Rudolf Leder

Leder, Rudolf

Lebenslauf

1941 geboren in Rheinfelden AG, Gymnasium in Basel, Lehrerseminar und Logopädiestudium, tätig als Sonderschullehrer und Logopäde, Studium Klinische Psychologie und Heilpädagogik (Abschluss Dr. phil. I).

Aufbau zweier Beratungsdienste für behinderte Studierende in Zürich und in Dortmund. Vier Jahre Heilpädagogischer Berater in einem Sonderschulheim im Kanton Luzern und zwanzig Jahre Direktor an einer Sprachheilschule im Kanton Bern.

Seit 2006 im Ruhestand. Verheiratet, Vater zweier erwachsener Kinder, vier Enkelkinder.

 

Veröffentlichte Gedichte

Rudolf Leder: Lyr-Mix, Gedichte/Haikus, 138 Seiten, Herbert Utz Verlag, 2014

Gedichte in: Abendsegel S. 232-249, Literaturpodium Berlin, 2014

Auf der Halbinsel S. 143-148, Literaturpodium Berlin 2016

Im falschen Abteil S. 342-355, Literaturpodium Berlin 2017

Haikus in: Kastanienkerzen S. 143-152, Literaturpodium Berlin, 2013

Weitere Leseproben: http://www.e-stories.de/buecher-detail.phtml?id=512

 

Provisorisches Konzepts für einen Lyrikband „lyr-mixtur“ von Rudolf M. Leder

 

Die Bezeichnung „lyr–mixtur“ soll auf meine neue kunterbunte Gedichtsammlung hinweisen. Als Jungautor im fortgeschrittenen Alter gefällt es mir, mich in Gereimtem und Ungereimtem laufend zu erproben. Der Inhalt der Gedichte variiert je nach Gedichtform von beinahe leicht banal bis tiefgründig. Ich bezeichne sie, auch wenn sie metaphorischen Charakter aufweisen, als weitgehend bodenständig. Sie sind nicht eitel-intellektuell, wollen berühren, dabei aber nicht peinlich sein. Ich möchte die Leserschaft mit einer Prise Humor sowohl zum Lächeln als auch zum Nachdenken verführen.

Wie aus der Leseprobe ersichtlich, experimentiere ich mit verschiedenen Formen wie beispielsweise Sonett, Pantun, Haikus, Mundartgedichte, Prosagedichte. Als „Vorbild-Lyrik“ bezeichne ich Gedichte von anerkannten Dichtern, die ich in meine eigene Sprache „übersetzt“ habe.

Als studiertem Psychologen gelingt es mir, auch seelische Inhalte wie Trauer, Liebe, Schmerz lyrisch, aber nicht sentimental, zu bearbeiten und diese einfühlsam zu schildern. Die Freude an der Deutschen Sprache kommt bei mir (hoffentlich) spielerisch und variantenreich zum Ausdruck.

Die Gedichte wurden in der Zeit von 2013 bis 2017 geschrieben. Das Buch könnte ungefähr 100 bis 120 Seiten umfassen.

 

 

 

Leseprobe „lyr-mixtur“

 

gewitterangst (sonett)

aiolos sturm splittert jahrhundertbaum

thors donner dröhnt böllerschüssig

vernachteten himmel auf blitzgewitter

von zeus vertagt den schwarzen teich

verängstigt schutzlos schlotternd lieg ich

im graben alle viere von mir gestreckt

hilflos im platzregen unter eisgeschoss

erwarte das abklingen der götterwut

vor göttergetöse und todesangst

sich mein seelenhorizont verschwärzt

den blitzen knapp entronnen ahn ich

die unheilviper die sich in mich verbeisst

mich in eisige schockstarre versetzt

einziges gegengift bleibt die hoffnung

 

 

waldsterben

rabenschwarz die erde

entlaubt ein nackter baum

dampfend der humus

die luft weint tränenlos

kein rabe dem wald

ein trauerlied krächzt

kein reh das unheil überlebt

kein phönix entsteigt

 

 

unter dem lindenbaum

auf der hügelkuppe

lockt ein illustrer

zartgrüner lindenbaum

mit schattendach

zum erholsam verweilen

mit panorama sicht

der stamm umfangreich

wie sechs männer

verlinkt im ringelreihn

macho der an dessen

rinde lehnt ist beeindruckt

spürt die kraft der rauheit

auf grasgrüner bank

hinter dem baum

träumt ein liebespaar vom

brunnen vor dem tore …“

on the top of europe

auf dem jungfraujoch

 

unsicher auf füssen

höhendruck im ohr

schneller puls und

grosse erwartungen

 

als zwerg stehe ich

geblendet vor dir

jungfrau erscheinst

majestätisch

 

on the top of europe

auf jungfraujoch

begrüssen mich dohlen

die schwarzen bettler

 

kontrastieren

zum schneeweiss

bringen panorama

mit leben zur geltung

 

husky-blau-weisse

rund- und weitsicht

verschlägt sprache

in alpiner harmonie

 

viel tausendjährige

eiger und mönch

umarmen jungfrau

männer sind eifersüchtig

 

können blick von dir

nicht lassen verewigen

dich mit frauen im bild

dunkelhäutige begeistert

 

von weisskalten kristallen

erfahren schnee

hautnah und strahlen

von eisroben entzückt

 

