, dachte ich.

Leider war die Kirchentüre verschlossen.

´Verdammt, da würde man die Kirche einmal im Leben brauchen … Also doch Plan B, irgendwo draußen´, dachte ich.

Wir landeten schließlich vor meinem alten Kindergarten, ebenfalls vor verschlossenem Eingang. Aber draußen hatte es ein paar Tischgarnituren. Da wollte ich sie besteigen und holte meinen Charly raus, und sie zog schon mal ihr Höschen runter. Ich hatte bei den Minustemperaturen einen totalen Schüttelanfall, so verdammt kalt war es. Sie war ganz erschrocken.

Ach, du zitterst ja, hast Du kalt?“

Nee … nee, neeeeee … das geht schon.“

Zufälligerweise hatte ich einen Pariser zur Hand. Den versuchten wir mal zu montieren, zuerst ich mit Technik, dann sie mit Gewalt. Meine Pfeife war halb abgefroren und zudem von der mechanischen Beanspruchung der Pariser Montage demoliert. Ich steckte ihn mal rein, irgendwie. Nach einigen Stößen, von denen mein Charly nicht viel mitbekam, warf ich den Vorschlag in die Runde: „Weißt Du was, komm wir gehen wieder saufen.“

Wieder war sie einverstanden und wir gingen in die Bar zurück. Der Rest war Bier trinken, Nummern austauschen und so Sachen und schließlich Trennung. Sie fand doch noch eine Mitfahrgelegenheit.

Die ganze Sache zog sich dann noch einige Wochen hin. Die Geschichte endete schließlich so: Ich wollte was von ihr, war mir aber unsicher, also gingen wir mal ins Kino. Da machte ich irgendwie Schluss. Dann hatte ich doch wieder Interesse, rief sie wieder an. Erneutes Treffen mit Austausch von Zärtlichkeit, dann wollte ich doch wieder nicht. Schlussendlich wollte ich dann definitiv nicht. Aber irgendwie war die ganze Sache doch ermutigend.

´Da gibt es wirklich Individuen, die sind so crazy wie ich. Und zudem ließen sie sich von einem unfähigen Typen mit ein paar Sprüchen anmachen und sind bereit, sich von ihm ein paar Stunden nach dem Kennenlernen bei Minusgraden draußen penetrieren zu lassen. Vielleicht war ich doch nicht so unfähig und hässlich, wie ich immer dachte?´, dachte ich.

Der nächste Raum im Museum ist hell eingerichtet, mit einer Betondecke. Hier hängen die bekanntesten Bilder von Dali. Hinter einem Bürotisch mit Computer, Drucker etc. entdeckt er Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen.

Schon länger ist er auf der Suche nach dem absoluten Kunstobjekt. Ein Kunstobjekt, das beim Betrachter genau die Gefühle auslöst, die der Künstler einfangen wollte. Ganz egal ob Faszination, Liebe oder Trauer. Niemand wird das je erreichen. Es gibt nette Beispiele, die es zu 50 Prozent erreichen. Viel mehr wurde er aber noch nie beim Betrachten eines Kunstobjekts in die richtige Gefühlslage versetzt.

Er geht zurück in die düstere Umgebung, zurück zur Kirchenbank und schaut sich den Film nochmals an. Er nickt kurz ein. Durch eine Treppe gelangt er schließlich zurück zum Ausgang.

Die tiefe Bewunderung Bretons für Dalis Werk war übrigens kein Grund für Breton, sich Mitte der dreißiger Jahre nicht auch noch mit ihm zu verkrachen. Zum Bruch kam es hauptsächlich durch ein umstrittenes Leningemälde, sowie einem Hakenkreuz auf einem weiteren Bild Dalis. Bei einem internen Prozess am 5. Februar 1934 wollte Breton Dali aus dem Zirkel der Surrealisten ausschließen. Natürlich zog sich Dali während des Prozesses aus, wer hätte das nicht getan, und forderte von Breton ironischerweise eine Liste von den Dingen, die nun doch nicht „jenseits jeder ästhetischen oder ethischen Überlegung“ lagen und er nicht zeichnen darf. Durch die Szene lächerlich gemacht, konnte Breton Dali nicht aus dem Zirkel der Surrealisten ausschließen, jedoch war das der endgültige Bruch ihrer Freundschaft.

LATIN

Vom Dali Museum bewegt er sich Richtung Norden der Rue Poulbot entlang, um nicht auf das Touristenchaos Place du Tertre zurückkehren zu müssen. Er durchquert dabei die Rue Norvins und die Rue des Saules, wo er Straßenkünstlern begegnet und schließlich an einem kleinen Weinberg ankommt.

Er entscheidet sich, zur Abwechslung mit dem Bus zu fahren. Der Montmartro-Bus ist eine halbe Portion von dem, was man sich unter einem Bus vorstellt, aber er fährt dafür mit Elektropower durch die engen Gassen und verbindet Montmartre mit Pigalle. Somit können sich auch die etwas gehschwächeren Rentner vom Montmartre eine Tabledanceshow rein ziehen.

Er steigt an der Haltestelle Abreuvoir – Girardon in der Rue de L’Abreuvoir in den Bus ein. Sonst wird dieser Service von einer Oma genutzt. Weitere zwei, drei Nasen steigen ebenfalls für einige Stationen zu. Bei der Métro Station Pigalle hat er bereits genug von der Rumkurverei und entscheidet sich doch wieder für die asoziale Métro Linie 12.

In der Métro passiert gar nichts, keine Unterhaltung, total langweilig. Kein Straßenmusiker, keiner, der irgendwas rumbrüllt, keine geile Frau. Nichts, gar nichts Erwähnenswertes.

Bei Pyramides steigt er kurz für zwei Stationen auf die 2 um und wechselt bei Palais-Royal Musée du Louvre auf die 7.

´Vielleicht stürzt sich wenigstens hier jemand unter die Métro, als kleine Touristenunterhaltung´, denkt er.

Aber auch hier wird er bitter enttäuscht.

Manchmal denkt er, dass alles um ihn herum nur für ihn inszeniert ist. Um ihn etwas zu unterhalten und von der Sinnlosigkeit abzulenken.

´Die Welt wird ja wohl nicht wirklich so absurd sein, oder?´, denkt er.

Bei Jussieu ist schließlich Endstation für ihn.

Wenn er schon mal hier ist, will er die Faculté des Sciences besuchen, quasi eine Berufskrankheit. Überall wo er hinreist, schaut er sich die Unis an. Seine letzten Ferien in Kalifornien bestanden praktisch nur aus Unibesichtigungen, insgesamt sieben. Die hier ist klar in die Kategorie ´hässlich´ einzustufen. Monotone viereckige Klötze im sechziger Jahre Stil, etwas verwahrlost. Ab und zu mit roten Sprühereien No for the CPE bekleckert. Wieso der Künstler nicht in französischer Sprache sprayt, ist ihm ein Rätsel.

´Was haben denn die Amis damit zu tun?´, denkt er.

Das sind die Überbleibsel der Studentenunruhen, die mehrere Wochen angedauert haben. Soweit er die Franzosen im Fernsehen verstanden hat, hatte die Regierung ein Gesetz verabschiedet, welches die Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre eines Arbeitsvertrags für unter 26-jährige erleichtert. Und weil in Frankreich rund 27 Prozent der Bevölkerung studiert hat, konnten die Studenten in der Vergangenheit tatsächlich schon die eine oder andere Gesetzesabänderung durch ihre Streiks verhindern. Gegen die neue Bestimmung haben sie mehrere Monate demonstriert, schlussendlich mit Erfolg. Die ganze Streikerei könnte der Grund sein,