jungfrau wärmt herzen

abschied fällt schwer

blick von dir du schöne

kann ich kaum lösen

 

jodeln

 

bodenständige mannen

hände in hosentaschen

ernsthaft die mienen

freundschaftlich verbunden

jodeln aus urseelengrund

urchige töne aus rauchiger

kehle die gesungenen

gebete als gottes lob ohne

instrumente verkünden

naturliebe und ehre den

liebsten mit jodelliedern

 

die sennen bewirtschaften

steile karge wiesen

bestossen die alpweiden

leben mit frau und kind

äusserst bescheiden

von milch und käse

mit herrlicher bergsicht

 

von wind und wetter

gefurchte gesichter

abends den alpsegen

über berg und tal

verbreiten andächtig

ihr christliches leben

im feierlichen jodel

melancholisch vertonen

begeistern gott und die

zuhörer aus dem tal

 

drogist

hast du fieber schnupfenhusten oder weh
gehst du in die drogerie und holst kräutertee
der drogist dich äusserst freundlich grüsst
abschied mit musterbonbons dir versüsst
zuvor für schönheitscreme er werbung macht

dich freundlich und charmant anlacht
zum kauf der nachtcreme nett verführt

bezahlst hohen preis wie es sich gebührt

zuhause schimpfst du solch ein mist

hab sie nur gekauft weil er so freundlich ist

 

floristin

 

von rosen und seltenen blumen umgeben

hat die floristin ein buntduftig arbeitsleben

blumen auswählen vereint zu gebinden

für adventszeit und trauer kränze winden

aufbinden schneiden düngen giessen

wenig zeit um die pracht zu geniessen

beim verkauf von rosen sich mühe geben

menschen freude bereiten das ist leben

schenkst du rosen wohnst nicht im tirol

ist es dir bei der nächsten floristin wohl

 

blockade

 

mein hirn verschlossen

das herzblut dickt

ich ring heut vergeblich

um ein gutes gedicht

meine gedanken gesperrt

die hirnlyrik im stau

der poesiefluss verwehrt

am bleistift ich kau

o herr-je-minee

blockade wär ade

könnt meine lyrik fliessen

möcht sie gern geniessen

walpurgisnacht (pantun)

kühle gruft unter morschem eichbaum

uhu schreit weit hinten im totenacker

elf uhr elf im kleinen schwarzen

flog kirre lamda zur walpurgisfeier

uhu schreit weit hinten im totenacker

bei den nekropolen ihrer vorfahren

kirre lamda flog zur walpurgisfeier

vergass im grab den rosshaarbesen

bei den nekropolen ihrer vorfahren

ersehnte sie kribbelig diabolo

suchte im grab den rosshaarbesen

er stak im unterirdischen gefilde

eilte aus dem modrigen revier

ersehnte noch kribbeliger luzifer

packte den Stiel bestieg ihn behende

kirre lamda flog zur walpurgisfeier

verzog mit freund ins modrige revier

in die gruft unter morschem eichbaum

entstieg zwölf uhr elf dem schwarzen

packte den luzifer bestieg ihn behende

herz verloren (villanelle)

ich hab mein herz verloren

bei einer stolzen maid

ich hab ihr rache geschworen

da draussen vor den toren

auf grüner saftiger weid

ich hab mein herz verloren

verliebt über alle ohren

von freunden nur noch neid

ich hab ihr rache geschworen

zuvor ward ich erkoren

dann tat ich ihr nur leid

ich hab mein herz verloren

sie schmollte unverfroren

mit boshafter eitelkeit

ich hab ihr rache geschworen

nun hat sie mich verloren

die stolze dumme maid

ich hab mir rache geschworen

muschelei

 

einst aus dem meer entführt

das weichsein gestohlen

nur noch der perlmutt glänzt

die muschel ein grosses ohr

 

als weisses weises souvenir

auf dem edel schwarzklavier

hört sie viel gutes und böses

behälts für sich das schalentier

 

von gross und klein worte töne

tief unten in der spiralenseele

halten sie kinder an ihr ohr

 

spielt sie ihnen nur gutes vor

will sie von bösem bewahren

lässt klingen nur aus kinderjahren

pferd und esel (3 von 6 versen von sestine)

1 pferd und esel beide gleich beladen

2 auf halbem weg der esel müde bockt

3 kraftlos erschöpft er nun stille steht:

4 „du liebes pferd ich bitt dich hilf mir doch

5 entlaste mich wenns auch nur wenig ist

6 du bist stärker als ich kleines tier“

6 dem pferd fehlt jegliche manier:

1 „trag selbst genug bin sehr beladen“

5 der esel zusammenbricht nun tot er ist

2 langohrs leben ist jetzt ausgezockt

4 der bauer wütend schlägt ihn noch

3 wie die geschichte wohl weitergeht

3 das eselfell wird übers ohr gedreht

6 das pferd ist nun des esels lastentier

4 es trägt die haut als schweres joch

1 hätts geholfen wärs nicht so beladen

2 vergeblich jetzt der abwurf lockt

5 für hartes herz die last die strafe ist

 

haushahn und mägde

 

die alte bauersfrau weckte ihre mägde

jeden morgen beim ersten hahnenschrei

mit dem befehl: “steht auf eins zwei drei“

das frühe aufwecken und aufstehen

ihnen sehr missfiel deshalb suchten sie

ein neues ziel: „wär der verflixte hahn doch tot

dürften wir länger schlafen ohne not“

 

sie drehen dem gockel den hals rasch um

das war von ihnen reichlich dumm

die alte hausfrau ohne hahnenuhr

schläft seither nur noch eine spur

ist mitternachts schon wieder à jour

weckt ihre mägde ohne erbarmen

die denken oft an den hahn die armen

 

versuchst du ärgernisse zu vermeiden

noch grössere das leben dir verleiden

radfahrers los

 

wer tritt so schnell im kleinen gang

es ist ein radfahrer just am hang

nun ist er oben welch ein glück

fährt jetzt im mittelgang ein stück

hügelabwärts grosser gang

wird es ihm jetzt fast angst und bang

das leben verläuft gleichermassen

schnell treten schalten fahren lassen

es ist wie auf des sattels ritt

pass auf mach nur kein miss-tritt

 

bahnhof

 

sie stehen gehen sitzen

warten auf ihren zug

vorerst im durchzug auf

bahnsteig bis zug um zug

quietschend einfährt und

die ankommenden ihr

gefährt beinahe fluchtartig

durch eine schmale gasse

der eindringlinge verlassen

quietschend fährt er davon

zum licht des ausgangs

entgegen wieder warten 

neue reisende neue züge

ohne grosse verspätung

gelten sie als vorzeige 

objekte schweizerischer

pünktlichkeit

 

apokalypse

 

moloche des horrors pochen auf terror

unreife nachkommen keifender vampire

die verfluchten ausgeburten der hölle

überbringen sadistisch qual und tod

 

giftiger geifer tropft von gierigen lefzen

schweiniger schweiss stinkt nach pulverdampf 

sie bestücken mit hass den bombenteppich

überziehen flächendeckend die welt

 

das rote meer spendet blutwein und beifall

klirrende todesschreie verkochen eisberge

ätna als voyeur spuckt eiter statt lava

krater kratzt blutende wunden auf

 

geschworene blutsbrüderschaft verblutet

schwarze tattoes zieren totenschädel

drohnen und minen sind kostbare zugaben

es gibt atomkernparfait zum nachtisch

teufel und terror feiern endsieg

 

scrabblemanie

ey wie sie sich rexte im leid sich wogte und schönte

als das ren am hang schamlos pisste

dort wo die runde maus turnte als wäre die kür

ihr quiekender job wo zen mit fes fasziniert war

als er den nerz baden sah und wo ein cis mutig aus

der luke des pults sprang und dort wo das mofa

sie hemmte

der bote foxte der miss das menu für das vieh

des zaren mit einem neueren gong

sie nölte mit dem öle das tuch wischte den käse dry

nahm den mixer am tonarme war guten muts

zählte jens in den hut sang ein ave dazu

und wankte zur tür hinaus

tanz der vampire

 

blaue stunde ist verbläut

mordshunger auf mücken

vampirteufels flughäute

und echolot sind startbereit

 

zum mutigen kopfsprung

aus dem schattenreich in

die höllenspektakelouverture

zum flattertornado x-tausender

 

die schwirbler im spiraltanz

von ultraschall geschützt

mit ausgeburt wilder fantasie

die blutsauger mit fratzen

 

wehe wenn sie ausgehungert

hitchcockvögel die hingucker

mit hühnerhaut beflügeln

sie blecken sichel-eckzähne

 

gebären tollwut und draculaängste

bis luzifers lava knallig explodiert

und kobolde auf jagd zerspritzen

überwältigt von der horrorshow

 

bleibt voyeuren der mund offen

glücklich von killerdrohnen verschont

schlagen sie ihre zähne ins blutrote tatar

 

baldiges bienensterben

 

bauern bekämpfen bakterien

behandeln blütenpflanzen

blasen blaue blütengifte

bringen befallenen bienen

besonderes benehmen bei

bieten bienen bekanntlich

brutale begräbnisbeihilfe

besorgniserregend besprühte

birnbaumblüten

bringen braunen bienen

barbarisches blutbad

bemitleidenswerte bienenvölker

bleiben bald bewusstlos

betrunken betroffen besprüht

benommen beerdigt

bergwiesen beeinträchtigen

bald bewährten bienenstand

bevölkerung blickt beiseite

bezweifelt bienenvergiftung

bezieht begierig billigen bienenhonig

beeren baumfrüchte

bewirkt beschleunigtes bienensterben

bye-bye bienen

befruchtungslose blüten

 

 

ich suche

ich suche den lindengrün zarten text:

wo etwas ist das daneben steht

wo die sprache frühlingsblüten treibt

wo keine worte am wahn sinnieren

wo der seidenmond sein gesicht verliert

wo ihr atem ihn aus dem traum streichelt

wo es zwischen bäumen verlichtert

wo die tage leichter als luft sind

wo die schwalbe einen frühling macht

wo sogar unvollständige sätze heilen

wo wer sucht dort der auch findet

 

netzzeichen

ich spann mein netz

vor der glastüre auf

warte auf glatte oder

rauhe zeichen von dir

eine spinne im netz

wirft schatten ins glas

sie kennt die zeichen

auf glattem papier

 

aarige aare

 

liegst friedlich da breitest dich aus

du wechselwarmes ungetier

wie eine grüne smaragdeidechse

im sonnenschein dösend tragfähig

lasziv abwärts schleichst

vor dich hin ein lied knirschst

schwimmer und spaziergänger

moosig duftend verführst

ziehst dich bei trockenheit halbnackt aus

zeigst schamlos männiglich deine

untiefen und kieselreize

 

sommerunwetter in den bergen

stachelt dich über alle massen an

wandelt deine farbe von grün zu

schokobraun unter druck wirst

zu einem gierig reissenden wolf

mit bäumen zwischen den zähnen

lässt dich anschwellen überbordest

masslos grenzenlos lässt

kies und felsbrocken bedrohlich rollen

verbreitest angst und panik bei

deinen anwohnern und zeigst

ihnen stärke und unberechenbarkeit

bis du wieder kontrolle erlangst

 

die weser

 

schokoladenbraun

geschmolzener zucker

an wiesen äckern

putzigen häusern vorbei

quält sich durchs flussbett

die riesenschlange weser

mit treibholzkrokodilen

auf ihrem rücken

durchkreuzt von fähren

mit zornesfalten im antlitz

durch röhrende motorboote

vernimmt sie sehnsüchtige

flötenklänge in der ferne

 

glaube hoffnung liebe (akrostikon)

 

glaube

g ross ist seine macht

l iebe verstärkt ihn

a llmächtiger erhält ihn

u mfassend trägt er uns

b esitz braucht er nicht

e wig bringt er licht in die welt

hoffnung

h immelwärts wird sie gerichtet

o ffenbart verborgenes von

f rauen und männern die

f rühlingserwachen ersehnen

n achdem sie in letzter zeit

u nglück erfahren haben das sie als

n iederlage interpretieren und dann

g erne besseren zeiten entgegensehen

liebe

l iebe flüstert zärtlich

i ntimes teilt sie mit

e rlebnisse stärkt sie

b ehutsames pflegt sie

e wiges wünscht sie sich

 

engel-so-nett (sonett)

 

a zu lichtwesen aus letztem hauch mutiert

b erscheinen sie gern in menschengestalt

b wenn sich unheil über dir zusammenballt

a sind sie mit falterschwingen ausstaffiert

 

a ein lob den himmlischen heilsverkündern

b die als schutzengel uns beistand geben

b wenn sie sich selten ausruhen im leben

a gern im chor singen mit offenen mündern

 

c hörst du den engelchor er singt so nett

d um ja kein konzert zu verpassen

e möchtest auch du chorsänger werden

 

c gläubigen gleicht der gesang einem sonett

d wenn sie sich vom cantus berühren lassen

e dennoch willst du weiterleben auf erden

 

a – z haikus (a – f)

alter aal äst algen

als anderer aal attackiert

albino applaudiert

 

braunbären beißen

brave bergziegen böse,

bis boden blutig 

 

chamäleon chauft

chochchäs chuum c/o coopchäsi

chocht chinde chabis 

 

chiara chattet

checkt chinas charmante chefs

chartert chefköche

dinos denken die

damen die dauernd dudeln

drohen den drachen

 

enden esel erst

elend einsam ermattet  

echt eigenwillig

 

fritz fängt forellen

fischer fischt fritzens fische

fritz findet fischer fies

 

zwei limericks

 

es gab eine dame in ritzel

die ass ein grosses schnitzel

einer tat sie necken

es blieb im halse stecken

sie rief um hilf den fritzel

ein junger herr aus peru

ritt fröhlich auf dem gnu

es fing an zu bocken

der herr lief dann in socken

das gnu hat nun ruh in peru

 

maler herbst

 

grün in rot gelb oder braun

maler herbstes farbenpalette

lichte schleier anzuschaun

selbstbild spiegelt herbst-facette

 

glühend rot und gelb zugetan

farbspektrum herbst ausprobiert

er sorgsam auf brüchig porzellan

ohne grün nadelblätter koloriert

 

kälte herrscht die pracht nun fällt

sie bäume blattlos nackt entkleidet

dem maler es nicht mehr gefällt

winterkälte ihm alsbald verleidet

 

ein korb voll äpfel die erbschaft ist

herbst zieht sich ins laub zurück

schwarze totenpilze er nicht vergisst

herbst sei dank er bringt uns glück

herbstanfang und herbstende (doppelachrostikon)

 

h erbst koloriert gemächlich und in ru h

e r verwandelt grüne blätter in gelbe rote und braun e

r uht nicht aus und ist der her r

b is er sich zurückzieht in sein braunes gra b
s
ehr gern hinterlässt er uns fruchtige s

t eilen wir sein erbe in dankbarkei t

silberstreifen

mich überfällt fernweh

wenn gleissende ufos

den blauacker pflügen

ich habe mitleid mit mir

wenn eistänzer

jungfräuliches blautuch

zerkritzeln

ich werde traurig

wenn sie aus dem bild fallen

schleier die himmelswunden

verkleben

 

 

o sole mio

 

nachtschwärze erbleicht

im morgengrauen

silbervorhang sinkt

im lichtwellenbad ertrinkt

 

restgewölk dem

morgenrot ausweicht

deus sol seinen

auftritt inszeniert

 

erde mit goldfolie

sanft überzieht

traurig nachtschatten

westwärts flieht

 

streichelt warmfingrig

kreatur trocknet frühtau

vom blätterrand weckt

zum leben die natur

 

nun ist neuer tag à jour

mein menschenland

arbeit und tagtraum

gewinnen oberhand

 

sonnengott regiert

im ganzen land

lässt blühen die natur

du spürst die meisterhand

 

 

zahnausfall

 

und der kamm der hat zähne

doch die zähne beissen nicht

sie durchpflügen deine haare

und verschönern dein gesicht

 

früher war der kamm aus horn

heut aus künstlich material

lass ihn nicht zu boden fallen

für die zähne wärs fatal

 

und der kamm hat wenig zähne

drum durchpflügt er mich nicht mehr

ohne haar hab ich keine mähne

so vermiss ich ihn nicht sehr

 

ein armer kamm mit zahnausfall

verliert seine wichtige funktion

er landet im abfall und denkt

undank ist des kammes lohn

 

 

bimselabim

 

was bimselt und bamselt

den ganzen langen tag

es funselt und finselt

von früh bis spat

es linselt und lonselt

mit oder ohne spinn

wer hätte das gedacht

als funz und fanz so

früh ins frühbeet stiegen

bevor fritzi und fratzi

ganz cool das rennen

in angriff nahmen

winselten und wanselten sie

um stolz und stulz zu

fonseln und zu funseln

was misslang

noch funfhündert bis ins ziel

hipp schwoz hopp schwiz

stolz als erster am ende

stulz als zweiter

stolz und stulz bekommen

gold und silber

um den hals gehängt

beide stulz und stolz

sind überglücklich und stolz

wie bimselabim

 

hirnschlag

du grausamer hirnschlag

hast zentrales gefäß blockiert

und brutal sein hirn lädiert

sohnes schicksal ich beklag

 

hirnfunktion ist verletzt

sein denken erschwert

restkörper bleibt unversehrt

als vater bin ich entsetzt

 

sich erinnern fällt ihm schwer

lärm ermüdet und irritiert

sohn und eltern leiden sehr

dieses schicksal deprimiert

 

ich strahle

 

ich strahle vor freude

ich strahle vor glück

nur beim krebs bestrahlen

strahle ich nicht mehr

 

bis nach dem bestrahlen

ich endlich wieder strahle

denn bestrahlen bringt

freude und glück zurück

 

ei wie ei

 

ei-n ei oder zw-ei

viell-ei-cht auch dr-ei

ei-er ei-nerl-ei-er

s-ei-s wie es s-ei

alle diese ei-er

frass ei-n

vogelfr-ei-er

g-ei-er

trank dazu

ei-n ei-ner

oder zw-ei-er

w-ei-ssw-ei-n

und verdrückte

die ei-er ganz all-ei-n

im sonnensch-ei-n

 

eu wie eu-le

 

n-eu-lich sah ich

eine eu-le

mit b-eu-le

sie h-eu-lte

absch-eu-lich

d-eu-tsch

und d-eu-tlich

ich fr-eu-e mich

noch h-eu-te

über das lichtsch-eu-e

kontaktsch-eu-e

menschensch-eu-e

und kamerasch-eu-e

ungeh-eu-er

ich habe es wohl

versch-eu-cht

es flog ins ef-eu

dorthin wo alles kr-eu-cht

und fl-eu-cht

lichtgeschwister

du schwester sonn erwach

misch nachtpech auf

enthüll aus dem nebel

zart die geisterschemen

schleif wasserperlen

zu blitzenden diamanten

und als warmherzige

trockne tautränen

ich dein jo-jo-bruder mond

giess gern mein silberlicht

über romeo und julia

leere mich aus versichle mich

runde mich zur mondblüte

und beseelige die beiden

 

kreislauf

 

im schoss geborgen

geboren

gelebt

gestorben

im schoss geborgen

aus dem dunkel

ins licht

vom licht ins dunkel

aus dem dunkel ins licht

 

violinist am meer

feinste stradivari-töne schmeicheln

ferner liebsten in der spiegelglatten see

die sich nun kräuselt und murmelt

sich mit weissen krönchen überzieht

im rhythmus der musik stylen sich die

spitzen im abendlicht zu grossen wogen

da entpuppt sich aus ihrer mitte tanzend

eine meerjungfrau halb frau halb fisch

wirbelt sich wie ein delphin in die höhe

entspricht so der geige höchsten töne

stürzt sich bei tiefen klängen in die flut

reisst den geiger mit

 

ohne echo

 

zeig mir den weg verlass mich nicht

ich reise in finstre innenwelt

navi baut auf weibliche weitsicht

ohne dich mich nichts mehr hält

 

hohe mauern meine gleise säumen

zug um zug dem wunschziel zu

schwarze dämonen sich aufbäumen

vermiss dich liebste wo bleibst du

 

steh mir bei bist tief untergetaucht

partnerlos werde ich kaum mehr froh

ahnst gar nicht wie mann dich braucht

bleibst du mir fern bin ich ohn echo

 

 

dachsiges

ein frechdachs steckt den kopf nie in den sand

lieber wird er zu kanonenfutter oder beisst ins gras

gerne hört er die jäger die flinte ins korn werfen

wenn ein jäger einen grossen bock schiesst

bekommt er davon wind und zieht schnell leine

sobald er kohldampf hat geht er in die binsen

dem nachbarn isegrim dem wolf ist er spinnefeind

zeigt ihm die zähne kennt den pappenheimer gut

der ihm mit seinem geheul oft auf den keks geht

wenn er seine quasselstrippe trifft macht das

ihm schmetterlinge im bauch und er ist bald

im siebten himmel oder auf wolke sieben

entwicklung

unser wonneproppen wurde

mit dem bad ausgeschüttet

zieht mit haut und haar

den hals aus der nabelschlinge

steht bis zum hals im fruchtwasser

wäscht seine hände in unschuld

saugt muttermilch aus den fingern

legt bald einen zahn zu

zeigt seiner mutter die milchzähne

ist bis an diese bewaffnet

bekommt von leibspeise wind

hat es faustdick hinter den ohren

geht nicht gern auf schusters rappen

führt oft einen eiertanz auf

nimmt uns eltern an die kandare

malt am liebsten teufel an die wand

geht als hochgelobter musterknabe

kind und kegel auf den keks

krokodil und fisch

 

war einst ein grosses grünes krokodil

schwamm hungrig stundenlang im nil

sprach hämisch zu nem dicken fisch

du fehlst mir auf dem mittagstisch

 

der fisch sprach sperr auf den mund

ich schwimm direkt in deinen schlund

das krokodil tat wie ihm empfohlen

fisch ging einen pfahl schnell holen

 

steckt ihn dem kroko in den rachen

schwimmt davon mit einem lachen

die moral lässt sich leicht erklären

erst denken dann das maul aufsperren

 

 

plattitüdengedicht

 

die zeit heilt alle wunden

lass gras darüber wachsen

das leben geht weiter

 

das darfst du nicht so eng sehen

die welt ist gross und weit

die zeit heilt alle wunden

 

wenn andere am hungertuch nagen

was schert dich das

das leben geht weiter

 

kriege hat es schon immer gegeben

wir leben vom waffenexport

die zeit heilt alle wunden

 

ebola ist weit weg in afrika

wir leiden unter überbevölkerung

das leben geht weiter

 

kommt zeit kommt rat

warte doch erst mal ab

das darfst du nicht so eng sehen

 

 

abwärts

 

er isch im näbel gloffe

zmittst i nöche see

döt isch er bald versoffe

und niemert het en gseh

 

zmitts im nöche see

het er gsuecht sis glück

versänkt sis grosse weh

wott es ewigkeitsstück

 

es git für ihn kes zrügg

härz und seel sind leer

wott es friedensstück

es freut ihn nüt meh sehr

 

härz und seel sind leer

döt isch er bald versoffe

es freut ihn nüt meh sehr

er isch im näbel gloffe

 

 

susis busi

 

susi seit chumm bus bus

busi fang ds musi

ds musi isch im husi

ds busi bliibt veruss

du busi chumm is hus

bliib jetzt nümme duss

fang jetzt äntli ds musi

ds musi tanzt im husi

susi und busi höred d’musi-g

 

susi seit jetzt isch schluss

busi fang jetzt äntli d’mus

d’mus kriegt de gruus

ds busi wott jetzt d’mus

ds busi vor em musi-hus

ds musi chunnt us em hus

ds busi packt si s’isch e gruus

ds busi bringt si am sus

susi seit busi du chunnsch drus

 

 

namen (a – c)

 

anton angelte akkurat

abends alten aal

angesichts abendrot

abwärts am aare-abhang

als anna aufgekratzt ankam

alsbald assen allebeide

abgeklärt aal à anton

anschliessend absolvierten

anton auch anna

abendspaziergang

auf aareweg

 

berta bittet bruno betreffend brot

bruno beantwortet bertas bitte

beinahe blindlings

berta bröselt brot brockenweise

bruno beäugt berta burschikos

begeistert begehrt bruno

bertas bannende blicke

beim beglückenden brotverzehr

 

christinas cha-cha-cha

charmiert chattende coole cracks

charakterisiert comeback

couragierter catcher

changiert christinas chambre séparée

cumuliert coolen champagner

contra christinas chance

 

mohnherz

 

blutig rot 

mitten im noch

grünen kornfeld

ein herz aus rotem 

mohn eine faszinierende

komplementär-idylle

beschauers

blut wird röter

 

kornfeld

 

von wind regen

hagel zerzaust

liegt das korn als

ungepflegtes haar

auf der ackerhaut

angefault spriessend

statt zu mehl tierfutter

halme schlecht rasiert

ein bärtiges stoppelfeld

wird in goldene rollen

verpackt und von

traktoren mit offenem

biss verladen mäuse

krähen kümmert’s kaum

als selbstversorger

finden sie auskommen

leidtragend geknickt

bleibt der bauer

er träumt von der

nächsten ernte

 

rand-los

im zerstreuten gang der erinnerung

vermisse ich goldene ecksteine

der vergangenheit als hätte sich

die welt ohne mich entleert

als wäre mein geist nicht mehr dicht

balanciere ich am rand des lebens

am umschlagplatz kleiner nichtigkeiten

wo sich schwarze und weisse

wirklichkeit zum gespinst wirkt

das sich von zeit zu zeit zerteilt

am revers der nacht

von unsichtbarem zauber ergriffen

blase ich pusteblumen zum zerspritzen

lasse mein herz unter der wolljacke

einen gang höher und lauter schlagen

im metallischen mondlicht seh ich

wie die nacht den tag gierig verschlingt

ziehe den rapsduft der die leuchten

glitzernd streift und sich im blühend grün

verwebt mit tiefen lungenzügen ein

ich spüre die leichtigkeit der stille

bleibe ein knopf am revers der nacht

 

der schrei von nolde

hörst du ihren schrei

durch mark und bein

von der brücke herab

sie klagt im abendlicht

in trauer und verzweiflung

um den ertrunkenen sohn

mit aufgerissenen augen

und weit offenem mund

aus tiefster seele knallt sie

den lärm ihrer qualen

von angst und schrecken

sie hält sich die ohren zu

schreit schreit schreit

nach ihrem toten oskar

als ob sie ihn ins leben

zurückrufen könnte

und niemand hört zu

nimmt sich ihrer an

nicht einmal die männer

in nächster nähe auf

der brücke die sich abwenden

und gelangweilt ins wasser

schauen und dabei denken

weshalb schreit sie denn so

ist sie von sinnen

 

meine sprache

steht als löcherbecken daneben

wartet ewig auf göttliche einfälle

treibt eisblumen statt blüten

verschimmelt an ihrer leere

tümmelt sich im nichtssagenden

verlichtert sich alle schaltjahre

verwebt sich im banalen nonsens

die zunge klebt am wörtereis

zwiesprache (pantun)

x einarmig bandit lass fallen deine beute

a ich brauche kohle und zwar noch heute

y verrecke in schulden und bald sind tot

b frau und kind vor drohend hungersnot

a ich brauche kohle und zwar noch heute

c als versager such ich nur noch beute

b frau und kind vor drohend hungersnot

d ohne dein mitleid sind sie bald tot

c als versager such ich nur noch beute

e im leben erreich ich sonst kaum viel

d ohne dein mitleid sind sie bald tot

f geld und vertrauen sind ausser spiel

e im leben erreich ich sonst kaum viel

y verrecke in schulden und bald sind sie tot

f geld und vertrauen sind ausser spiel

x einarmig bandit lass fallen deine beute

aylan

seh ich hin schau ich weg

du fortgespülte menschlichkeit

rotes t-shirt blaue hose

gesicht vergraben im sand

von möwen überwacht

von flutwellen liebkost

zwischen bodrum und kos

dreijähriger bub als flucht-

und totenmeeropfer

eingesargt im sandstrand

familie vor terror auf flucht

mutter und kind ertrunken

aylan ausgespuckt von

der gierigen drachensee

eines von tausend kindern

schwemmgut im flüchtlingsstrom

führt uns die not vor augen

sein elend wird grenzenlos

medial verbreitet brennt sich ein

erinnert an unsere enkel

löst schuldgefühle aus

du fortgespülte menschlichkeit

seh ich hin schau ich weg

 

divas fall

fast so schön wie helena

die spöttisch abweisende

mischung kaktus mit rose

lichtgestalt der sportwelt

triumphe als topmodel

im spiel der extraklasse

richtige geldmaschine

trotzt jeglicher niederlage

 

die glamouröse stöhnt

als tennisgöttin in weiss

ohrenbetäubend wirkt sie

gekünstelt und theatralisch 

 

wegen doping geächtet

fällt star vom tennishimmel

als model von high heels

herab in bodenlose häme

 

schweizer titanenkampf

 

titanenkampf: duell im sägemehl

wollen schwingen wollen ringen

gross und muskulös die mannen

im schweizerischen hosenlupf

im sägemehl im schwingerring

umrahmt von vollen sitzarenen

zuschauer mit bierhumpen

dächlikappen und stumpen

los geht die schwingerchose

bewamst mit lang- und zwilchhose

mit ohrenschutz fast wie ein helm

mit edelweiss bestickt das hemd

nach blickkontakt prankendruck

und kampfumarmung fassen sie

gurt und hosensaum

nun schwingen sie nun ringen sie

mit variantenreichem schwung

partner listig auf den rücken gezwungen

hüfter“ „übersprung“ „wyberhaagge“

dem gegner das fürchten anhaken

nun geschwungen nun gerungen

kampfrichter die punkte verteilt

für einen „plattwurf“ gibt es zehn

publikum applaudiert und pfeift

ringen vorbei schwingen vorbei

sieger dem verlierer den rücken

anerkennend vom sägemehl befreit

gesamtsieger mächtigen muni erpreist

im netz gefangen

 

weltweites netzwerk spinnt letzten schrei

jeder mit jedem verbunden mir einerlei

gläserner mensch nun für alle realität

individualist ist tot er kam viel zu spät

 

den letzten bestraft bekanntlich das leben

masse wird dem exoten vergeben

kommunikative welt ist unter kontrolle

wir halten fern was komme und wolle

 

terroristen wollen wir frühzeitig erfassen

bevor sie uns töten einzeln oder in massen

bei der wahl der mittel sind wir grenzenlos

wir schicken amerikas drohnen los

 

lateralschäden tote kinder frauen

im tv wir nur die toten männer schauen

die wut der überlebenden ist riesengross

lassen zur rache brutale terrorristen los

 

handymanie

 

vergiss es nie ton amie das handy

handy handelt von wort und bild

wird gehegt gehätschelt gestreichelt

gedrückt wie ein kind an die wange

 

liegt angeleint täglich gefüttert

darf sich nachts an der quelle laben

lässt worte sms e-mails ins netz

und ungeduldig auf antwort warten

 

du schickst mit tönen deinem dandy

ein nackt-selfie diskret per handy

vielleicht wird er als empfänger stöhnen

 

dein kind sieht dich nie ohne handy

kennt smartphon besser als dein gesicht

freut sich aufs seltene streicheln – und wie

 

styx

 

hin und her her und hin

schwarz-oranges fährschiff

immerwährend styx überquert

argusaugen den fluss

im visier dank ihnen charon

auch im nebel hades findet

mit erigiertem heck und bug

störenden wellen trotzt

im jenseits flüchtlingsfracht ufert

hin und her her und hin

schwerbeladenes totenschiff

nur mit obolus styx überquert

 

todlangweilig

 

ohne schnitters tod

wird ewig langes leben

bald todlangweilig

 

 

der adler (nach „der panther“ von r.m. rilke)

 

sein blick ist vom flug der wolken

so wach dass ihn nichts mehr hält

ihm ist als ob es nur freiheit gäbe

und über wolken nur noch welt

 

sein flug mit eignen schwingen

lässt ihn grösste kreise drehn

ach könnten diese klingen

aus glocken würden sie bestehn

 

doch manchmal hält er müde inne

setzt seufzend sich auf felsig stein

kommt traurigkeit in seine sinne

erinnert sich an schmerz und pein

 

 

katzenmusik (nach „weidenkätzchen“ von jan wagner)

meine tante erzählt die geschichte von

den katzen die in der weichen dunkelheit

stricknadeln suchen und ein flammend inferno

vollführen und schreiend zu zehnt singen

 

eine kleine maus ist lachend zeuge

verbirgt ihr gesicht hinter einer säule

bringt ihre kritik auf den sichern punkt

während hunde sich im krieg fühlen

 

musikanten und zuhörer entfernen sich

wohin weiss niemand der teppich ist leer

nur weidenkätzchen leuchten in der vase

warten beharrlich die kommenden dinge ab

 

rauchschlange

 

als jüngstes kind

von feuriger kohlenmutter

und heissflammigem vater

in winterkälte gezeugt

in dunkelheit geboren

winde ich mich erwachsen

als rauchschlange grazil

aus unserer kaminhöhle

schwinge mich spiralförmig

himmelwärts vermähle mich

mit frischluft entschwinde

in irisierend hochzeitskleid

auf die hochzeitsreise

wolkenstimmung

 

kohlhoch am firmament 

weisse wattebauschen wandern

embryos und fabeltiere schwimmen

wohlig im wolkenmeer

 

wolken sich verschmelzen

freude herrscht auf wolke sieben

bis soutanfarbiges wolkentier

gewitter mit wetterumsturz

tag zu nacht verkündet

 

blitze dunkelheit durchgrellen

regen und hagel im gefolge

hoch zu tief von tag zu nacht

im himmel und auf erden

himmelhochjauchzend …

 

 

ich spiele du spielst – spiel mit!

spiele dicht dichte spiel spiel dicht mit

ich dichte spielend du spielst dichtend spiele dichtend mit

ich dichte mit du spielst mit spiel dichtspiel mit

spielend dichtend spieldichtend dichtspielend

mitspielend mitdichtend mitspieldichtend mitdichtspielend

ich du spielst dichtest mitspielst mitdichtest

mitnichten wir nicht spielen wir spielen wir dichten

bis wir bankrott und undicht sind

 

 

ausserholligen

 

russe hol galien

gell hausi rosen

rueg hansis olle

leo hass nur igel

geh raus lies lon

laus ron geh leis

lauge liess horn

gaul hiess norle

luan erlog heiss

lua hol gern seis

ein aug soll sehr

nellis rohs auge

rose lag ins heul

o happy shopping

mausarm für black friday in amerika angeködert

von europas schnäppchenjägern aufgeschnappt

rabattsüchtig berauscht durch www-werbefritze

scharf aufgegeilt zum halfprize-happening

kind kegel sack pack quickly zum paradies gesuvt

halbpreisig blitzartig unter die nägel gerissen

kaufe alles was niedrig preisgekrönt bin doch

nicht blöd alles vom nachttopf bis zum negligé

als black-sale-king kaufkaputt und krediterschöpft

mit rolli überlastet gepackeselt zurück zum crossover

drive ich happy home zum abfluss des überflusses

hin zur müllabfuhr diese hat ein recht auf leben

montag bis sonntag

 

montag

ist malochentag

am dienstag

dient wer dienen mag

am mittwoch

gibt’s ein mittelhoch

am donnerstag

sozial-gewitterplag

freitags gibt’s

frieden und fisch

auf reinen tisch

wer nicht mehr mag

macht samstags

freien tag

ein zweiter folgt

so-sonntag-gleich

eine woch vorbei

nach sieben streich

 

 

advent

 

o hirnverbrannte einkaufswelt

wo ist der advent geblieben

es geht wohl nur ums liebe geld

um geschenke für die lieben

 

siehst vor firlefanz und plunder 

sinnige geschenke kaum mehr

erwartest trotz sale kein wunder

weniger bedeutet oft viel mehr

 

den konsumtempel ich verlasse

ohne geschenk wutentbrannt

wie ich den kaufstress doch hasse

 

bin ich zu alt für diese neue welt

zuhause liegt ein bettelbrief

großvater schenk mir weihnachtsgeld

 

Sie erreichen den Autor/die Autorin unter: leder.stahl@hispeed.ch